Heute war der letzte Tag vor dem Urteil und nachdem am vorigen Verhandlungstag die Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer hielt, hatte die Verteidigung heute entsprechend die Gelegenheit, ihre Schlussvorträge für die Angeklagten zu halten. Im Publikum war auffällig, dass auch der eng mit Knockout51 in Verbindung stehende Tätowierer Eric R. Platz nahm und etwas später ein Zuschauer mit „Schwarzer Sonne Kette“ um den Hals. Diesen soll Eric K. aus der Untersuchungshaft kennen und mit ihm in Verbindung stehen.
Zunächst wurde noch ein Beitrag von der Jugendgerichtshilfe nachreicht. Eric K. werde Vater und seine Freundin sei in der elften Schwangerschaftswoche. Die Beziehung bestehe seit der Haftentlassung. Sie sei jedoch nicht der rechten Szene zuzuordnen. Eric K. gab gegenüber der Jugendgerichthilfe an, er werden wegen seiner Vaterschaft politische Aktionen in Zukunft meiden.
Folgend werden die Vorträge der Verteidiger entsprechend der Angeklagten aufgeteilt:
Verteidigung vom Hauptangeklagten, Leon R.:
Rechtsanwalts Hammer trug vor, Leon R. sei nicht wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu verurteilen. Der Anfangsverdacht Gründe auf dem Verdacht in Bezug auf die Atomwaffendivison und diese Schlussfolgerung allein stelle schon ein rechtswidriges Handeln der Behörden dar. Gegen das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung würden zudem folgende Dinge sprechen:
KO51 sei ein ganz normaler Kampfsportverein. Leon R. sei wie Andere von der sog. „Hammerbande“ überfallen worden und habe daher jederzeit mit weiteren Angriffen rechnen müssen. Hammer verweist auf Zeugenaussagen, die KO51 ebenso als reinen Kampfsportverein eingeschätzt haben wollen und nicht als „Ordnungsmacht“ o.ä., wie es von der Anklage vorgeworfen wird Zudem sei in der Gruppe jeder unabhängig von seiner politischen Gesinnung willkommen gewesen. Leon könne schon kein Rädelsführer gewesen sein, weil es bei den Sporteinheiten keinen Trainer gegeben habe und jeder mal das Training ohne Hierarchien übernommen habe.
Das als Beweis eingeführte Gruppenbild, wo der Mitangeklagte und Freund von Leon R., Bastian Ad., den rechten Arm hebe, müsse nicht automatisch die politische Gesinnung der Gruppe darstellen. Und wenn der Senat dies unterstelle, so sei festzustellen, dass Leon „gequält in Adams Richtung“ schaue, sein Verhalten mithin nicht gutheißen würde.
Zwischen KO51 und den Einzeltaten habe es keinen Zusammenhang gegeben, genauso wenig zu den Demonstrationen in Berlin, Kassel und Leipzig.
Es habe kein verbindlich festgelegtes Ziel von Straftatenbegehungen gegeben, nur abgesprochene reaktive Haltung bei Angriffen. Die Männer hätten sich nur bei einer Eskalation verteidigen wollen als Reaktion.
Rechtsanwalt Wölfel ergänzte noch, warum auch § 129a StGB (terroristische Vereinigung) nicht gegeben sei. Es sei zu berücksichtigen, dass die Anzahl an Übergriffen gegen rechts in den letzten Jahren stark zugenommen habe und zählt hier Beispiele auf. Leon R. sei eine gefährdete Person gewesen und verweist auf Aussagen aus dem Verfahren vor dem OLG Dresden gegen die Antifaschistin Lina E. Dass er sich auf Angriffe vorbereitete, sei nicht nur Ausdruck seines Notwehrrechts, sondern auch seiner persönlichen Erlebnisse, hier habe der Generalbundesanwalt unzureichend keine Gesamtschau vorgenommen. Das Notwehrrecht sei zudem auch ein Recht des Stärkeren und die Physis sei eben Teil davon. Damit möchte Rechtsanwalt Wölfel die angeblich einzige Verbindung zum Kampfsport ziehen, und den Kampfsport dieser nationalsozialistisch gesinnten Gruppe endgültig verharmlosen.
Alle vorgeworfenen Taten, die laut aller Verteidiger nichts mit dem Vorliegen einer womöglich kriminellen Vereinigung zu tun hätten, seien außerdem lediglich Sachen für das Amtsgericht gewesen. Das Narrativ es könne sich um eine terroristische Vereinigung handeln sei „eines Rechtsstaates unwürdig“, für so abwegig hält der Verteidiger den Vorwurf der Bundesanwaltschaft.
