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Knockout 51 - Prozess 2 (2025)

24. Verhandlungstag KO51 – Zweiter Prozess – 17.09.2025

Der 24. Verhandlungstag des Verfahrens behandelte die Schießtrainings von Knockout 51-Mitgliedern in Tschechien, den versuchten Bau einer Waffe mithilfe eines 3D-Druckers durch Leon R. und Marvin W. sowie das Vernetzungstreffen rechtsextremer Akteure am 8. Mai 2021 im Flieder Volkshaus in Eisenach.

Im Gerichtssaal waren fünf Prozessbeobachter*innen anwesend, darunter keine Unterstützer*innen der Angeklagten.

Vor der offiziellen Fortsetzung der Verhandlung fragte ein GBA-Vertreter RA Picker, Verteidiger von Kevin N., ob „sich das erledigt hätte mit dem Material“, was Picker und Kevin N. bejahten. Vermutlich ging es dabei um Videoaufzeichnungen vom Überfall auf das Bull’s Eye, die die Verteidigung von Kevin N. „ermitteln“ wollte, offensichtlich ohne Ergebnis (siehe VHT 21).

Schießtraining im Januar 2021

Die Verhandlung setzte da an, wo der 23. VHT geendet hatte: bei der Aufzeichnung der Rückfahrt einer Gruppe von Knockout 51-Mitgliedern aus Tschechien im Januar 2021. Die Richter erklärten, dass sie entschieden hätten, die Aufnahme anzuhören, obwohl sich die Gruppe dabei teilweise nicht auf deutschem Boden befunden hatte. Die Verteidiger hatten deswegen zuvor der Anordnung der Beweisaufnahme widersprochen.

Anhand des Gesprächs könne aber festgestellt werden, dass im Verlauf der Fahrt die Grenze überschritten wird, so der Richter. Zudem, so ein Vertreter der GBA, hätte die Maßnahme im Inland begonnen, wäre die Grenze nur kurz überschritten worden und wäre das vorher nicht absehbar für die Ermittler gewesen. Hintergrund des Konflikts ist, dass für Überwachungsmaßnahmen auf nicht-deutschem Staatsgebiet die Kriminalpolizei eigentlich Kontakt zu den ausländischen Sicherheitsbehörden aufnehmen müsste. Die Verteidiger traten von ihrem Anordnungswiderspruch zurück.

Schießen auf Antifa-Logo – Video nicht auffindbar

Im Auto im Januar 2021 dabei waren Leon R., Ann-Kristin W. (die Partnerin von Leon R.), Bastian Ad. und Benjamin S. Sie sprachen offensichtlich begeistert über ihre Erfahrungen beim Schießtraining, Waffen und die Fotos und Videos, die sie davon auf Instagram posten wollten (siehe auch VHT 30 des ersten Prozesses). Im Verlauf des Verhandlungstags wurden mehrere Videos von diesem Ausflug vom Schießen am Schießstand angesehen. In einem Chat sprachen Kevin N. (der nicht bei diesem Schießtraining dabei war) und Leon R. über das Schießen. Kevin N. fragte: „Kostet der Scheiß in der Ukraine weniger?“ Leon R. bejahte.

Von dieser Fahrt Anfang 2021 soll auch das Video stammen, in das nachträglich ein Antifa-Logo anstelle der Zielscheibe eingefügt wurde. Dies wird in einem Vermerk eines Ermittlungsbeamten beschrieben. Das Video selbst hätten sie jedoch nicht in den Akten gefunden, erklärten die Richter. RA Picker sagte daraufhin, dass er dieses Video für „wesentlich“ hielte, weil es laut Anklageschrift „ja die Verknüpfung ist zu der politischen Motivation“. Es blieb im Gericht unklar, ob nochmal Versuche unternommen werden sollen, dieses Video zu finden.

Weitere Schießtrainings im August 2019 und Juli 2021

Weiterhin wurden mehrere Videos von einem Schießtraining im August 2019, u.a. von Leon R., Maximilian A. und Tonia L., angeschaut, wie sie an einem Schießstand mit verschiedenen Waffen auf Zielscheiben schießen. In einem Instagram-Post bezeichneten Mitglieder der Gruppe die Fahrt als „Tschechien-Feldzug“.

