Kategorien
Knockout 51 - Prozess

48. Verhandlungstag – KO51 -10.06.24

An diesem Verhandlungstag wurden diverse Beweisanträge abgelehnt, neue Beweisanträge gestellt, ein Film geschaut. Einen großen Teil des Tages füllten die Aussagen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten Bastian Ad., Maximilian A. und Eric K. sowie die Berichte Jugendgerichtshilfe und die Verlesung der strafrechtlichen Einträge der Angeklagten aus dem Bundeszentralregister. Die Beweisaufnahme wurde nicht geschlossen, doch ein Ende schien sich anzubahnen.

Beweisanträge zu Wand und Roller: Abgelehnt weil unerheblich

Zu Beginn nahmen die Vertreter der Bundesanwaltschaft Stellung zu zwei Beweisanträgen, die die Verteidigung von Eric K. am letzten Verhandlungstag gestellt hatte. Beide Anträge – der eine zur Vernehmung eines Zeugen wegen Maximilian A.s Motorroller, der andere zur Inaugenscheinnahme der „Wall of Fame“ in Erfurt – seien laut Oberstaatsanwalt Oehme abzulehnen, da die Erkenntnisse aus den Beweismitteln bedeutungslos seien.

So sei die Argumentation um den Sticker „I [Herz] Gay Porn“ auf dem Motorroller nur ein Strohmann-Argument, da die „Kiezstreifen“ der Neonazis in Eisenach nicht der Abschreckung an sich gedient hätten, sondern der Informationsbeschaffung. Auch habe Maximilian A. den Roller selbst als „Kiezmobil“ bezeichnete und mit einer „88“ gekennzeichnet.

Auch sei die Erkenntnis nicht relevant, ob jene Wand sich in Erfurt befunden hätte, auf der Kevin N. mit anderen zusammen ein rassistisches Graffiti gesprüht und wovon Leon R. ein Video für „Kontrakultur Erfurt“ erstellt habe. Bei dem Beweismittel gehe es, entgegen der Argumentation der Verteidiger, nicht nur um das Wirken in Eisenach, sondern darum, dass Kevin N. über die Kenntnisse im Sprühen verfügt und diese weitergegeben habe. Es sei u.a. auch im Kontext zu sehen von dem durch Kevin N. gesprühten Logo zur Gründungsfeier von Knockout51 oder den in der Zeugenaussage von Kommissar M. benannten diversen „Nazikiez“ Graffiti, die nicht sicher zugeordnet werden konnten.

Der Vorsitzende Richter Giebel verkündete nach einer kurzen Unterbrechung die Ablehnung beider Beweisanträge der Verteidigung, die die Angeklagten entlasten sollten, abgelehnt. In beiden Fällen könne davon ausgegangen werden, dass die Behauptungen der Verteidigung den Roller und die Wand betreffend zwar stimmten, das aber für die Wahrheitsfindung unerheblich sei.

Keine weitere Zeug:innen vom BKA

Auch die Beweisanträge der Vertreter des Generalbundesanwalts auf Befragung von zwei weiteren Polizist:innen wurden vom Senat abgelehnt. Begründung: Die Wertungen der beiden Beamt:innen vom Bundeskriminalamt seien nicht erforderlich, um ausgewertete Chatnachrichten deren Urheber:innen, also den Angeklagten und Beschuldigten zuzuordnen. Diese Erkenntnisse ergäben sich schon aus vorliegenden Beweismitteln – Audios aus der Telekommunikationsüberwachung und Chatinhalte, inklusive Bilder und Videos wurden in die Hauptverhandlung eingeführt und der Senat könne und würde die Beweismittel selbst würdigen. Hierzu könnten die Polizeibeamt:innen auch nicht mehr belegen. Speziell zur Auffindesituation der sichergestellten Mobilfunkgeräte seien die Aussage der Polizeibeamten nicht für die Zuordnung nötig.

