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Knockout 51 - Prozess 2 (2025)

28. Verhandlungstag KO51 – Zweiter Prozess – 29.09.2025

Der Verhandlungstag des 29. Septembers starte noch mit einem Nachtrag zu der „Provokationsfahrt“ in Erfurt.  So wurden noch Informationen zum Aufenthaltsort des von „Knockout 51“ hierfür genutzten Fahrzeugs mitgeteilt. Beispielsweise befand sich dieses um 0:55 Uhr bei dem AJZ, um 1:58 Uhr bei der Anschrift von Kevin N. Anschließend stellte Rechtsanwalt Picker einen Beweisantrag zu der Tatsache, dass sich Kevin N. im Rahmen der Hausdurchsuchung am 6. April 2022 widerstandslos habe festnahmen lassen. Geeignete Beweismittel seien hierfür Polizeibeamte der Festnahmehundertschaft.

Anschließend folgten mehrere Chats aus den letzten Monaten vor den Festnahmen im Jahr 2022, die zeigen sollten, dass trotz der Führungsrolle von Eric K. weiterhin Leon R. die Befehlsgewalt behielt, was K. wiederum auch nicht angezweifelt habe. In mehreren Chats ging es vor allem um die Koordination des Kampfsporttrainings. Beispielsweise äußerte Leon R. am 26. Januar 2022, dass man wohl das Training ausfallen lassen müsse.

Sachverständiger mit Waffenkoffer und Gutachten

Der Rest des Verhandlungstages bestand aus den Ausführungen eines Waffentechnikers und Sachverständigen des BKA, der insgesamt zwei Gutachten im Zusammenhang mit aufgefundenen Waffenteilen angefertigt hatte. Federführend Leon R. und der im aktuellen Verfahren angeklagte Marvin W. sollen mittels eines 3D-Druckers versucht haben, eine „FGC-9“ (halbautomatische Schusswaffe) herzustellen, was auch Rückschlüsse auf die Einordnung der Gruppierung als terroristische Vereinigung bieten soll. Der Sachverständige erschien dabei mit einem Waffenkoffer, um daran die Funktion entsprechender Teile zu demonstrieren. Auch eine vollständige FGC-9 brachte er mit. Die Waffe, die damals beschlagt wurde, werde aktuell bei einem Forschungsprojekt eingesetzt.

Sein erstes Gutachten behandelte dabei 24 Asservatpositionen, also verschiedene Waffenteile, Werkzeuge oder Rohmaterial. Seine Begutachtungsauftrag betraf einerseits die technische Begutachtung und waffenrechtliche Beurteilung. Außerdem wurde er gefragt, ob eine vollständige und funktionsfähige Waffe vorläge und für wie viele Waffen die bei den Durchsuchungen aufgefundenen Teile ausreichen würden. Zunächst stellte er jedes der 24 Asservate einzeln vor. Zwischen handelsüblichem Zubehör und groben Metallrohlingen fanden sich auch zentrale Bauteile einer Schusswaffe. Dabei stellte er klar, dass es ihm nicht möglich sei, aufgrund der Qualität Rückschlüsse auf einen bestimmten Drucker zu ziehen. Die 3D-Technik verglich er mit einer „computergesteuerten Heißklebepistole“.

Der Sachverständige wies auch darauf hin, dass manche Teile mit dem eigentlichen Waffenmodell gar nichts zu tun hätten, da sie vielmehr einer handelsüblichen Schreckschusswaffe dienen würde. Auch ein handelsübliches Rotpunktvisier war Teil der Asservate, das als Zielvorrichtung dient. Im Kern der Sammlung stach als Komponente beispielsweise das im 3D-Verfahren hergestellte Gehäuse (Receiver) hervor, dieses Bauteil war funktionsfähig und ist gleichzeitig auch waffenrechtlich relevant. Auch der Verschluss der Waffe sei vollständig. Allgemein erklärte der Sachverständige, dass nach seinem Wissensstand die FGC-9 (ausgeschrieben: Fuck Gun Control) im bewaffneten Konflikt in Myanmar teilweise genutzt werde, aber keine klassische militärische Standardwaffe darstelle.

Fertigstellung der Waffe möglich?

Zugleich wurden auch Lücken und Herstellungsmängel festgestellt, die eine sofort einsatzfähige Waffe tendenziell ausschlossen. So sei der Gehäusedeckel etwas schief, was für Probleme beim Druck sprechen würde. Durch die Vorwölbung hätte es Probleme bei der Montierung gegeben, sodass ggf. ein Neudruck mit dem 3D-Drucker notwendig sein könnte. Bei mehreren Elementen wurde auch auf den Zubehörhandel gesetzt. Neben dem genannten Rotpunktvisier betrifft dies auch Griffaufsätze, Magazinfedern oder Gewindeeinsätze. Das Gericht wollte noch wissen, welcher zeitliche Aufwand für eine Fertigstellung erforderlich sei. Eine Abschätzung sei laut dem schweren nur schwer möglich, die notwendigen seien aber im normalen Handel erhältlich. Es wäre von Vorteil, ein Schweißgerät bedienen zu können. Auch der Erwerb des Pistolenmagazins sei problemlos möglich.