Leon R., Benjamin S. und eine weitere Person waren zudem im Juli 2021 auf einem Schießstand in Tschechien. Mehrere Telefonate mit organisatorischen Absprachen wurden vor Gericht angehört. In der Chatgruppe „Westthüringen“ fragte Leon R. vor der Fahrt im Juli, wer noch Lust hätte, mitzukommen. Marvin W. schrieb damals, dass er gern mitfahren würde, aber arbeiten müsse. Die anderen Chat-Teilnehmer machen sich darüber lustig, dass Marvin W. bei einer vorherigen Fahrt die Aufhängung für die Zielscheiben am Schießstand zerschossen hätte.

In einem Chat aus dem Oktober 2021 unterhielten sich Leon R. und Nils A. über das Schießtraining. Leon R. sagte, dass er „heute erst mit Marvin gequatscht“ hätte und sie „da mal wieder hin“ fahren müssten. Videos von den Schießtrainings wurden mit „das war so Hitler“, „da ist Hass dahinter“ sowie „maximale Männlichkeit“ kommentiert.

Die Schießstände, die die Gruppe in Tschechien besuchte, heißen „Goldie Arms“ und „Jimi“.

Verharmlosung der Schießtrainings durch die Verteidigung

Die Verteidiger bestritten nicht, dass die Schießtrainings stattgefunden hätten, sondern argumentierten primär, dass diese keine ernsthaften Schießtrainings zur Vorbereitung auf Gewalttaten gewesen seien. Laut RA Tuppat sei die Tatsache, dass jemand noch „ein paar Freundinnen“ mitbringen wollte ein Hinweis auf die angebliche Harmlosigkeit der Schießtrainings. Er bezeichnete die Aktivitäten als „touristisches Schießen“, „Spaß und Freude, nichts anderes“ sowie „Kirmesschießerei auf höherem Niveau“. RA Baitinger schlug vor, die weiblichen Teilnehmerinnen der Schießtrainings, Ann-Kristin W. und Tonia L., als Zeuginnen zu laden, damit diese über Ziel und Zweck der Fahrten aussagen könnten.

Vermutlich erhoffen die Verteidiger sich von den Frauen entlastende Aussagen über die Schießtrainings. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass die weiblichen Teilnehmerinnen höchstwahrscheinlich die politischen Ziele und Interessen der Männer zumindest teilweise teilen, sie also kaum als glaubwürdige Zeuginnen auftreten können.

Nichtsdestotrotz war es den Verteidigern von Patrick Wieschke wichtig, darauf hinzuweisen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gäbe, dass ihr Mandant bei den Schießtrainings dabei gewesen wäre oder davon gewusst hätte.

„Fuck Gun Control“ – Waffenbau mit 3D-Drucker

Nach der Mittagspause thematisierte die Verhandlung den Bau einer Waffe mithilfe eines 3D-Druckers durch Leon R. unter Mithilfe von Marvin W. (siehe auch VHT 31 des 1. Prozesses). Konkret soll Leon R. spätestens ab April 2021 begonnen haben, eine halbautomatische Maschinenpistole vom Typ FGC-9 herzustellen. Was vor Gericht nicht gesagt wurde: FGC steht für „Fuck Gun Control“. Darauf wies aber ein BKA-Sachverständiger für Waffen am 28. VHT (29.09.) hin.

Die Maschinenpistole ist eine der populärsten selbstgebauten Schusswaffen der Welt und wurde 2020 eigens dafür entwickelt, mit dem 3D-Drucker hergestellt zu werden. Weitere Metallteile werden zwar auch gebraucht, doch der Kauf von designierten Waffenteilen ist nicht erforderlich. So können Waffengesetze umgangen werden. In Großbritannien können allein der Besitz und die Weitergabe einer Bauanleitung für die FGC-9 als terroristische Straftat geahndet werden.

In mehreren Chats spricht Leon R. mit anderen Personen, u.a. Stanley R. über seine Anschaffung eines 3D-Druckers. Dieser stand in der Wohnung seiner Mutter Ulrike E., wie aus einem Telefonat der beiden hervorgeht.

Waffenteile bei Leon R. gefunden

Bei Hausdurchsuchungen 2021 wurden der 3D-Drucker sowie Waffenteile von der Polizei sichergestellt. Der Drucker wies genau die Umbauarbeiten auf, die für eine Herstellung der FGC-9 notwendig sind. Im 3D-Drucker waren darüber hinaus passende Baupläne vorhanden. Es konnte auch nachgewiesen werden, dass Leon R. Januar bis April 2021 teilweise täglich Websites besuchte, auf denen Bauanleitungen für Waffen heruntergeladen werden können. Auch auf dem Handy von Leon R. wurden entsprechende Dateien gefunden.