Hinsichtlich der Corona-Demonstrationen verwies Wölfel darauf, dass einige Maßnahmen der Bundesregierung und Landesregierungen mittlerweile als rechtswidrig gelten würden. Viele Aufnahmen aus der TKÜ seien von Prahlerei geprägt, fanden im Privaten statt und könne man deswegen nicht wirklich ernst nehmen.
Die Generalbundesanwaltschaft würde mit seiner Argumentation außerdem die „staatliche imitierte Theorie“ stützen, dass vom Rechtsextremismus eine besondere Gefahr ausgehen würde, insbesondere in den neuen Bundesländern.
Zu den einzelnen Taten führte Wölfel aus, dass diese nichts mit KO51 zu tun gehabt hätten und benennt andere, individuelle Gründe für die jeweiligen Taten. Für die Strafzumessung sei auch der unterbundene Kontakt zu Leons Sohn relevant. Daher halte die Verteidigung von Leon R. eine Gesamtfreiheitsstrafe von maximal drei Jahren für den Verstoß gegen das Waffengesetz in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und einfacher Körperverletzung für angemessen. Sie fordern eine Entschädigung und Aufhebung hinsichtlich der noch anhaltenden Untersuchungshaft, da keine Flucht- und Verdunkelungsgefahr bestehe. Die Verfahrenskosten seien der Staatskasse aufzuerlegen, denn ohne den Vorwurf nach § 129a StGB wäre das Verfahren nie vor dem Oberlandesgericht Jena gelandet.
Verteidigung von Bastian Ad.:
Rechtsanwalt Hohnstädter, verlierte sich in seinem Schlussvortrag in nur schwer nachzuvollziehenden Anekdoten und der gesamte Saal zeigt sich sichtlich irritiert. Alle Zuhörenden können seinen circa 60-minütigen Ausführungen nur schwer folgen:
Ohne dass einem der Zusammenhang wirklich klarwerden könnte, zitierte er u.a. Edward Snowden, wusste dann aber nicht, wie das Buch hieß und blickte fragend in Richtung seiner Kollegen. Er sprach von der Erfindung des Pferdes, wie schlimm es sei einem Musiker die Hände zu brechen – denn für ihn als Christ sei Musik was besonders „Tolles“ und ob die Generalbundesanwaltschaft das überhaupt sehe, es gebe ja mehr als die Wissenschaft einem erklären könne. Er stellt den Versuch eines nur schwer nachzuvollziehenden Vergleiches auf und meint, dass wie im Verfahren gegen den Erzbischof widersprüchliche Geständnisse fast erzwungen worden seien. Was konkret er damit meint, bleibt unklar. Bezüglich der Inaugenscheinnahme von den TKÜ-Aufnahmen merkt er na, dass man Schallwellen ja gar nicht in Augenschein nehmen könne. Eine Argumentation die jedweder Sinnhaftigkeit entbehrt. Im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem OLG Dresden gegen die Antifaschistin Lina E., spricht er von der „Nakba“ – was konkret er aber damit meint, und was das mit dem Verfahren tatsächlich zu tun habe, erklärt er nicht.
Auch Hohnstädter geht anschließend auf die Bedrohungslage für Leon R. und die anderen Mitglieder von KO51 ein. Alle Angeklagten seien als Terroristen vorverurteilt worden. Nach seiner Ansicht habe KO51 sich nur wegen des Kampfsporttrainings gegründet. Zudem habe es keinen Hass gegen „Ausländer (…) Asoziale oder Drogenabhängige gegeben“, schließlich sei Maximilien A. mit einem Mann befreundet, der einen ausländischen Namen trägt. Besagte Person tauchte im Verfahren auch als Zeuge auf. Hohnstädter kritisiert die Speicherung der TKÜ-Maßnahmen, kommt auf einzelne Taten und angeblich nicht ausreichende Aussagen zu sprechen und das auch der Zusammenhang vieler Taten zur Person Bastian Ad. fehle. In Einzelfällen sei wenn dann auch nur Beihilfe zu einfacher Körperverletzung gegeben.
