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Knockout 51 - Prozess 2 (2025)

6. Verhandlungstag – KO51 -Zweiter Prozess – 13.05.2025

Am 6. Verhandlungstag des Prozesses wurden vor allem Telefongespräche und Fahrzeuginnenraumaufnahmen angehört sowie Chats verlesen. Außerdem wurden Bilder aus den erkennungsdienstlichen Maßnahmen (ED-Behandlung) von Marvin W. und Kevin N. in Augenschein genommen. Es fand keine Zeug*innenanhörung statt.

Die inhaltlichen Schwerpunkte lagen, den Thesen der Anklageschrift folgend, auf der Anwärterschaft bei Knockout 51, dem Entzug der Mitgliedschaft, der Tätowierung einer „51“ als Zeichen der Zugehörigkeit, dem Instagram-Account von Knockout 51 sowie der Rekrutierung und Politisierung neuer Personen, auch durch Veranstaltungen im Flieder Volkshaus, dem Sitz der Heimat (ehemals NPD) in Eisenach.

Insgesamt waren vier Prozessbeobachter*innen und zwei Pressevertreter*innen anwesend. Unterstützer*innen der Angeklagten waren nicht angereist.

Unübersichtlicher Einstieg in den Tag

Nachdem am 5. Prozesstag ein Zeuge des BKA angehört und Beweise für zurückliegende Fußnoten aus der Anklageschrift nachgereicht wurden, machte Prozesstag 6 dort weiter, wo der 4. Prozesstag aufgehört hatte: bei Fußnote 136. Diese dreht sich um das Anwärtertraining für KO51 im Flieder Volkshaus. Zu Beginn der Verhandlung wurden insgesamt drei Telefongespräche von Leon R. mit verschiedenen Personen und fünf Aufnahmen aus dem Auto von Leon R. angehört. Teilweise ist bei diesen der Bezug zur oben genannten Fußnote nicht klar gewesen. Möglicherweise wurden hier noch Beweise nachgereicht. Es kann aber auch sein, dass für die Fußnote relevante Teile der Gespräche akustisch nicht verstanden wurden.

Ein Vertreter der GBA bat passend dazu zu Beginn des Prozesstages darum, die zwei Lautsprecher, mit denen die Aufnahmen im Gerichtssaal abgespielt werden, höher zu stellen, da sie teilweise von der Verkleidung des Senatspults verdeckt wurden. Nachdem die Lautsprecher mit dicken Büchern und Druckerpapier höher gestellt wurden, verbesserte sich die Akustik tatsächlich ein wenig. Trotzdem blieb es eine Herausforderung, die Tonaufnahmen in Gänze nachzuvollziehen.

Nach dem ersten angehörten Telefongespräch sprach Rechtsanwalt Richter (Verteidigung Patrick Wieschke) seinen „obligatorischen Verwertungswiderspruch“ aus, da ihm keine richterlichen Beschlüsse für die Überwachungsmaßnahmen vorliegen würden. Am Ende des 6. Verhandlungstags wurden diese Beschlüsse jedoch im Selbstleseverfahren eingeführt.

Inhalte der Gespräche

Im ersten angehörten Telefonat sprachen Bastian A. und Leon R. Sie machten sich über einen Polizisten lustig, der so getan hätte, als würde er einen der beiden im Dienst nicht kennen – obwohl er in Leon R.’s Kneipe Bull’s Eye verkehre. Weiterhin sprachen sie über einen Boxkampf von Kevin N. Auch fragte Bastian A., ob Marvin W. sich die Zahl 51 tätowieren ließ, was Leon R. bejahte (mehr zur Tätowierung der Zahl 51 siehe unten).

Es folgten Gespräche zwischen Leon R. und Benjamin S. bzw. Maximilian A., in denen diese über die Weitergabe des Schlüssels für das Flieder Volkshaus für das Training sprachen und Leon R. Anweisungen zum Umgang mit der Alarmanlage gab. Leon R. hatte demnach eine Fernschaltung zu der Alarmanlage und die Möglichkeit, diese auszuschalten, auch wenn er selbst nicht im Flieder Volkshaus war.