Missbrauch des Notwehrrechts

Auf den ebenfalls beim letzten Mal gestellten Antrag der Bundesanwaltschaft wurde vom Senat eingegangen. Es wurde ein kurzer Chatverlauf aus der Chatgruppe „Shitposting“ vom 23. Juli 2021 verlesen: Auf ein von Kevin N. in den Gruppenchat versendetes Foto eines antifaschistischen Aufklebers, der zum „Nazis bekämpfen“ aufrief, reagierte Leon R. mit einem Aufruf zu bewaffneter Gewalt mit einer Axt zum „Antifas umlegen“ und „§ 23 StGB ausreizen“, worauf mehrere Chatpartner positiv, teils mit lachenden Smiley, Herzen und Daumen hoch reagierten. Der Paragraph im Strafgesetzbuch regelt das Recht auf Notwehr. Kevin N. schlug vor, eine Sticker-Motiv aus dem Text von Leon R. zu entwerfen für den „Faschistischen Selbstschutz“. Benjamin S. antwortete „Vielen Dank nochmal an den Notwehrparagraphen [und die] anwaltliche Beratung“. Leon R. referierte im Chat anschließend noch belustigt darauf, dass er einer im „Antifa Ost“-Verfahren als beschuldigt geführten Person „die Fresse zerbastelt“ hätte. Der Auswärtige Dennis B. (alias „Knipser“) wünschte sich Fotos davon, woraufhin Benjamin S. ihn lässig einlud, öfter das „Battlefield“ Bull’s Eye zu besuchen, um das „live erleben“ zu können.

Dokumentation über Knockout51 und Eisenacher Verhältnisse

Anschließend ging es um einen Beweisantrag von Leon R.s Verteidiger Andreas Wölfel, der an diesem Tag vertreten wurde durch seine Kanzleikollegin Reißmann. Der Senat folgte dem Antrag. So wurde im Saal gemeinsam auf Youtube die etwa zwanzigminütige Reportage „Nazikiez in Eisenach. Wer sind Knockout51?“ des Funk-Formats „STRG-F“ angeschaut. Auch die Angeklagten folgten ungewohnt aufmerksam der Doku, in der sie die Hauptrollen spielten.

Persönliche Verhältnisse und Vorstrafen der Angeklagten

Weiter ging es mit den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten Bastian Ad., Maximilian A. und Eric K. Dazu trugen auch Vertreter:innen der Jugendgerichtshilfe ihre Berichte vor, die sich zumeist entpolitisierend darstellten. Auch die Einträge der drei Angeklagten aus dem Bundeszentralregister wurden verlesen.

Bastian Ad. gewalttätig aus „Überforderung“?

Bastian Ad. sagte selbst fast nichts zu seinen persönlichen Verhältnissen aus, sondern überließ das überwiegend der Jugendgerichtshilfe und seinem Verteidiger.Die Jugendgerichtshilfe sparte eine politische Einordnung der Biografie von Bastian Ad. komplett aus. Bastian Ad. sei ihnen erst seit Anfang 2023 bekannt, als dieser schon ein knappes Jahr in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Weiterstadt inhaftiert war. Wegen des Prozessbeginns sei Ad. dann in eine andere JVA verlegt worden. Die Mitarbeiterin nannte den frühen Auszug von Bastian Ad. aus dem Elternhaus und seine Schwierigkeiten mit 16 Jahren „auf eigenen Beinen zu stehen“ als Argument für eine Reifeverzögerung als heute 24-Jähriger. Weiter wurden dazu lediglich Eigenaussagen des Neonazis aus der Haftzeit wiedergegeben, u.a. dass er nicht so erwachsen sei, wie er gedacht habe.

