Im Vordergrund des 33. Verhandlungstages stand die Vernetzung bekannter Nationalisten, innerhalb von KO51 und die gemeinsame Organisierung sowie die Einrichtung von Sicherheitssystemen gegen Angriffe auf Personen und Gebäude. Im Mittelpunkt dessen ging es bei der Beweisaufnahme um eine Alarmanlage, die Leon R. im Fliedervolkshaus eingerichtet haben soll und das Treffen und gemeinsame öffentliche Auftreten von dem „Volkslehrer“ Nikolai Max Nerling, Tommy Frenck, Thorsten Heise sowie Sebastina Schmidtke.
Nachtrag zur Waffen-Begutachtung
Wieder einmal waren einige kritische Prozessbeobachter*innen vor Ort, genauso wie ein kleiner Kreis Angehöriger um den Hauptangeklagten Leon R.. Zu Beginn des Prozesses wurde die Begutachtung der von Leon R. hergestellten Waffe beendet. Nach Begutachtung einer Schritt-für-Schritt Anleitung, in dessen Besitz Leon R. gewesen sei, habe dieser mithilfe des 3D-Druckers den Nachbau einer FGC9 abgeschlossen.
Ein Beschusstest durch das BKA ergab, dass diese einsatzbereit und funktionsfähig war. Die abgegebenen Schüsse konnten weitestgehend ohne Störung abgegeben werden und eine Wirkung auf den menschlichen Körper sei ebenso gegeben. Somit liege eine halbautomatische Schusswaffe vor, für die nach § 10 Abs.1 Waffengesetz eine Erlaubnis zu führen ist.
Fotografierte Klingelschilder und Netzwerktreffen
Nachdem ein Antrag des RA Hohnstädter wegen einer möglichen Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch einige TKÜ-Wiedergaben unter leichter Belustigung abgelehnt wurde, widmete die Beweisaufnahme sich zunächst einigen Aufnahmen aus der Mobilfunk- und Innenraumüberwachung des Leon R.. Nach der zugrunde liegenden These habe Leon R. am 08.05.21 ein Netzwerkreffen aus Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt mitorganisiert, durch welches die Teilnehmer sich erhofft hätten, gemeinsam Mitglieder aus der linksextremen Szene zu erkennen.
Leon R. habe hierbei u.a. die Verfahrensakten um Lina E. durcharbeiten und alle relevanten Infos rausschreiben wollen. Er hätte sich zudem dafür interessiert, wer sich aus Eisenach an diversen Überfällen beteiligt hat oder beteiligten wollte. Hierzu habe er Bastian Ad. den Auftrag gegeben, einige Klingelschilder möglicherweise relevanter Personen aus der Stadt zu fotografieren. Diesem ging Bastian Ad. auch nach. Die Verabschiedung des Mobilfunkkontaktes zwischen Leon R. und Bastian Ad. hierzu verlief mit den Worten „Sieg Heil“. Auch Maximilian A. habe bei dem Fotografieren von Klingelschildern unterstützt.
Alarmanlage Flieder Volkshaus
Aufgrund der Anschläge habe Leon R. den Beschluss gefasst Objekte zu schützen, durch bauliche Maßnahmen zu sichern und Alarmmeldungen zu installieren. Er habe ein „riesiges Alarmsystem“ bauen wollen, wogegen „Mission Impossible ein Scheißdreck“ sei. Diese könnte man dann „beim Auslösen mit CS-Gas befüllen“, so Bastian Ad. Es folgten diverse Gespräche zwischen Leon R. und Patrick Wieschke über die Installation der Abus Alarmanlage und dabei auftretende technische Probleme. Auch Nils A. habe seit Juli 2021 ein Alarmhandy gehabt, über das er bei Auslösung eines Alarms informiert wurde. Dass auch weitere Personen diese Signale empfangen haben sollen, wurde bereits durch Beweisvorlagen aus vergangenen Verhandlungstagen vorgetragen.