Auf Nachfrage der Vertreter des Generalbundesanwalts konnte der Sachverständige keine Angaben machen, ob mit dem Gehäuse schon geschossen wurde. Es lägen nur „dem Alter entsprechende Gebrauchsspuren“ vor, was aber nur eine gänzliche Neuheit ausschließe. Für die Herstellung des Verschlusses wäre es üblich, zwei Stäbe einer entsprechenden Länge abzutrennen und diese dann zu verkleben bzw. zu verschweißen. Rechtsanwalt Picker stellte dann zunächst Fragen zu der Biografie des Sachverständigen und wollte außerdem wissen, ob es spezielle handwerkliche Fähigkeiten bedürfe, um mithilfe der Anleitung eine fertige Schusswaffe herzustellen. Laut dem Sachverständigen könnte dies nicht seriös beantwortet werden, da individuelle Fähigkeiten und Interessen eine große Rolle spielen würden.

Rechtsanwalt Tuppat wollte dann wissen, ob der Verschluss auch von Normalmenschen als „Verschluss“ gewertet werden könne. Auch hier verwies der Sachverständige auf individuelle Erfahrungen. Tuppat zielte darauf ab, dass eine Identifikation auf den ersten Blick ohne entsprechendes Wissen nicht möglich sei. Rechtsanwalt Elbs, der andere Verteidiger von Marvin W., interessierte sich noch für die auf der Welt existierende Anzahl von Verschlussarten. Alleine in der Sammlung gäbe es 13.000 verschiedene, hier könnten nur Schätzungen abgegeben werden, da es eine große Zahl an verschiedenen Konstruktionen gäbe. Zudem gäbe es gänzlich unterschiedliche Preisklassen bei 3D-Druckern (beginnt ab 150€, gibt aber auch solche für 60.000€). Ab 2013 sei die Verwendung von solchen Druckern für die Waffenherstellung erschwinglich geworden.

Zweites Gutachten

Das zweite Gutachten, dass der Sachverständige sodann vorstellte, hatte einen Schusstest zum Gegenstand. So hat eine andere Abteilung die Waffe nachgebaut. Dabei wurden Fragen zur Funktionalität der Waffe, aber auch zu ihrer Haltbarkeit und Präzision gestellt. Dabei wurde ein handelsübliches Magazin verwenden. Der Sachverständige betonte auch, dass die Waffe halbautomatisch sei. Wenn das Geschoss den Lauf verlassen habe, werde der Verschluss nach hinten bewegt. Bei der Waffe seien schon Beschädigungen im Vorfeld aufgetreten, als er sie bekommen habe. Evtl. hätten schon andere Versuche durchgeführt.

Die festgestellte Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 319 m/s, was keinen großen Unterschied zu einer handelsüblichen Maschinenpistole darstelle. „Abkriegen will ich sie nicht“, sagt der Sachverständige, als er nach der damit verbundenen Gefährlichkeit gefragt wurde. Nach dem 34. Schuss gab es zu einem Bruch, wodurch die Waffe irreparabel beschädigt wurde. Durch einen Neudruck sei aber eine erneute Instandsetzung möglich gewesen. Mit einem Gehäuse aus anderem Material hätte eine deutlich bessere Haltbarkeit erreicht werden können. Das erzielte Trefferbild sei etwas schlechter als mit einer handelsüblichen Pistole.

Auf Nachfrage der Verteidigung äußerte er sich noch zu der Bauanleitung, die auch die beteiligten Mitglieder von „Knockout 51“ genutzt haben sollen. Diese sei sehr detailliert und auch bebildert, was für eine leichtere Verständlichkeit sorgen würde. Weiter äußerte er sich noch so zu Detailfragen im Hinblick auf die Abzugsmechanik, das Rotpunkvisier und möglicher Druckrichtungen. Damit endete um 15:20 Uhr die Vernehmung des Sachverständigen. Weitere Gutachten sollen nach Aussage des Gerichts nach derzeitiger Planung nicht eingeführt werden.

Wie erwartet betonte Rechtsanwalt Tuppat in seiner anschließenden Erklärung, dass aus Laiensicht das Vorliegen eines Verschlusses nicht erkennbar sei. Zudem führte er aus, dass entsprechende Asservate nicht bei seinem Mandanten Marvin W. aufgefunden wurden. Zwischen Rechtsanwalt Richter und Staatsanwalt Oehme gab es dann noch eine Meinungsverschiedenheit bzgl. der Rotpunktvisiere. So hätte sich laut Wieschkes Verteidiger ergeben, dass Rotpunkvisiere allgemein üblich seien und aus eine Verwendung hiervon kein Anhaltspunkt für das Bestehen einer terroristischen Vereinigung sei. Oehme stellte darauf ab, dass ein Rotpunktvisier für ein einheitliches Trefferbild notwendig sei, also tödliche Verletzungen hiermit beabsichtigt waren.

Zum Abschluss äußerte sich auch noch Kevin N. Er habe weder von der Existenz eines 3D-Druckers noch von gebauten Waffenteilen Kenntnis gehabt. Für ihn sei es auch nicht nachvollziehbar, „dass man so viel Zeit in Blödsinn investiert“.