Vage begründet mit familiären Brüchen und Gewalterfahrungen in der Biografie zog die Jugendgerichtshilfe den Schluss, dass das Jugendstrafrecht bei Bastian Ad. angewendet werden könnte. Zu den vorgeworfenen Tatzeitpunkten sei er zwischen 20 bis 21 Jahre alt gewesen. Die Frage nach „schädlichen Neigungen“ und konkretem erzieherischen Bedarf legte sie ins Ermessen des Gerichts – das könne die Jugendgerichtshilfe nicht ausreichend beurteilen, da bei Bastian Ad. in der U-Haft kein Vollzugsplan und keine sonst übliche sozialpädagogische Begleitung stattgefunden habe. Zur politischen Sozialisation von Bastian Ad. wurde kein Wort verloren, Kampfsport betreibe er weiter. Vergangene Gewaltausbrüche seien womöglich auf „Überforderung“ zurückzuführen, so die Jugendgerichtshilfe. Bei der Teilnahme an einem Antiaggressivitätstraining sei Bastian Ad. seine Entlassung aus der U-Haft dazwischengekommen.

Aufsehen gab es um die Frage des aktuellen Arbeitgebers von Bastian Ad. Die Bundesanwaltschaft wollte Auskunft über diesen, um einordnen zu können, ob dieser der rechten Szene angehöre, was für die Sozialprognose relevant sei. Bastian Ad., laut eigener Angabe gelernter Tiefbauer, sagte nichts. Auch die Jugendgerichtshilfe machte auf Wunsch von Ad. dazu mündlich keine Angaben. Sein Verteidiger Hohnstädter verlor sich wieder mal in Ausschweifungen zu einer vermeintlichen Bedrohungslage, der ihm zufolge im Grunde alle Bauunternehmer und Arbeitgeber, insbesondere von Rechten und ganz insbesondere in Leipzig, ausgesetzt seien. In seinem Betrieb seien laut Bastian Ad. etwa fünfhundert Mitarbeitende beschäftigt, woraufhin sein Verteidiger den Verdacht eines rechten Hintergrunds als „hinfällig“ erklärte. In den sich aufheizenden Streit zwischen Verteidiger und Bundesanwaltschaft darüber intervenierte der Vorsitzende Richter schließlich: Aus Datenschutzgründen soll der Name des Arbeitgebers schriftlich im Selbstleseverfahren nachgereicht werden.

Im Bundeszentralregister fanden sich zu Bastian Ad. sieben Einträge. Neben einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (2015), bei dem von der Verfolgung abgesehen wurde, und einer mit Geldstrafe abgegoltenen „Erschleichung von Leistungen“ (2021) gab es mehrere einschlägige Einträge. Für eine gefährliche Körperverletzung wurde Bastian Ad. vom Amtsgericht Eisenach verwarnt (2016). Ein Verfahren wegen Volksverhetzung wurde – ebenfalls am Amtsgericht Eisenach – eingestellt (2016). Ein Verstoß gegen das Waffengesetz wegen Besitz und Führen verbotener Waffen wurde vom Amtsgericht Bad Hersfeld mit einer Verwarnung und Geldauflage geahndet (2016). Schuldig gesprochen und mit einer geringen Geldauflage und Weisung zur gemeinnützigen Arbeit verwarnt wurde Ad. vom Jugendrichter am Amtsgericht Eisenach (2017) für eine Körperverletzung sowie Nötigung und Beleidigung. In dem Fall brach Bastian Ad. in Gerstungen einem Anwohner, der sich über Lärmbelästigung beschwert hatte, durch einen Kopfstoß die Nase, drohte diesem mit weiterer Gewaltanwendung und beleidigte im Nachgang der Tat eine Angehörige des Betroffenen. Die Jugendgerichtshälfte äußerte sich nach der Verlesung der Einträge irritiert, da ihnen die Hälfte davon gar nicht vorliege.

Maximilian A. „losgesagt“ von rechter Szene?

Rechtsanwalt Hentze erklärte zunächst, dass sein Mandant sich nicht zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen oder zu dem potenziellen Arbeitgeber äußern werde, der Maximilian A. zugesagt habe, ihn abhängig von einer etwaigen Haftstrafe einzustellen. Nach dem Bericht der Jugendgerichtshilfe würde Maximilian A. aber andere Fragen beantworten.

