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Knockout 51 - Prozess

17. Verhandlungstag KO51 15.01.2024

Der 17. Prozesstag begann mit leichter Verspätung. Neben einigen kritischen Beobachter:innen und wenigen Vertreter:innen von Lokalpresse saßen drei Unterstützer:innen der Angeklagten im Publikum, darunter die Schwester des Angeklagten Leon R. mit einem Begleiter. Sie grüßten die Angeklagten vor Verhandlungsbeginn freundlich und unterhielten sich in Pausen erheitert mit Eric K. über die Justizbeamten hinweg. Ein weiterer Zuschauer aus dem Umfeld des Angeklagten Maximilian A. verließ den Saal schnell wieder, offenbar unzufrieden darüber, aus letzter Reihe keine freie Sicht auf das Geschehen zu haben.

Zu Beginn verkündete der vorsitzende Richter Giebel vorsorglich die Festlegung weiterer Verhandlungstermine für den ganzen April und Mai 2024. Weiter wurden den Angeklagten inzwischen Festplatten mit den Dateien, auch den Audiodateien aus der Beweisaufnahme, bereitgestellt, sodass sie diese selbst hören könnten – entweder im Gericht oder in Lesesälen der Justizvollzugsanstalten, mit welchen dies bereits abgestimmt sei.

In der Beweisaufnahme ging es weiter mit der Verlesung zahlreicher Chatverläufe und dem Abspielen von Aufnahmen aus der Telekommunikationsüberwachung und Innenraumüberwachung aus Fahrzeugen der Angeklagten Leon R. und Eric K.. Diese Beweismittel sollten jeweils bestimmte Thesen der Anklage belegen. Die wie gewohnt schlechte Audioqualität erschwerte der interessierten Öffentlichkeit an vielen Stellen das akustische Verständnis der abgespielten Inhalte. Die Gespräche und Chats – jeweils Angeklagten, oft weiteren Beschuldigten und Personen aus deren sozialen und politischen Umfeld zugeordnet – verdeutlichten „beiläufig“ immer wieder das nationalsozialistische Gedankengut sowie die sexistischen, rassistischen, ableistischen Überzeugungen der Angeklagten.

Nachtrag zu Leitung der Kampfsporttrainings

Zunächst wurde an den vergangenen Prozesstag angeknüpft. Angeregt vom Vertreter der Bundesanwaltschaft wurden zu zwei Thesen zur „Trainingsleitung bei Knockou-51“ mehrere WhatsApp-Chatverläufe aus dem Jahr 2019 verlesen, welche vom BKA dem Angeklagten Eric K. und dem gesondert Verfolgten Kevin N. zugeordnet wurden. In diesen fragte Kevin N. mehrfach ab, ob Eric K. zum „Boxen“ erscheinen würde (Juni 2019). Im August 2019 kommunizierten sie darüber, dass Eric K. für zwei Wochen die Aufgabe der Trainingsleitung von Kevin N. übernommen hätte.

Im März 2019 führten sie einen Chatdialog über einen Dennis D.: Laut Aufforderung von Kevin N. müsse dieser Pullover und Shirt von Knockout51 zurückgeben, da diese „nicht für Sympathisanten, sondern Mitglieder“ seien. Dennis D. sei bereits von Leon R. aus einer entsprechenden WhatsApp-Gruppe rausgeschmissen worden, da er nicht im Flieder Volkshaus mit ihnen trainiere, sondern lediglich im Fitnessstudio. So sei D. laut Kevin N. kein Gruppenmitglied und habe sich die Sachen „nicht verdient“, wobei er vergleichsweise auch auf einen Eric R. verweist, der zwar „Fascho“ sei, aber kein Mitglied.

Die Verteidigung widersprach wieder einmal der Relevanz des Beweismaterials, welches laut den Strafverteidigern keine Schlüsse auf eine kriminelle Vereinigung zuließe, sondern nur auf einen Sportverein, bei denen das Zurückgeben von Vereinskleidung normal sei.