Vor Gericht wurden eine Vielzahl an Bildern von den Waffenteilen, z.B. einem gedruckten Waffenlauf, einem Doppelmagazin und einem Schalldämpfer, in Augenschein genommen. Das BKA hatte den 3D-Drucker von Leon R. nachgebaut, um dessen Funktionsfähigkeit zu überprüfen, eine FGC-9 damit zu bauen und zu testen. Auch davon wurden Bilder in Augenschein genommen. Ebenso von der Auffindesituation von Teilen für den 3D-Waffenbau in den Kellerräumen der Mutter von Leon R. Zu diesen Asservaten wurden mehrere Vermerke von Ermittlungsbeamt*innen sowie Behördengutachten erstellt, die alle im Selbstleseverfahren eingeführt wurden.

Verteidigung will Sachverständige hören

Die Verteidiger der Angeklagten forderten mehrfach, die entsprechenden BKA-Beamt*innen und Sachverständigen als Zeug*innen zu laden, um die in den Vermerken und Gutachten gezogenen Schlussfolgerungen zu erklären.

In seinem Haftprüfungstermin hatte Patrick Wieschke sich zu dem Thema des Waffenbaus eingelassen. Diese Einlassungen sollen zu einem späteren Zeitpunkt in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Ob Wieschke sich auch selbst vor Gericht dazu äußert wollte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen.

Schwester von Leon R. soll Waffenteile bei Hausdurchsuchung versteckt haben

Als am 30. April 2021 das Bull’s Eye und die im gleichen Haus befindliche Wohnung der Mutter von Leon R. durchsucht wurden, soll dessen Schwester, Hannah R., den 3D-Drucker und die Waffenteile aus der Wohnung heraus geschafft und in der gemeinsamen Wohnung von Hannah R. und Maximilian H. gelagert haben. Dort wurden sie dann bei weiteren Hausdurchsuchungen schließlich auch im April 2022 sichergestellt.

In einem Telefonat zwischen Bastian Ad. und Maximilian H. sprachen die beiden am Tag der Durchsuchung darüber, dass Leons Mutter Probleme bekommen könnte, da „da die Waffen sind“. In einem zweiten Telefonat sprechen beide darüber, dass „das was der Bulle kriegen sollte“ von Hannah R. „weggeräumt“ worden wäre, worüber sie sichtlich erleichtert waren.

Am gleichen Tag telefonierte Bastian Ad. mit Kevin N. und informierte ihn über die Durchsuchungen. Kevin N. bat darum, auf dem Laufenden gehalten zu werden und bot an, einen Anwalt anzurufen.

In dem Gespräch von Bastian Ad. und Maximilian H. sagte einer der beiden, dass die Polizei gegenüber von der Kneipe in den Fenstern der Häuser Kameras installieren wolle. RA Richter forderte deswegen, die Aufnahmen dieser Kameras, falls sie installiert wurden, anzusehen, da diese auch den Anschlag auf das Bull’s Eye zeigen könnten.

Marvin W.‘s Beteiligung am Waffenbau

Marvin W. soll Leon R. beim Bau der Waffe mit Schweißarbeiten an Metallteilen unterstützt haben. Dazu wurde ein Gespräch im Auto von Leon R. angehört, in dem die beiden über die notwendigen Arbeiten. Marvin W. sagte unter anderem: „Heute ging das nicht, dass ich mal Luft hatte.“ Er versprach: „Ich werd‘ dir das danach noch glänzend ösen.“ In einem Telefonat am Tag darauf berichtete Marvin W., dass etwas nicht geklappt hätte und beide vereinbaren ein Treffen. Am gleichen Tag rief Leon R. seine Mutter an und bat sie, seine Metallfeile zu suchen.

Im Gericht wurde ebenfalls der Polizeivermerk gelesen, in dem der Zusammenhang zwischen den gehörten Gesprächen hergestellt und mit den Bauanleitungen der Maschinenpistole abgeglichen wurde. RA Tuppat bezeichnete diesen Vermerk als „extrem mutig“ und argumentierte, dass Marvin W. die Arbeiten am Metall nicht hätte durchführen können, weil diese zu aufwendig gewesen wären. Er fordert, den zuständigen Beamten dazu als Sachverständigen zu hören.