In einer weiteren Aufnahme von 2021 aus dem Auto von Leon R. forderte dieser Marvin W. dazu auf, seinen KO51-Beitrag zu zahlen. Sie bräuchten möglichst bald mehr Geld, u.a. zur Anschaffung neuer Box-Ausrüstung. Leon R. sprach außerdem über einen Ort, bei dem er mit einer anderen Person schon mal überlegt hätte, ihn vermummt zu „stürmen“.

In einem anderen Gespräch in seinem Auto 2021 beschwerte sich Leon R. bei Maxi O. darüber, dass Eisenach früher „viel mehr Nazi-Stadt als heute“ gewesen sei; jetzt „alles tot“ wäre. Sie hätten „ein riesengroßes Problem“, seitdem sie „die Kameradschaft aufgelöst“ hätten. Vorher hätte neben dem Boxen noch „eine komplett funktionierende Kameradschaft“ bestanden. In einer Gruppe „Westthüringen“ wären 30 Leute gewesen, „auf die man zurückgreifen konnte“. Das hätte sich nun geändert. Während der Fahrt sahen sie scheinbar ein Auto mit Stuttgarter Kennzeichen. Laut R. „werden [das] wohl Zecken sein“.

In einer weiteren Aufnahme aus 2021 unterhielten sich Marvin W. und Leon R. über das Gewicht einer anderen Person und eigene Gewichtszunahmen. Für die Erreichung der Mitgliedschaft bei Knockout 51 soll ein Mindestgewicht von 80 Kilogramm verlangt worden sein. Dann sprach Leon R. (möglicherweise am Telefon oder bei der Aufnahme einer Sprachnachricht) darüber, welche Personen regelmäßig zum Training kommen würden. Über Kevin N. sagte er: „Kevin sieht sich auf jeden Fall als Kamerad“. Er käme allerdings nicht mehr so oft zum Training, da er nun in Erfurt wohne.

In der letzten Aufnahme aus diesem ersten Block redeten Leon R., Nils A. und Marvin W. im Auto über Bastian A. und andere Leute, die sich ständig zum kämpfen anstacheln lassen würden. Die Gewaltaffinität insbesondere von Bastian A. war im ersten Verfahren gegen Knockout 51 bereits Thema gewesen (siehe z.B. Verhandlungstag 21).

Marvin W. durfte keine KO51-Kleidung mehr tragen

Danach ging es etwas geordneter weiter. Bei Fußnote 137 handelt es sich um die These der Anklage, dass ein Anwärter bei Erfüllung der körperlichen Anforderungen die Mitgliedschaft bei KO51 erlangen konnte. Dies ginge mit der Erlaubnis einher, die Kleidung der Gruppe zu tragen. Hier wurde nur ein kurzer Chat zwischen Leon R. und Kevin N aus 2019 vorgelesen, in dem Kevin N. zusicherte, Geld für ein T-Shirt am nächsten Tag mitzubringen.

Weiterhin soll ein englischsprachiger Chat zwischen Leon R. und einem australischen Aktivisten eingeführt werden, der bereits im ersten Verfahren gegen Knockout 51 Erwähnung fand (z.B. Verhandlungstag 16). Dieser musste allerdings erst noch vom BKA final für dieses Verfahren aufbereitet werden. Die Übermittlung der Daten an das Gericht sollte laut den Vertretern der GBA am gleichen Tag erfolgen; in der Verhandlung wurden aber noch keine Inhalte daraus verlesen.

Fußnote 138 stellt fest, dass die Mitgliedschaft bei KO51 auch wieder entzogen werden konnte. Verlesen wurde ein Chat vom März 2020 zwischen Marvin W. und Leon R., in dem Letzterer Marvin W. aufforderte, öfter zum Training zu kommen – „sonst musst du dein Shirt abgeben“. Wenige Tage darauf wurde Marvin W. tatsächlich dazu aufgefordert (Fußnote 139). Im Chat erklärte Leon R.: „Votum hat ergeben, dass du bitte dein Shirt vorerst abgibst. Wenn du aktiver wirst, bekommst du es ohne Anwärterschaft zurück“ (siehe auch Verhandlungstag 16 des 1. Verfahrens).