Beteiligung am „Kampf der Nibelungen“ und bundesweite Vernetzung

Weiter ging es mit der Verbindung der mutmaßlichen kriminellen Vereinigung zum „Kampf der Nibelungen“, einem Kampfsport-Großevent der Neonaziszene. Die These der Anklage hierzu lautete, dass „Knockout-51“ auf eine werbewirksame Präsentation geachtet habe, indem sie sich auf Großplakaten für den „Kampf der Nibelungen“ habe aufführen lassen. Es wurde Bezug genommen auf ein Schreiben des Landesamts für Verfassungsschutz Thüringen, in dem es um aktive Unterstützung der extrem rechten Kampfsport-Großveranstaltung in Ostritz 2019 ging – welche letztlich verboten wurde. Hier sei die Gruppierung erstmals namentlich aufgetreten und habe selbst auch Kämpfer stellen sollen. Als Beweismittel wurde eine Werbegrafik für den „Kampf der Nibelungen“ am 12.10.2019 eingeführt, auf welcher die Logos von Sponsoren und Unterstützern des Events zu sehen waren, darunter auch das von „Knockou-51“, die damit öffentlich für das Neonazikampfsport-Event auftraten.

Weiter ging es um die aktive, auch organisatorische Beteiligung von mutmaßlichen „Knockout-51“-Mitgliedern am „Kampf der Nibelungen“ im Jahr 2020 – welcher am 26.09.2020 in Magdeburg stattfand, letztlich jedoch verboten, aufgelöst und das Event erst Wochen später als Videostream nachgeholt wurde. Der Angeklagte Leon R. habe, so die These, die Anmeldung für die Teilnahme der Gruppe und die Koordinierung für das Event vorgenommen.

Am 26.09.2020 selbst hätten laut Anklage Leon R., Maximilian A., Bastian Ad., Kevin N. u. a. an dem Event in Magdeburg teilgenommen, wobei der gesondert Verfolgte Kevin N. als Kämpfer aufgetreten sei. Dazu wurde ein Chatverlauf von einigen Tagen zuvor verlesen, in dem Leon R. dem gesondert Verfolgten Kevin N. ein Einladungsschreiben mit Informationen zum „Kampf der Nibelungen“ weiterleitete, adressiert an „Liebe Kämpfer und Sportfreunde“: Es sei ein zeitiger Beginn geplant, um 12 Uhr mittags der erste Kampf, um 9 Uhr das Eintreffen in Schkeuditz, so die Nachricht. Zur Anmeldung mit ihrem Kampfgewicht könnten die Kämpfer sich vor Ort wiegen oder ein zuhause aufgenommenes Video mit Waage und aktueller Tageszeitung an einen gewissen Malte schicken. Es wurde darüber informiert, dass die Kämpfe gestreamt würden, und betont „eure Anonymität liegt uns am Herzen“. So stünde wasserfeste Theaterschminke zur Verfügung, es könnten Kopfschützer getragen oder Gesichter gepixelt werden. Empfohlen wurde, langärmlige Rashguards zu tragen um Tattoos zu verbergen, und darüber hinaus Skimasken mitzubringen für Bereiche der Location, in denen gefilmt würde. Die Kämpfer wurden in dem Einladungsschreiben aufgefordert, anzugeben, welche Infos der Ringmeister über sie äußern dürfte, so z. B. Ort und Name. Auch sei ein Einlauflied mitzubringen. Abschließend wurde in der Nachricht an die Verschwiegenheit der Teilnehmenden appelliert: „Keine Facebook-Posts, kein WhatsApp-Status. Sport frei, euer KdN Team“.