Die Jugendgerichtshilfe führte neben dem üblichen zu Familie und Bildungsweg aus, dass Maximilian A. dieser dem Jugendamt Eisenach bereits seit 2016 bekannt. Laut Eigenaussage sei Maximilian A. bereits im Kindheitsalter von zehn bis zwölf Jahren mit der rechten Szene im Freundeskreis in Kontakt gekommen. Zu diesem Umfeld zählte er auch Bastian Ad., welchen er seit frühester Kindheit kenne, und Leon R. seit etwa zehn Jahren. Im Bericht, den ein Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe stellvertretend für eine Kollegin verlas, hieß es, dass Maximilian A. von der Szene „fasziniert“ gewesen sei und „dazugehören“ wollte. Sein Elternhaus habe er hingegen als unpolitisch beschrieben.

Im Bericht wurden die negativen psychischen und physischen Auswirkungen der bis April 2024 andauernden Untersuchungshaft auf den Angeklagten hervorgehoben. Die Jugendgerichtshilfe gab wider, dass sich Maximilian A. von rechtem Gedankengut distanziere und er Kontakte in die rechte Szene entweder abgebrochen oder „auf ein notwendiges Minimum reduziert“ habe. Im Bericht der Jugendgerichtshilfe war von einem „langwierigen Prozess der Aufbereitung“ und der Suche nach einem „Abschluss“ die Rede. So habe es schon im Vorfeld in der Zeit in Eisenach „Bemühungen“ von Maximilian A. gegeben, was jedoch nicht weiter ausgeführt wurde. Die Haft habe ihn dann stark beeindruckt oder gar „gebrochen“. Betreffend der Frage nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht aus sozialpädagogischer Sicht regte die Jugendgerichtshilfe an, das allgemeine Strafrecht anzuwenden.

Anschließend sprach Maximilian A. selbst. Er wiederholte die Darstellung, seit einer Kundgebung in seinem Heimatort „fasziniert“ gewesen zu sein. Auf die Fragen der Bundesanwaltschaft, wer bei dieser Veranstaltung dabei war und wie sich danach sein Interesse für die rechte Szene und seine Aktivität in dieser gestaltet hätten, antwortete Maximilian A. nicht. Er schilderte einerseits, bis zu seiner U-Haft die Weltanschauung nie inhaltlich reflektiert zu haben, andererseits, dass er sich schon vorher mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt habe, aber „nie wirklich von losgekommen“ sei. Maximilian A. meinte, er habe sich nun „losgesagt“ von der rechten Szene. Die Bundesanwaltschaft fragte nach, was das Reduzieren des Kontakts auf ein „notwendiges Minimum“ bedeute, woraufhin der Angeklagte antwortete, dass er hier mit den anderen Angeklagten im Prozess sitze. Dann fügte er hinzu, dass er mit dem Mitangeklagten und Kindheitsfreund Bastian Ad. weiter aktiv befreundet bleiben, sich treffen, Sport machen werde. Nach Aufforderung, seinen Weg der „Distanzierung“ zu erläutern, erklärte Maximilian A., dass er irgendwann nicht mehr zu den Kampfsporttrainings gegangen und in Haft schließlich in die Bibliothek gegangen sei und Bücher zum Thema „Rechtsextremismus“ gelesen habe. Hierzu konnte er einen Buchtitel nennen. Eine Beratungsstelle zwecks Ausstieg habe er bislang nicht aufgesucht.