Leon R. und Bastian Ad. unterhielten sich über den Mobilfunkanschluss von Leon R. über die Alarmanlage, sowie über Computerspiele und eine Person – beleidigten diese als „Fettschwein“. Bastian Ad. habe sich zudem die 51 tätowieren lassen.
„SA-Konzept“ als Schutz für die AfD?
Laut den darauffolgenden Thesen hätten Leon R. und andere Personen aus dem KO51 Umkreis bei Überfällen linksextremer Personen nicht mit einem Überfall reagieren wollen, um die eigenen Leute nicht „zu verheizen“. In dem Whatsapp-Gruppen-Chat „West Thüringen“ wurde am 01.04.2021 ein Lichtbild mit Text geteilt. Die Überschrift lautete: „Redet die Neue Rechte von einem ,SA-Konzept‘“. Die Menschen sollten laut des Kurzartikels wegen möglicher Angriffe in „Notwehr geschult“ werden. „Sicherheitsstreifen müssen AfD Gebäude schützen“ und „Angriffe linker Terroristen sind in einer Datenbank zu dokumentieren und der Polizei zu übergeben“. Die AfD habe hierzu die Mittel.
Laut Leon R. sei all das, das „einzig Richtige gewesen“ und die Neue Rechte habe das erkannt. Zudem hätten die IBler (Angehörige der Identitären Bewegung) erkannt, dass die „Kirche und Bündnis gegen Rechts der Antifa die Hand reichen“ und sie – die IB – „verlieren“ würden. Es folgt ein weiteres Lichtbild im Gruppenchat aus dem „Compact Spezial“ über „die Antifa“. Kevin N. verweist auf einen Vortrag von Martin Sellner über gewaltfreien Widerstand und fordert die anderen dazu auf, der „Antifa Angst vor Angriffen auf uns zu machen“. Es werde zudem die alte Zeit vermisst in der in „jeder Stadt von uns ne Keimzelle war“, so Ronny D. aus Erfurt. Viele Leute, darunter der rechte Flügel der AfD seien zudem nur in den Hintergrund gerückt, aber nicht weg.
Videobotschaft der Nationalisten
Nach der Mittagspause an diesem Verhandlungstag wurde die Videobotschaft von Thorsten Heise vorgespielt, bei dessen Aufnahme auch Leon R. beteiligt gewesen sei. Heise posiert vor einem mit Bannern bespannten Wohnhaus und ruft die Angehörigen der rechtsextremistischen Szene dazu auf, mit der lokalen Antifa das Gespräch zu suchen. So führt er aus: „Kameraden von uns verbrennen in den Flammen.“ Und das könne er nicht akzeptieren. Menschen hätten das Recht miteinander friedlich zu leben und der Staat würde der „verhätschelten Antifa“ freien Raum lassen. Er behauptet die Gewalt, die es früher gegeben habe, nicht mehr zu wollen. Zuletzt fordert er zudem die Behörden auf ihren Job zu machen, denn „sonst machen wir den“.
Dieses Video sei laut Leon R., aus einem abgehörten Gespräch mit dessen Mutter, welches aus einem anderen Verhandlungstag bereits bekannt war, ein Vorschuss für eine vernünftige Zusammenarbeit.
Netzwerktreffen – „Volkslehrer“, NPD, Frenck und Heise
In dem nächsten gezeigten Video leitet Nikolai Max Nerling, bekannt als der „Volkslehrer“ das darauf Folgende mit den Worten ein, dass Leute von Anschlägen betroffen seien und Angst hätten. Man müsse zusammenstehen. Er, Sebastian Schmidtke, Tommy Frenck, Thorsten Heise und Patrick Wieschke stehen vor dem Flieder Volkshaus und berichten über das Netzwerktreffen vom 08.05.2021.