Leon R. fragte im Chat daraufhin Kevin N.s Gewicht ab und gab diesem auch das Gewicht seines Gegners durch. Auf eine Sprachnachricht, in der Leon R. die Mitteilung von der gegnerischen Seite weitergab, dass N. und sein Gegner „im ersten Sinne Kameraden und erst im zweiten Sinne Gegner“ seien, erwiderte N. lachend, dem Gegner die Hand zu geben, nachdem er diesen „totgeschlagen“ habe. Der vorsitzende Richter merkte an dieser Stelle kurz an, dass laut Polizei darauf noch ein Smiley als Antwort von Leon R. folgte, das Auswertungsprogramm „Cellebrite“, aus dem die schriftlichen Chatverläufe in der Regel vom Senat vorgelesen werden, jedoch keine Smileys anzeigen könne. 

Laut Generalbundesanwalt habe Leon R. darüber hinaus die Teilnahmebedingungen und Regeln vom Kampf des Kevin N. abgestimmt. Hierzu wurde am 15. Verhandlungstag bereits Beweismaterial, darunter ein in diesem Zusammenhang gedrehtes Video eingeführt.

Als weiteres Beweismittel wurde ein Gespräch aus Juli 2020 herangezogen, das im Rahmen der Innenraumüberwachung des Fahrzeugs von Leon R. aufgenommen wurde und in Zusammenhang mit dem „Kampf der Nibelungen“ 2020 gesetzt wird. In diesem informierte Leon R. den Kevin N. darüber, dass dieser gegen einen André aus Dortmund boxen würde. N. reagierte im Gespräch kennend, dass jener André schon für Shirts vom „Kampf der Nibelungen“ gemodelt habe. 

Bezugnehmend auf die mutmaßlichen Beteiligung von Leon R. und Kevin N. wurde aus einem Vermerk des BKA der Artikel „Onlinestream statt Großevent“ von EXIF-Recherche über „Kampf der Nibelungen“ 2020 verlesen. Der Artikel, in dem von einem „dilettantisch zusammengeschnittenen Video“ die Rede ist, berichtet auch von einem Kampf zwischen einem „Max“ und einem André F. und ordnet zu, dass es sich bei genanntem „Max“ laut Autor:innen „offensichtlich“ um Kevin N. handele. Auch die ihn mutmaßlich begleitende Gruppe um Leon R. und Maximilian A. wurde im Artikel erwähnt. Die Identität des Gegners, eines André F. aus Dortmund, konnte das BKA durch den Abgleich mit Lichtbildern aus einer erkennungsdienstlichen Behandlung im Kontext eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz 2018 zuordnen. Eingeführt wurden in die Verhandlung außerdem Lichtbilder aus jenem Artikel, die mutmaßlich erkennbar André F. und den verpixelten Kevin N. zeigen.

Rechtsanwalt Hohnstädter, ein Verteidiger des Angeklagten Bastian Ad., widersprach der Verwertung des Artikels, dieser könne nicht zum Beweisgegenstand gemacht werden – seiner Meinung nach, weil es gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen würde. Dem schlossen sich weitere Verteidiger an. Der vorsitzende Richter entgegnete, dass sich dieser Grundsatz auf Zeug:innen beziehe, nicht darauf, dass ermittelnde Polizeibeamt:innen online recherchieren und Ergebnisse vermerken würden. Auch Dr. Piehl von der Bundesanwaltschaft trat dem Widerspruch entgegen und wertete die Begründung des Verteidigers als „despektierliche Abwertung polizeilicher Arbeit“, was er auf das Schärfste zurückweise.

In einem weiteren überwachten Gespräch aus Leon R.s Auto von Ende August 2020, welches von der Polizei Leon R., Bastian Ad., Kevin N. und einer Ann-Kristin W. zugeordnet wird, unterhielten sich diese auf einer Fahrt nach Berlin-Moabit darüber, sich für Aufgaben wie Crewbetreuung einzutragen – mutmaßlich für den bald stattfindenden „Kampf der Nibelungen“. Nebenbei fielen homofeindliche Bemerkungen über Berliner Polizist:innen, ein Gesprächsteilnehmer stellte dies den Thüringer „Bullen“ gegenüber, welchen man ansähe, dass sie „Faschos“ gern hätten. Ein Mitfahrer plädierte dafür, auf einem Behindertenparkplatz zu parken. Auf der Anklagebank zeigte sich Eric K. sichtlich belustigt über das Gespräch.