Im Bundeszentralregister fanden sich zwei Einträge zu Maximilian A.: Eine fahrlässige Körperverletzung wurde vom Amtsgericht Bad Hersfeld eingestellt (2017). Für eine mit mehreren Tatbeteiligten begangene gefährliche Körperverletzung wurde Maximilian A. vom Jugendrichter am Amtsgericht Suhl mit einer Verwarnung mit Geldauflage von 800 Euro zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung belegt (2020). Dabei ging es um eine gewalttätige Auseinandersetzung bei einer Kirmesveranstaltung in Weitershausen im September 2018, für die Maximilian A. zusammen mit den einschlägig bekannten Nils K., Robert K. und Ronny B. angeklagt war. Ursprünglich sie die Tat offenbar aus einem Disput aus sexistischen Gründen entstanden. Zur allgemeinen Überraschung habe dabei – laut dem damaligen Urteil des Jugendrichters – der Tatgeschädigte „Sieg Heil“ gerufen und Maximilian A. ihn aufgefordert, das zu unterlassen, worauf eine homofeindliche Beleidigung zurückgekommen sei. Dann habe Maximilian A. die Person ins Gesicht geschlagen und im weiteren Verlauf den bereits am Boden liegenden getreten. Auf Nachfrage des Vorsitzenden bestätigte Maximilian A. kurz angebunden, dass es so gewesen sei wie im Urteil beschrieben.

Zu seiner neuen Lebenspartnerin wollte Maximilian A. der Bundesanwaltschaft keine Fragen beantworten, weshalb Oberstaatsanwalt Dr. Piehl dazu am übernächsten Verhandlungstermin noch die zuständige Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe befragen wollte.

Erik K. bekräftigt seine extrem rechte Einstellung

Ganz anders verhielt es sich bei Eric K.. Sein Verteidiger Urbanczyk stellte zunächst zum wiederholten Male klar, dass sein Mandant keine Aussage zu seinen persönlichen Verhältnissen machen würde. So blieb der Bericht der Jugendgerichtshilfe, der Eric K. erst seit dessen Haft in der JVA Arnstadt bekannt sei. Der Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe gab die Selbstdarstellung von Eric K. wieder, der sich selbst als „politisch sehr interessiert“ betrachte, was sich aus migrationsfeindlichen Gründen ab 2015 gesteigert habe, und sich „weiter politisch engagieren“ wolle. Hierbei habe er auch seine Aktivität bei den „Jungen Nationalisten“ genannt, in deren Vorstand er gewollt habe, was aber durch die Untersuchungshaft nicht möglich gewesen sei.

In der Haftzeit habe es bei Eric K. Ende 2023 oder Anfang 2024 eine Zellendurchsuchung gegeben. Auch sei er vom Hausarbeitsdienst abgezogen werden, ein Bandprojekt mit ihm aufgelöst und seine Gitarre konfisziert worden. Grund dafür war laut einem Telefonat mit dem Sozialdienst der JVA im Februar 2024, dass er andere Mitgefangene „mit seinem Gedankengut indoktriniert“ und rechte Inhalte beim Musikmachen verbreitet habe. Konträr dazu habe sich Eric K. laut Jugendgerichtshilfe im Gefängnis auch für die Teilnahme an einem „Extremismusprojekt“ beworben.

Die Jugendgerichtshilfe gab wieder, dass Eric K. seine Aggressivität und Gewaltpotenzial lediglich auf den Konsum von Alkohol und Testosteron zurückführe. Auf Nachfrage hieß es, dass Eric K. der Jugendgerichtshilfe gegenüber nie eine Suchtproblematik bezüglich Testosteron erwähnt habe. (Um eine mutmaßliche Sucht festzustellen, hatten seine Verteidiger in der Vergangenheit ein Gutachten beantragt.)

Strafrechtlich ordnete die Jugendgerichtshilfe ein, dass sich die Tatzeiträume teils in der Jugendzeit, teils als Heranwachsender ereignet hätten. Eric K. sei in der Lage gewesen, Recht von Unrecht zu unterscheiden. Auch wenn „kein Zweifel an strafrechtlicher Verantwortungsfähigkeit“ bestünde, plädierte die Jugendgerichtshilfe für die Anwendung von Jugendstrafrecht aufgrund von „Reifedefiziten“.

Im Bundeszentralregister lagen zu Eric K. keine Eintragungen vor.

Ergänzung zu Vorstrafen von Leon R.