Rechtsanwalt Bauerfeind (Verteidigung Kevin N.) gab daraufhin eine Erklärung nach § 257 StPO ab, wonach die Chats zeigen würden, dass die Kleidung nur entzogen worden wäre, wenn jemand dem Training fern blieb. Andere Gründe ließen sich aus seiner Sicht nicht feststellen. Das würde ihm zufolge dafür sprechen, dass die Gruppe sich als „reine Sportgruppe und nicht mehr“ begriff.

Die tätowierte 51 als Zeichen der Zugehörigkeit

Das nächste Thema war die Tätowierung der Zahl 51 durch mehrere Mitglieder von KO51, u.a. Kevin N. und Marvin W. Dadurch würde laut Anklageschrift der dauerhaft angelegte Charakter der Gruppe deutlich werden (Fußnote 140). Als Teil der Beweisaufnahme wurden Fotos der ED-Behandlungen von Marvin W. und Kevin N. in Augenschein genommen. Bei beiden waren deutlich Tätowierungen der Zahl 51 auf den Bildern zu sehen.

In einem Telefongesprächs aus 2021 vermittelte Leon R. einen Tattoo-Termin für Marvin W. bei Eric R. Letzerer bestätigte in dem Gespräch, dass Marvin W. die 51 kostenlos gestochen bekommen würde. In einem Chat fragte Justin B. Leon R. im Februar 2020, ob eine Person die Erlaubnis bekommen solle, sich die 51 tätowieren zu lassen. Leon R. stimmte zu (siehe auch Verhandlungstag 16 des 1. Verfahrens).

Dann folgten noch drei Chats zwischen Leon R. und Kevin N. aus dem Jahr 2020, die sich um die Vergabe und Darstellung von Kleidung von KO51 drehten.

Wer hatte Zugang zum Instagram-Account von KO51?

Nun ging es um den Instagram-Account von KO51 und wer Zugang zu diesem hatte. Für dieses Verfahren relevant ist dabei vor allem die Frage, ob Kevin N. selbst Zugang zum Account hatte – die Anklage ist der Ansicht, dass das der Fall war. Zunächst wurden die Eckdaten zum Account vom Richter Blaszczak verlesen: das Handle war knockout_51, in der Profilbeschreibung stand „Kampfgemeinschaft“ und „Pain is temporary, honour is forever“. Ein Bild, auf dem mehrere Personen vor einem KO51-Graffiti posieren, wurde gezeigt. Die Gesichter wurden unkenntlich gemacht. Unabhängig davon ist es für Prozessbeobachter*innen meist schwer, Details auf den Bildern auszumachen: Sie werden oft nur sehr kurz im Gerichtssaal gezeigt, der Beamer ist nicht richtig ausgerichtet und der Abstand zwischen Leinwand und Besucher*innenbereich ist sehr groß.

Bezüglich des Zugangs zum Instagram-Account wird ein Chat im Selbstleseverfahren eingeführt. In einem weiteren Chat aus April 2020 sprachen sich Leon R. und Kevin N. zur Veröffentlichung eines Bildes von fünf Personen in Box-Kleidung auf dem Instagram-Account ab. Leon R. fragte, ob er Kevin N. zensieren solle. Dieser entgegnete, dass  „die Nazi-Connections“ offengelegt werden müssten. Leon R. antwortete: „Zu spät“.

In einem längeren Chat-Auszug zwischen Leon R. und Nils A. sprachen diese darüber, wie man durch Öffentlichkeitsarbeit noch mehr Menschen auf die eigenen Aktivitäten aufmerksam machen und dafür begeistern könnte (siehe auch Verhandlungstag 16 des 1. Verfahrens). Leon R. bemängelte, dass ihm schon ein paar Leute einfallen würden, aber viele „trauen sich halt nichts“. Sie würden die Leute nicht so verändern können, dass aus einem „Feigling“ ein „Aktivist“ würde. Trotzdem wäre auch andere Unterstützung möglich, zum Beispiel indem Leute Sticker kleben.