Laut Wieschke hätten sie sich am heutigen Tag über den Umgang mit der linken Szene ausgetauscht und würden in der „Offensive bleiben“, „nicht aufgeben“. Der ,Die Heimat‘-Politiker Schmidtke verweist darauf, dass es „alle Patrioten (…) treffen“ könne und man „auch als Patriot (…) das Notwehrrecht ausüben“ könne. Auch Frenck fordert dazu auf „enger zusammenstehen“ zu müssen: „Ihr greift uns alle an.“ Nach Heise hätte man in ein „Hornissennest gestochen“.
Nerling fordert die Zuschauenden am Ende des Videos dazu auf ihm relevante Informationen zu schicken, er würde diese an die Polizeikräfte weiterleiten. Das Video erschien als geteilter Beitrag auf den Facebook-Seiten der markierten Personen, wurde aber nur als Beweis auf den Seiten von Wieschke und Heise aufgeführt. Leon R. habe diesen Beitrag vor Veröffentlichung zudem gegengelesen.
Leon R. habe sich nach dem Treffen vom 08.05.2021 an Heise gewandt und um weitere Treffen gebeten. Dabei seien vor allem die Anwesenheit von Heise und Frenck besonders wichtig. So sah das auch Patrick Wieschke, mit dem er gemeinsam weitere Treffen habe organisieren wollen. Das Video sei laut Leon R. eine „klasse Aktion“ gewesen. Zudem habe er weitere Gebäudebesitzer kontaktiert, die als geeignetes Ziel für Linke in Betracht kämen. Im Anschluss wurden Nachrichten zwischen Leon R. und diverse Verbündeten vorgelesen, in denen er diese auf das Treffen mit Heise hingewiesen habe. Im Anschluss werden Audiobeiträge abgespielt, in denen Leon R. vor dem Treffen für eben jenes geworben haben soll.
Anschläge in Eisenach wahrscheinlich?
Fortgefahren wird dann bei einem Chat zwischen Leon R. und Marco Z., welcher von einem Anschlag vermeintlich linker Aktivist*innen in Sonneberg berichtet habe. Die beiden hätten sich über Anschläge im Allgemeinen ausgetauscht. Leon R. sei gespannt was im Übrigen bei allem rauskäme, sein erstes Verfahren, wohl als Geschädigter, sei schon eingestellt, nur der Sprengstoffanschlag sei noch offen. Die Strukturen der Antifa seien im Übrigen „tausend Mal besser vernetzt“ als die der Rechtsextremisten. Er wolle die kommenden Tage nutzen entsprechende Schwachstellen in den eigenen Reihen auszubessern. Für zukünftige Anschläge sehe Leon R. Eisenach aber nicht im Fokus. Bei einem Anschlag, etwa im Bull’s Eye, wären zu viele Unbeteiligte betroffen. So einen „Mord an unpolitischer Familie“ würde er auch der Antifa nicht zuschreiben. Farbanschläge, Buttersäure, Einbrüche und Verwüstungen betrachte er hingegen als möglich. Marco Z. stimmt diesem zu und merkt an, wie der „Pyro Anschlag“ mit Buttersäure in Apolda dazu geführt hätte, dass er alle Klamotten habe wegschmeißen müssen. Leon R. bestätigt, dass dies nervig sei, aber nicht so gefährlich wie ein Brandanschlag: „wenn du pennst, kann’s das ganz schnell gewesen sein“.
Leon R. hofft auf Schädel einschlagen und Knochen brechen
Leon R. habe sich durch den Angriff linker Personen erhofft zurückschlagen zu können, und ihnen dabei die „Knochen zu brechen“. Mit dieser These vorangestellt, wird erneut der Angriff mit Buttersäure in einem Chat zwischen Leon R. und einer weiteren Person zum Inhalt der Beweisvorlage. Kaum habe Leon R. betroffene Teile des Angriffs „sauber gekriegt, kommen die wieder, solche Drecks Viecher (…) richtige Müllmenschen“.