Nachdem am letzten Verhandlungstag bereits Leon R.s Auszug aus dem Bundeszentralregister verlesen wurde, wurden nun zu drei Eintragungen die Urteilsgründe auszugsweise vorgetragen. So habe Leon R. im Oktober 2018 zusammen mit Markus W. und Ann-Kristin W. Aufkleber an der Synagoge in Eisenach angebracht. Am 2. November 2018 folgte ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz in Ostritz beim „Schild&Schwert“ Festival. Hier wurde bei Leon R. in einer Polizeikontrolle ein mitgeführter Mundschutz festgestellt, was als passive Bewaffnung gilt. Am Amtsgericht Eisenach beschloss der Jugendrichter im Oktober 2019 in ersterem Fall die Einstellung und im zweiten Fall eine Geldstrafe von 900 Euro. Weiter wurde Leon R. wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen per Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt, weil er am 20. Juli 2019 in Eisenach den neonazistischen „Kühnengruß“ gezeigt hatte. Der dritte Eintrag war eine Gesamtstrafe aus den beiden besagten Geldstrafen, die vom Amtsgericht Eisenach zu einer Strafe von 1800 Euro zusammengefasst wurden.

Kein Schluss der Beweisaufnahme, mehr Beweisanträge

Die Vertreter der Bundesanwaltschaft sahen noch Bedarf für die Fortführung der Beweisaufnahme und stellte zwei neue Beweisanträge. Einer war eine Ergänzung zum heute vom Senat bereits abgelehnten Polizeizeugen vom BKA. Laut dem neuen Antrag solle der Beamte durch seine Aussage belegen, dass und inwiefern im Zuge der Ermittlungen Mobiltelefon, Handynummer und Telegram-Account dem Angeklagten Maximilian A. zugeordnet werden konnten. Weiter solle der Zeuge auch die Zuordnung der Beschuldigten Marvin W., Marius L. und Dennis B. zu den entsprechenden Anschlüssen bzw. Accounts belegen, was laut Bundesanwaltschaft allein durch die Aktenlage nicht möglich sei.

Der zweite Beweisantrag wurde die Befragung des Leipziger Polizeibeamten angeregt, der die Videoauswertung vom mutmaßlich durch Bastian Ad. geworfenen Flasche bei einer Querdenken-Demo am 7. November 2020 in Leipzig gemacht hatte. Diese war zuletzt am 42. Verhandlungstag Thema. Er solle zu seinen Erkenntnissen aus der Videoauswertung aussagen, so zu der Tatzeit und zur Marke der geworfenen Flasche.

Es folgte eine Diskussion zwischen dem Vorsitzendem Giebel und den Oberstaatsanwälten zum weiteren Prozessverlauf. Der Vorsitzende verkündete, dass der Senat von sich aus nicht vorhätte, noch Beweismittel einzuführen, sondern bald zum Schluss kommen wolle und fragte, ob die Bundesanwaltschaft am 18. Juni bereit wäre zu plädieren. Die Bundesanwaltschaft wand ein, dass aus ihrer Sicht noch die Einführung von Ermittlungsergebnissen zu Verkehrskontrolle Eric K. betreffend offen sei sowie von Maßnahmen der Staatsanwaltschaft Gera. Der Vorsitzende erwiderte diese nie gesagt habe, diese für beweisrelevant zu halten. Außerdem behielten sie sich weitere Beweisanträge vor, auch abhängig von der Entscheidung über die heute gestellten und noch offenen Beweisanträge. Auch kündigten die Vertreter des Generalbundesanwalts an, dass sie vor ihrem Plädoyer eine Woche Unterbrechung beantragen würden, die sie zur Vorbereitung der Schlussvorträge bräuchten.

Der Senat zog sich kurzerhand zur Beratung zurück. Nach kurzer Unterbrechung kamen sie lediglich mit dem Hinweis zurück, dass mit der Möglichkeit zu rechnen sei, dass ab dem 20. Juni 2024 Plädoyers gehalten werden könnten. Der nächste Verhandlungstag am 13. Juni bleibe als Termin ohne konkretes Beweisprogramm erhalten, der 18. Juni könnte womöglich ausfallen.

Damit schloss der Vorsitzende den 48. Verhandlungstag gegen 16.50 Uhr.