Dann sprachen sie über die Idee, eine Wanderung zu organisieren. All das müsste mit Fotos stärker beworben werden. Leon R. erklärte, dass sie mit Knockout 51 „jetzt mehr an die Öffentlichkeit gehen“ könnten, denn „das Verbotsverfahren ist ja jetzt beendet“. Schließlich gab er Nils A. noch den Zugang zum Instagram-Account, woraufhin dieser mutmaßlich ein Bild von sich im Knockout 51-Pullover hochlud.

Ein weiteres, für diese Fußnote relevantes Gespräch wurde bereits im Zusammenhang mit Fußnote 115 am 3. Verhandlungstag des aktuellen Verfahrens angehört.

In Reaktion auf die eingeführten Beweise erklärte der Verteidiger von Kevin N., Bauerfeind, dass die Chats nicht dafür sprechen würden, dass Kevin N. Zugang zum Instagram-Account hatte. So hätte Leon R. gefragt, ob er Kevin N. zensieren solle, was dafür spräche, dass Leon R. das Bild veröffentlicht hätte. Zudem hätte Leon R. gegenüber Nils A. nur sich selbst als Person mit Zugang zum Account genannt. Tatsächlich sagte Leon R. allerdings nicht, dass nur er den Zugang hätte, sondern schrieb auf Nachfrage von Nils A.: „Hab ich, kann ich dir aber auch geben“.

Rekrutierung für Knockout 51

Im nächsten Schritt ging es um die Rekrutierung neuer Interessenten und die „Jugend“ von Knockout 51 (Fußnoten 143-147). In einem Gespräch zwischen Leon R. und Bastian A. sprechen diese über das Alter von potentiellem Nachwuchs, wobei Leon R. meinte, dass 15 das „perfekte Alter“ wäre (siehe auch Verhandlungstag 16 des 1. Verfahrens). Weitere Beweise hierzu befänden sich im oben bereits erwähnten Chat zwischen Leon R. und einem australischen Aktivisten, die später in die Verhandlung eingeführt werden sollen.

Zu Beweisstücken zur „Jugend“ von Knockout 51 entbrannte dann eine Diskussion zwischen Richter, GBA und Verteidigern. Der Richter merkte an, dass kein „originäres Beweismittel“ vorläge, sondern nur der Vermerk eines Kriminalbeamten. Der GBA entgegnete, dass er diesen Begriff schwierig fände und es möglich wäre, den Kriminalbeamten als Zeugen zu laden oder Abschriften der entsprechenden Chats neu zu erstellen.

Rechtsanwalt Baitinger, Verteidiger von Wieschke, kritisierte, dass die Erinnerungen eines Zeugen über einen Chat nicht als Beweis ausreichend wären. Der Richter erklärte daraufhin, dass sie sich das nochmal genauer anschauen und eine Umgangsweise überlegen würden. Verlesen wurde vom Richter außerdem noch die These der Anklage, dass sich auch junge Frauen der „Jugend“ angeschlossen hätten, darunter Josephine O. und Lara T.

Patrick Wieschke und Leon R. über Wachsamkeit und politische Organisierung

Nun wurden zwei Gespräche per Chat bzw. im Auto zwischen Patrick Wieschke und Leon R. in die Verhandlung eingeführt. Im Chat informierte Wieschke per Sprachnachrichten Leon R. darüber, dass er ein Auto aus Leipzig in Eisenach gesehen hätte, dieses möglicherweise politischen Gegner*innen zuzuordnen wäre und er sich das Kennzeichen notieren würde. Es folgte ein Austausch darüber, woran man potentielle Gegner*innen, die einen Angriff planen könnten, erkennen würde.

