Nachdem es am Vortag vor allem um die Teilnehmer des Kampfsporttrainings und die Bezüge zum Flieder Volkshaus ging, stand auch am heutigen Verhandlungstermin die Organisation der Gruppe unter Führung des mutmaßlichen Rädelsführers Leon R. im Mittelpunkt.
Straffe Strukturen
Bereits am Vortag wurden die zu entrichteten Mitgliederbeiträge am Rande thematisiert. Hierfür wurde nun eine Excel-Tabelle eingeführt, wo die jeweiligen Teilnehmer und die von ihnen bereits entrichteten Beträge aufgelistet waren, die monatliche Beitragshöhe betrug demnach zunächst 10€. Anschließend wurde auf Inhalte aus der WhatsAppGruppe „Knockout 51 Diakonie“ Bezug genommen. Dabei verkündete Leon R. am 31.12.2020, dass von nun an Stammtrainierende einen Beitrag von 20€ anstatt 10€ zu entrichten hätten. Dies wurde mit finanziellen Rückständen begründet. Zudem bedankte er sich für die Trainingsteilnahme im letzten Jahr, wobei er hoffe, dass im nächsten Jahr „genauso viele auf Lockdowns und Abstandsregeln scheißen“. In einem Chat mit einem Neumitglied gab R. zudem zu erkennen, dass es Reduzierungen hinsichtlich der Beitragshöhe (von damals 10€ auf 5€) für Teilnehmer an Wettkämpfen und Gastrainierende gäbe.
Erprobung der Anwärter
Neben den festen Mitgliedern soll es „Knockout-51“ auch darum gegangenen sein, Anwärter der Gruppe heranzuführen. So sei Voraussetzung für Anwärter ein Gewicht von mindestens 80 Kilogramm gewesen sein, außerdem hätten sie 80-90kg beim Bankdrücken stemmen und 48 Einheiten pro Jahr im Kampfsport absolvieren müssen. Hierzu wurde lediglich auf Inhalte aus dem Verhandlungstag vom 21.12.23 verwiesen. Außerdem soll für die Anwärter am Sonntag ein separates Training im Flieder Volkshaus stattgefunden haben. Im ersten der hierfür eingeführten TKÜ-Gespräche beklagte Leon R., dass Eisenach früher „100-mal mehr Nazistadt“ gewesen sei. Vor drei bis vier Jahren hätte man über fast 50 Leute verfügt, auf die immer zurückgegriffen werden konnte, während heute ein Großteil wegbreche. Deshalb würde er auch versuchen, etliche neue Leute zu gewinnen. In einem zweiten Gespräch zeigte sich ein mutmaßliches „Knockout-51“-Mitglied erleichtert, dass er die „Anwärterscheiße“ überwunden habe. Leon R. betonte daraufhin die Bedeutung dieser Erprobung für „sprunghafte Typen“, wobei dies immer vom Charakter abhänge. In einem letzten Gespräch bot Leon R. einer unbekannten Person an, bei der Boxgruppe für Anfänger am Sonntag (Anwärtertraining) vorbeizukommen.
Disziplinierung
Die folgenden Inhalte sollten dann nahelegen, dass Leon R. nicht nur auf den „Einsatz“ der Anwärter geachtet hat, sondern auch gegenüber Mitgliedern strikte Anforderungen stellte. Im April 2020 forderte R. in der bereits erwähnten Mitgliedergruppe, dass die Motivation hochgehalten werden müsse und Disziplin unentbehrlich sei. „Knockout-51“ sei schließlich kein „Integrationsverein“. Zudem empfinde er es als dreist, eine Ausrede für eine Trainingsabsage vorzugeben, um dann stattdessen Shisha zu rauchen. Deshalb müssten der gesondert verfolgte Marvin W. und der Mitangeklagte Eric K. aufgrund fehlendes Einsatzes nun ihre Kleidung abgeben, eine weitere Person müsse erneut das Anwärterprogramm durchlaufen.
Dem Ganzen ging bei Marvin W. ein längere Vorgeschichte voraus. Bereits im Juli 2019 forderte Leon R. ihn laut Chats dazu auf, das Training nicht schleifen zu lassen. Als W. in den Folgemonaten aufgrund einer OP am Kiefer wiederum absagte, verlangte Leon R. mehr Engagement. Schließlich hätten auch Kevin N. und er sich trotz Knochenbrüchen weiter fitgehalten. Zudem erwarte er von den Mitgliedern mehr Einsatz als bei der mutmaßlichen Vorgängerorganisation „Nationaler Aufbau Eisenach“, da nun auch Saalschutz und Kampfsport im Mittelpunkt stünden. Die Anwälte der Verteidigung erwiderten erneut, dass die Funktion des Saalschutzes nur darin gelegen hätte, sich vor Angriffen durch Linke zu schützen.