Richter Giebel verwies anschließend auf einen BKA-Vermerk, in dem ein Bezug zwischen dem „Kampf der Nibelungen“ in Magdeburg und Mitgliedern der rechtsterroristischen „Atomwaffendivision“ genannt werde. Laut des Vermerks habe die Kriminalpolizeiinspektion Magdeburg, festgestellt, dass die Veranstaltung in der Niegripper Straße bei der „Division 39“ stattfinden sollte und daraufhin dem Verantwortlichen eine Verbotsverfügung übergeben, welcher diese den Teilnehmenden verkündet habe. Eine Liste der vor Ort von der Polizei festgestellten Personen gab der Vorsitzendem bis zum nächsten Verhandlungstag ins Selbstleseverfahren.

Videodokumentation des „Kampf der Nibelungen“ 2020

Die nächste Ermittlungsthese lautete, dass Leon R. 2020 an der Videodokumentation vom „Kampf der Nibelungen“ mitgewirkt, die Bearbeitung vorgenommen und den Livestream, der schließlich erst am 10.10.2020 ausgestrahlt wurde, in seiner Kneipe Bull’s Eye in Eisenach für ausgewähltes Publikum gegen einen Eintrittspreis von zehn Euro gezeigt habe. Als Belege hierfür folgten mehrere Einzel- und Gruppenchats sowie überwachte Telefongespräche von Leon R. – so sprach dieser in mehreren Telefonaten und Sprachnachrichten u.a. mit seiner Mutter Ulrike E. die Durchführung des Livestream im Bull’s Eye ab.

Mit einem Dennis B. aus Dortmund tauschte Leon R. – so die Zuordnung der Ermittlungsbehörden – sich in den Wochen vorher in Telefonaten ausführlich über die Videoaufzeichnung der Kämpfe und die benötigte Kameratechnik, anfallende Kosten, den Ablauf und die Erstellung des „Aftermovies“ aus. Sie planten abgesehen von den Kämpfen auch, ein Interview mit „Alex“ aufzunehmen, (Anmerkung: mutmaßlich Alexander D., laut Impressum der „Kampf der Nibelungen Website“ verantwortlicher Organisator des „Kampf der Nibelungen“), die fertigen Videos von den Kämpfe sollten im Nachhinein von einem „Malte“ kommentiert werden. Alex D. wurde auch erwähnt als Finanzier, der vorerst Geld für die Technik zur Verfügung stellen könne.

Auch sprachen laut Zuordnung der Polizei Leon R., Dennis B. und Alex D. Anfang Oktober 2020 am Telefon über die Folgen der Verbotsverfügung und der Auflösung der Veranstaltung am 26.09.2020, der Sicherstellung von Gegenständen durch die Polizei und den zugehörigen richterlichen Beschluss. Sie mutmaßten im Gespräch über einen etwaig zusammenhängenden Tatvorwurf nach §129. Da nicht alle Speicherkarten weg seien, sprachen Dennis B. und Leon R. den Schnitt der vorhandenen Videodateien und deren Upload ab, welcher wegen potenziell drohender Hausdurchsuchungen zur Sicherheit zeitnah erfolgen und passwortgeschützt schon weit verbreitet werden solle. Leon R. beklagte den hohen Aufwand des Videoschnitts und bat Dennis B. um Unterstützung hierbei. Am Ende mehrerer der aufgezeichneten Telefongespräche wurde sich mit „Sieg Heil“ verabschiedet.