Leon R. mutmaßte, dass die Personen nicht direkt als politische Gegner*innen erkennbar wären, sondern am Ende möglicherweise ein „altes Ehepaar“ Informationen an eine „jugendliche Sportgruppe“ weitergeben würden. Wieschke berichtete von einem Vorfall, bei dem ein „junges Pärchen“ auf ein Nachbargrundstück gefahren wär und versucht hätte, von dort aus Fotos zu machen. Beide teilten zudem Beobachtungen über Personen aus Eisenach, die sie in der Stadt gesehen hätten und von denen sie einen mit einem rassistischen Begriff benannten. Wieschke betonte, dass es wichtig sei, aufmerksam zu sein: „Halte deine Leute in Rufbereitschaft und bleibt wachsam“.

Der Verteidiger von Wieschke, Rechtsanwalt Richter, sagte in einer Erklärung nach § 257 StPO, dass sich die Sprachnachrichten, die Wieschke zugeordnet wurden, „stimmentechnisch“ unterschiedlich anhören würden. Außerdem erklärte er, dass im Gespräch von einer hohen Gefahrenlage gesprochen worden sei, es sich also nur um die Vorbereitung auf befürchtete Angriffe und nicht um selbst geplante Gewaltvorhaben gehandelt hätte.

Im Gespräch zwischen Wieschke und Leon R. im Auto (siehe auch Verhandlungstag 17 im 1. Verfahren) sprachen beide ebenfalls über die Idee einer Wanderung, die Identifikation und Aufmerksamkeit schaffen könnte. Wieschke schlug vor, eine schwarz-weiß-rote Fahne mitzuführen. Weiterhin waren sie sich darüber einig, dass eine stärkere Organisierung von Nachwuchs stattfinden müsse und die Treffen im Flieder Volkshaus „auch mal politischer“ gemacht werden müssten. Wieschke erzählte in dem Zusammenhang von früheren, wöchentlichen Treffen in Gotha mit Thomas Wagner (beteiligt an Neonazi-Angriff auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt und Kopf der Neonazi-Gruppierung „Turonen“) und„Tommy“ (vermutlich Tommy Frenck), bei denen sie das Weltgeschehen kommentiert hätten und das zum Gruppencharakter beigetragen hätte. Leon R. beschwerte sich mal wieder darüber, dass viele Personen zwar von der Weltanschauung her auf ihrer Seite seien, aber sich noch nicht wirklich aktivistisch organisieren würden.

Rechtsanwalt Richter, Verteidiger von Patrick Wieschke, erklärte nach der Anhörung des Gesprächs, dass das Interesse von Wieschke, die Treffen im Flieder Volkshaus politischer zu gestalten, gesetzlich gedeckt sei. Wieschke sei Vertreter einer politischen Partei, es sei also nichts Verwerfliches dabei.  

Die Rolle von Eric K.

Der letzte inhaltliche Block des Verhandlungstages drehte sich um Eric K., der nach seinem Ausschluss aus Knockout 51 im Jahr 2021 zum Anführer der „Jugend“ bestimmt worden wäre. Ihm sei, so die Anklageschrift, die Führung überlassen und Befehlsgewalt eingeräumt worden. Insgesamt wurden hierzu sieben Fahrzeuginnenraumaufnahmen, ein Chat und ein Telefongespräch angehört. Diese Beweisstücke wurden bereits im ersten Verfahren, in dem Eric K. verurteilt wurde, eingeführt und werden deswegen hier nicht nochmal in aller Ausführlichkeit beschrieben (siehe v.a. Verhandlungstage 17 und 18).

Relevant in Bezug auf die jetzigen Angeklagten ist u.a. ein Chat zwischen Kevin N. und Eric K. aus dem November 2020 (siehe auch Verhandlungstag 13 des 1. Verfahrens). Dort diskutierten die beiden darüber, dass Eric K. nicht mehr zum Training kommen würde. Eric K. argumentierte, dass er vor allem die Kameradschaft sehen würde und keine Lust auf eine (erneute) Anwärterschaft hätte. Kevin N. forderte ihn auf, sich zu „straffen“. Schließlich wäre das Training „auch dafür da, dass wir alle einmal die Woche auf einem Haufen sind“.