Schließlich wurde im März 2020 aufgrund mangelnder Aktivitäten die Vollmitgliedschaft von Marvin W. schließlich aberkannt. Dies hätte laut Leon R. ein Votum ergeben, was er – wie bereits ausgeführt – auch in der WhatsApp-Gruppe verkündet hat. Nicht nur W., sondern auch Eric K. wurde auf diese Weise sanktioniert. Gegenüber einer Bekannten erklärte R., dass es bei „Knockout-51“ nicht nur um „fitnessmäßiges Boxen“ gehe. Da sich Eric K. einem entsprechenden Boxkampf nicht stellen wollte, habe R. als Folge seinen vorübergehenden Ausschluss erklärt, weshalb K. ebenso die „Knockout-51“-Kleidung abgeben müsse.
Rechtsanwalt Hammer zeigte sich nach diesem Teil der Beweisaufnahme beeindruckt, wie viel Geduld R. aufbringe, um die Leute zu motivieren. Dies entspräche nicht dem Bild eines „knallharten Anführers einer kriminellen Vereinigung“. Auch Rechtsanwalt Urbanczyk sah in der Auseinandersetzung zwischen Marvin W. und Leon R. ein bloßes „Kaffeekränzchen“.
Kleidung und Tätowierung
Die bereits thematisierten Kleidungsstücke mit dem Schriftzug „Knockout 51“ soll es wiederum erst nach einer erfolgreichen Erprobung gegeben haben. Wie bereits ausgeführt, untersagte Leon R. das weitere Tragen der Kleidung bei mangelnder Trainingsteilahme. Bereits im Mai 2019 übersandte Leon R. an Kevin N. ein entsprechenden Bild, wo die Kleidung zu sehen war mit der Unterschrift „Heute Innenstadt verteidigen“. Aus mehreren Chats ging zudem hervor, dass im Gegenzug 15€ an Leon R. gezahlt wurden.
Darüber hinaus soll auch eine Erlaubnis eingefordert worden sein, um sich die „51“ tätowieren zu lassen. Einerseits wurde hierzu ein Chat zwischen Leon R. und Eric R., der eng mit der Gruppe verbunden sein soll, eingeführt. Dabei wurden Termine für eine Tätowierung vereinbart. In einem weiteren Chat wurde Leon R. gefragt, ob einer anderen Person, die „die Zahl in den Texten pusht“, eine Erlaubnis für das 51-Tattoo erteilt werden könnte. Im selben Chat wurde auch ein Bild mit dem Untertitel „Skin“ versendet, wo eine mit „51“ tätowierte Figur zu sehen war, daneben stand „Kiezkrieg“. Rechtsanwalt Hammer vermutete, dass es sich dabei um den Avatar eines Computerspiels handelte und stellte den Beweiswert in Frage. Laut Rechtsanwalt Hohnstädter gehöre das Einholen eine Erlaubnis sogar „zum guten Ton“, da sich Leon R. das „Label“ „Knockout-51“ einfallen ließ.
Rekrutierung
Leon R. soll gleichermaßen darin bedacht gewesen sein, neue Mitglieder für die Gruppierung zu gewinnen. In einem Gespräch mit Bastian A. sagte er, dass ein Alter von 15 Jahren für einen Einstieg des „jungen motivierten Nachwuchses“ ideal sei. Hierfür wurde auch eine stärkere Internetpräsenz von KO51 forciert. In einem Chat mit einem australischen Aktivisten schilderte Leon R. bereits, dass auch etwa 20 % der Neumitglieder online akquiriert werden. So soll die Gruppe virtuell gewaltorientierte Männer angesprochen haben. Die Beiträge auf Instagram zeigten dabei deren Graffitis bzw. „Knockout-51“ Mitglieder in Kampfhaltung. Der Account hatte zum damaligen Zeitpunkt 166 Follower, einer davon war KDN (Kampf der Nibelungen). Die Veröffentlichung der Fotos wurde dabei vor allem mit Kevin N. abgestimmt.
So wurde zwischen den beiden bspw. im September 2020 vereinbart, auch einen Beitrag zu dem Kampf von Kevin N. bei dem KDN zu drehen, allerdings nur mit verpixeltem Gesicht und ohne namentliche Nennung. Leon R. beklagte allerdings gegenüber Kevin N. auch die Inaktivität des Instagram-Accounts, da sich so niemand um die vielen Bewerbungen kümmern würde. In einem Chat mit dem gesondert verfolgten Nils A. bedauerte R. auch, dass es immer Leute gäbe, sie sich „nicht trauen“. Gleichsam wäre es nicht möglich, den Charakter so zu ändern, „dass aus Feigling Aktivist wird“. Nils A. schlug daraufhin vor, eine „schöne Wanderung“ als Veranstaltung anzubieten und mehr mit Fotos zu „pushen.“ Dabei gingen die beiden davon aus, dass es möglich wäre, mit „Knockout-51“ stärker an die Öffentlichkeit zu gehen, da ein etwaiges Verbotsverfahren gegen sie beendet sei. Schließlich stimmte R. zu, ein Bild von Nils A. mit „Knockout-51“-Kleidung zu veröffentlichen. Anschließend freuten sich beide über die positive Resonanz.
In der nächsten Woche soll mit der Thematisierung des Instagram-Accounts an dieser Stelle fortgesetzt werden.