Der zweite Verteidiger, Rechtsanwalt Thomas argumentierte, dass man die Taten seine Mandanten noch unter das Jugendstrafrecht zählen könnte. Er begründet dies mit der „Wurzeltheorie des Bundesgerichtshofs“: wenn die Taten im Erwachsenenalter aus denjenigen der Jugendphase wurzeln, könne die Tat nach Jugendstrafrecht bestraft werden. Strafmildernd sei zudem die Isolationshaft von Bastian Ad. gewesen. Er führte aus, wie belastend die Umstände dort für den Angeklagten gewesen seien. Thomas plädierte für eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung.
Verteidigung von Maximilian A.:
Rechtsanwalt Hentze, Verteidiger von Maximilian A. wiederholte teils schon bekannte Argumente. Schließlich sind sich alle Verteidiger darin einig, dass von KO51 keine Gefahr ausging, die Männer sich unpolitisch zu Sportzwecken zusammengetan hatte, und keine der Taten der Angeklagten etwas mit dem Gruppenzusammenschluss zu tun hätten.
Zu seinem Mandanten führte er aus, dass die Beteiligung dessen an bspw. Demonstrationen noch offen ist. Er verweist auf die (angebliche) Distanzierung Maximilians von der rechten Szene und seine Kindheitsfreundschaft zu Leon R. und Bastian A. Diese Freundschaft sei auch der Grund, weshalb die Männer teils in Gruppen bei den Taten aufgetreten sind, nicht jedoch der KO51 Zusammenschluss. Die Körperverletzungen, die seinem Mandanten hier vorgeworfen werden, seien Fälle für den Täter-Opfer-Ausgleich gewesen. Denn es sei vorliegend um persönliche Konflikte gegangen und A. habe sich mit den Geschädigten nach der Tat wieder vertragen; sie hätten wieder Zeit miteinander verbracht. Letztlich kritisiert der Verteidiger noch die Beweisführung der Generalbundesanwaltschaft kritisiert als lückenhaft.
Sein Kollege Rechtsanwalt Dann führte auch vermeintliche Mängel der Beweisführung an, bspw. hinsichtlich der „angeblichen Tatpläne“. Die Verteidigung von Maximilian A. fordert für die Tat bei der Assmann-Halle in Eisenach eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen (TS), wegen der Tat beim Amare 60 TS und damit eine Gesamtstrafe von 80 TS. Unter Berücksichtigung seines Bürgergeldes würde sich die Höhe auf 4 Euro pro Satz belaufen. Hier ist anzumerken, dass damit die Gesamtstrafe damit unter 90 TS läge, bei der erst eine Eintragung ins Vorstrafenregister erfolgt.
Verteidigung von Eric K.:
Rechtsanwalt Urbanczyk versuchte es wie gewohnt besonders individuell. Er berichtet davon, dass für die Einordnung dieses gesamten Verfahrens schon die Anekdote ausreiche, wie ein Justizbeamter ihn am Anfang gefragt hätte: „Kommt da noch was?“ Damit spielt er darauf an, dass man sich bei der aktuellen Akte fragen müsse „was dieser Aufmarsch hier soll“. Auch Urbanczyk meint, dass es keinen kriminellen Vereinigungszweck gebe. Die Taten seines Mandanten Eric K. würden auf Eifersuchtsgefühlen und „Weiber-Geschichten“ beruhen. Auch den Bezug zu der JN, den „Jungen Nationalisten“ als Jugendorganisation der ehemaligen NPD, könne man nicht heranziehen. Dass die Oberbürgermeisterin von Eisenach vor der medialen Berichterstattung keine Ahnung von KO51 und seiner „angeblichen Gefahr“ hatte, sei ebenso ein Argument zugunsten der Angeklagten. Es folgen Ausführungen zum Vorliegen von „schädlichen Neigungen“ bei Eric K. wegen der drohenden Jugendstrafe. Die rechte Gesinnung, ob er sich davon distanziere oder nicht, spiele zudem keine Rolle, da es in Deutschland kein Gesinnungsstrafrecht gibt – ähnlich argumentierten auch die anderen Verteidiger bereits.
Eine Verurteilung nach § 129 StGB sei nicht möglich. Die Verteidigung verweist auf die Jugendstrafen nach §§ 10, 13 JGG allenfalls § 25 – also Zuchtmittel/Bewährungshelfer. Das wirke für Eric K. auch sicher „besser als Wegpacken der Person“.
Sein Kollege Rechtsanwalt Heiermann schließt sich dem weitestgehend an.
Der Vorsitzende Richter es Senats kündigte an, dass das Urteil dann am 01.07.2024, am kommenden Montag verkündet werden könne.