Der Hauptangeklagte scheint genervt darüber zu sein, dass entsprechende Angreifer „so schnell ihre Aktionen durchschieben“. Sie „sollen mal länger brauchen, wenn die Fehler machen (…) Schädel einschlagen“. Er führt fort, dass sich an „fast jedem nationalen Objekt“ Sicherheitskonzepte zusammenfinden würden. Weiter heißt es: „hoffe Zecken geben Gas und gehen an Objekte ran, dann werden ihnen die Knochen gebrochen, haben das verdient.“ Auch sein Gesprächspartner hoffe, „dass es mal knallt“.
KO51 hofft auf Angriff in Erfurt – 25.09.2021
Der letzte Abschnitt des heutigen Verhandlungstages widmete sich einer Reihe von TKÜ-Aufnahmen, welche am 25.09.2021 im Zusammenhang mit einer Autofahrt nach Erfurt aufgenommen wurden. Leon R. hat eine Nachricht einer Bekannten erhalten, die in letzter Zeit „richtig antifamäßig unterwegs“ gewesen sei, so Leon R.. Er ging sofort von einem Hinterhalt durch die Bekannte aus, bei dem er in Erfurt von politischen Gegnern angegriffen werden solle. Im Zuge dessen werden diverse Gespräche und Aufnahmen von Sprachnachrichten abgespielt, in denen Leon R. weitere Männer nach Erfurt mobilisiert. Leon R. ruft hierbei zur „legalen Bewaffnung“ auf: „Bisschen Pfefferspray (…) wenn Überfall ist würden die Zecken massiv aufs Maul kriegen, können ja alles mitnehmen was wir brauchen“. Auch Bastian Ad. mobilisiert weitere Männer, so etwas mit den Mitangeklagten Maximilian A..
Nachdem Leon R. der Bekannten geschrieben habe, dass er mit mehreren Leute kommen werde, habe diese den Anschein gemacht ihre Anfrage zurückzuziehen. Leon R. führt hierzu in seinem abgehörten Pkw in einem Gespräch mit Marvin W. aus: „Aber selbst wenn sie jetzt mehr Leute zusammentrommelt, wir sind alle stabiler und haben noch mehr Leute in der Hinterhand“, „so oder so, auch wenn die sich nicht trauen, heißt das nicht, dass die Zecken heute gar nichts machen, also gehe ich jetzt erstmal“. R. gibt Marwin W. noch die Freigabe, dass er sein Auto im Übrigen „zerschrotten“ solle, „wenn hier 10-15 Zecken kommen“. Leon R. steigt im Anschluss aus dem Auto aus, um nach eigener Aussage „schnell zwei Macheten oder Machete und Axt“ zu holen.
„größter Wunsch, dass wir wieder ein nationalsozialistisches Deutschland haben“
In den weiteren Aufnahmen aus der Innenraumüberwachung des Pkw von Leon R. erklingt jede Menge Rechtsrockmusik. Die Anwesenden unterhalten sich über die angeblichen Pläne von Linken in Erfurt am heutigen Abend. Die „Zecken“ hätten keine Ahnung, dass Leon R. und seine Leute auch in Erfurt schnell Unterstützung hätten, nicht nur in Eisenach. Die letzte Aufnahme endet mit einem Gespräch zwischen Leon R. und Marvin W.. Leon R. führt aus: „Ich würd‘ sagen, ich hab nur einen Wunsch für Nazis und Deutschland, und das ist am Tag der Machtergreifung durch Berlin zu marschieren bis runter nach Potsdam rein.“ Marvin W. ergänzt: „die ersten werden sich dann sowieso selbst aufhängen.“ Sein eigener größter Wunsch hingegen sei, „wir ein nationalsozialistisches Deutschland haben“. Auf die Frage was Leons größter Wunsche sagt dieser: „Ja (…) mein größter Wunsch ist eigentlich schwierig, bekannt und reich zu sein?“
Die GBA merkte außerdem an, dass in chronologischer Wiedergabe ein Gespräch vom Mobilfunkanschluss Kevin N. fehle, welches am nächsten Verhandlungstag nachgereicht werden sollte. RA Urbanczyk kündigte einen Beweisantrag an.
Die Verhandlung endete um ca. 15.35 Uhr.