Zu dem Chat erklärte Rechtsanwalt Bauerfeind, Verteidiger von Kevin N., dass dort eine Trennung zwischen Training und Politischem vorgenommen werden würde und dieses demnach „nicht deckungsgleich“ sei. Der zweite Verteidiger von Kevin N., Picker, ließ sich hingegen darüber aus, dass der Begriff der „Befehlsgewalt“ eher an „militärisches oder Freikorps-Verhalten“ erinnern würde. Da es hier um „zivile Strukturen“ gehen würde, wäre dieser Begriff „überzogen“.

Bei einer Fahrzeuginnenraumaufnahme aus dem Jahr 2022 waren im Gerichtssaal nur starke Regengeräusche zu hören, was auch der Richter anmerkte. Daraufhin stellte Rechtsanwalt Baitiner (Verteidigung Wieschke) infrage, ob die auswertende Beamtin das hätte verstehen können. Die Vertreter der GBA entgegneten, dass man die Beamtin als Zeugin laden oder das Gespräch als Abschrift verlesen lassen könne, dass es aber auf keinen Fall aus der Beweisaufnahme ausgeschlossen werden dürfe.

In einer weiteren Aufnahme aus dem Auto von Leon R. hörte man, wie dieser scheinbar eine Sprachnachricht aufnahm. Laut den Ermittlungen wäre diese an Kevin N. gerichtet gewesen. Der Verteidiger von Kevin N., Bauerfeind, ist jedoch der Ansicht, dass es dafür keine Anhaltspunkte gäbe.

In einer längeren Aufnahme aus seinem Auto beschwert sich Leon R. ausführlich über Eric K. und Dennis K., die sich ständig mit anderen prügeln und mit ihren (angeblichen) Taten angeben würden. Wegen ihrem Verhalten wäre aus dem Anwärtertraining eine „2-Mann-Show“ geworden. André Picker, Verteidiger von Kevin N. erklärte daraufhin, dass die Aufnahme allein „das Lamento menschlicher Unzulänglichkeit soziologischer Strukturen“ zeigen würde und er nichts Strafbares vernommen hätte.

Der Verteidiger von Wieschke, Peter Richter, schloss sich an und erklärt, dass aus den Gesprächen hervorgehen würde, dass die Personen sich nicht verstehen und schlecht übereinander sprechen würden. Das stünde aus seiner Sicht einer Vereinigung entgegen. Auch Rechtsanwalt Bauerfeind, Verteidiger von Kevin N., argumentierte, dass die Aufnahmen nicht zeigen würde, dass Eric K. Befehlsgewalt hatte, sondern eher Unzufriedenheiten darstellen würden.

Richterliche Beschlüsse für Überwachungsmaßnahmen ins Verfahren eingeführt

Zum Abschluss des Tages gab der Richter die Anordnung, eine Urkundenliste im Selbstleseverfahren bis zum nächsten Verhandlungstag am 3. Juni zur Kenntnis zu nehmen. Darin enthalten sind Chats sowie die Beschlüsse von Ermittlungsrichtern und Anordnungen für TKÜ und Fahrzeuginnenraumüberwachungen. Sollten diese vollständig vorliegen, wären die Verwertungswidersprüche der Verteidiger widerlegt. In diesen hatten sie das Fehlen von richterlichen Beschlüssen für Überwachungsmaßnahmen bemängelt.

An diesem Verhandlungstag führte die Diskussion um die kommenden Prozesstermine im Juni noch zu einer etwas skurrilen Situation. Die Verteidiger von Patrick Wieschke erkundigten sich, ob man die beiden nächsten Prozesstage am 3. und 5. Juni aufgrund von weiten Anreisen zusammenlegen oder einen der beiden nach hinten verschieben könnte – was einen Vertreter der GBA dazu veranlasste, zu betonen, dass zwei Angeklagte (Kevin N. und Marvin W.) in Untersuchungshaft sitzen und es deswegen wichtig wäre, möglichst bald möglichst viele Verhandlungstage durchzuführen. Schließlich wurde sich geeinigt, die Termine so zu belassen, wie sie ursprünglich festgelegt wurden.

Der nächste Verhandlungstag findet am 3. Juni statt.