Bei Marvin W. wurde darüber hinaus ein Rundstahl bei der Hausdurchsuchung am 14.12.2023 aufgefunden. Die dazugehörigen Dokumente wurden im Selbstleseverfahren eingeführt.

Treffen der rechtsextremen Szene im Flieder Volkshaus am 08.05.2021

Das dritte Thema des Tages war ein Vernetzungstreffen von rechtsextremen Akteuren am 08.05.2021 im Flieder Volkshaus in Eisenach (siehe auch VHT 33 des ersten Prozesses). Bei dem Treffen hätte sich die Szene zum Umgang mit vermeintlichen Angriffen durch Linksextreme besprechen wollen. Anwesend waren u.a. Patrick Wieschke, Thorsten Heise, Tommy Frenck, Sebastian Schmidtke und Nikolai Nerling sowie von Knockout 51 Leon R., Kevin N. und Marvin W.

Zuvor hatte am 14.04.2021 Thorsten Heise ein Video veröffentlicht, in dem er sich darüber beschwerte, dass der Staat der „verhätschelten Antifa freien Lauf“ lasse, den Verfassungsschutz und die Polizei aufforderte, ihren „Job zu machen“ und Gleichgesinnten empfahl, „den Dialog mit eurer örtlichen Antifa“ zu suchen. Das Video wurde im Gerichtssaal abgespielt. Zudem wurde auf ein bereits bei Fußnote 298 angehörtes Gespräch zwischen Leon R. und Ulrike E. Bezug genommen, in denen sich diese über die aktuelle Situation „der Szene“ unterhielten. Leon R. sprach darin darüber, dass man auch selbst aktiv werden müssen, wenn die Polizei nichts mache.

Leon R. nahm organisierende Rolle beim Treffen ein

In mehreren angehörten Telefonaten wurde deutlich, dass Leon R. vor dem Treffen im Flieder Volkshaus eine organisierende Rolle einnahm, Personen kontaktierte und zu dem Treffen einlud. Am 9.5.2021, am Tag nach dem Treffen, telefonierten Patrick Wieschke und Leon R. zu einer Pressemitteilung über das Treffen. Wieschke wollte diese vor der Veröffentlichung zuerst Leon R. schicken. Beide verabredeten, sich gleich zu treffen.

Weiterhin wurden ein Facebook-Post von Thorsten Heise, Patrick Wieschke und Tommy Frenck zu dem Treffen sowie ein Video von Nikolai Nerling angeschaut, auf dem Heise, Wieschke, Frenck und Schmidtke Statements abgeben. Heise sagte in diesem Video: „Tja Antifa, ihr denkt vielleicht, ihr habt in ein Wespennest gestochen. Das habt ihr nicht, ihr habt in ein Hornissen-Nest gestochen und wir werden zurückstechen.“ Schmidtke wies explizit auf das Notwehrrecht hin.

Die Verteidiger argumentierten, dass die in diesen öffentlichen Videos und Posts getätigten Aussagen beweisen würden, dass die Rechtsextremen sich gesetzestreu hätten verhalten wollen.

Weitergabe von Namen zum Angriff auf das Bull’s Eye

In einem letzten Telefonat, das an diesem Tag angehört wurde, sprach Leon R. mit Michael J. Leon R. berichtet von dem Treffen, dass es „eigentlich relativ gut“ war und „auch die ganzen Leute, die sonst Probleme miteinander haben“ sich „zusammengesetzt“ hätten. Er erzählte, dass die Beteiligten sich gegenseitig Akteneinsicht geben würden, um Informationen auszutauschen.

Der eigentliche Anlass des Telefonats war jedoch, dass Michael J. den Namen einer Person an Leon R. weitergeben wollte, die seinen Informationen nach am Angriff auf das Bull’s Eye beteiligt gewesen sein sollte. Leon R. kennt die Frau, die mal mit einem „Kameraden“ von ihm zusammen gewesen sein soll. Kurz vorher hatten Hausdurchsuchungen stattgefunden – vermutlich der Grund, weshalb Leon R. am Telefon sagte: „Das LKA wird jetzt mitgehört haben.“ Laut RA Richter würde das dagegen sprechen, dass Leon R. terroristischen Planungen gemacht hätte, da er gewusst hätte, dass das LKA ihn abhörte.

Der Verhandlungstag wird um 15:45 beendet.