Livestream des „Schild & Schwert“ Neonazi-Festivals

Weiter wurden die Mitgliederliste und Verläufe einer WhatsApp-Chatgruppe namens „Rec. Media Crew“ als Beweismittel eingeführt, die auf dem Smartphone von Leon R. sichergestellt wurde. Unter den 14 festgestellten Usern in der Gruppe waren Leon R., der laut Auswertungsvermerk des BKA die Gruppe gegründet habe, der bereits genannte Dennis B. und neben weiteren Personen auch Marc B., dessen Wohnung ebenso wie die der Angeklagten am 06.04.2023 im Kontext der „Knockout-51“-Ermittlungen durchsucht wurde. Laut polizeilichem Vermerk wurden in Gruppe Expertise im Bereich Video, Fotografie und Grafikdesign mit dem Ziel der Werbung für rechtsgerichtete Veranstaltungen ausgetauscht.

In den Chatverläufen besagter Gruppe zwischen Oktober und Dezember 2018 ging es um das „Schild & Schwert“ Festivals in Ostritz 2018. Es wurden die Programmpunkte des Neonazi-Festivals geteilt: Eröffnung durch Thorsten Heise, Auftritte einer Reihe neonazistischer Interpreten wie u.a. Frank Rennecke, Flag, Sleipnir, Uwocaust, Lunikoff, ein „Diskussionsforum“ mit Udo Voigt und Sebastian Schmitke. Die Gruppenmitglieder trafen Absprachen zur Anreise. Dennis B. schrieb im Nachgang in die Gruppe, dass Heise „mit unserer Arbeit“ zufrieden gewesen sei. Auch Leon R. bedankte sich bei Gruppenmitgliedern für die Zusammenarbeit am Livestream. Auch wurde der Link zu einem Flickr-Fotoalbum von Endstation Rechts mit Aufnahmen von dem Neonazi-Festival geteilt.

Leon R. informierte die Gruppe Ende Dezember 2018, dass das „S&S“ Video nun hochladen würde, er säße seit einer Woche täglich am Videoschnitt. Auch für das nächste Jahr solle man sich um den 20. April das ganze Wochenende für die nächste Auflage des Festivals freihalten, so Leon R.s Aufforderung in der Chatgruppe. (Empfehlenswert als Hintergrund: Artikel von Endstation Rechts zum „Schild & Schwert“ Festival, 05.11.2018)

Dokumente zum „Flieder Volkshaus“

Als Nachtrag zum vorletzten Verhandlungstag vervollständigte der vorsitzende Richter die Liste an Dokumenten, die bezüglich des „Flieder Volkshaus“ in Eisenach ins Selbstleseverfahren eingeführt werden sollten – dies umfasst über zehn Ergebnisprotokolle des Vorstands des Vereins „Flieder Volkshaus e.V.“ zwischen 2019 und 2021, einen Mietvertrag zwischen Flieder Volkshaus und Leon R., die Kopie einer Mitgliederliste des Vereinsvorstands, einen Auszug aus dem Vereinsregister von September 2022, die Satzung des Flieder Volkshaus e.V. sowie den Gewerbemietvertrag von Patrick Wieschke für die Immobilie.

Junge Nationalisten, das Anwerben von Nachwuchs und Anwärtertrainings

Laut Anklage hätten die Mitglieder von „Knockout-51“ neue Menschen in Bars, Fitnessstudios sowie durch Kontakte durch die „Jungen Nationalisten“ angeworben. Hierfür seien auch die Räumlichkeiten des Flieder Volkshaus genutzt worden. Ein englischsprachiger Chatverlauf von Leon R. als Beleg hierfür wurde bereits an einem früheren Verhandlungstag verlesen.

Auch eingeführt wurde die Mitgliederliste einer Whatsapp-Chatgruppe namens „JN Eisenach Info“, in der die Angeklagten Leon R. und Eric K., dessen damalige Partnerin J. O. sowie die Beschuldigten Nils A. und Dennis K. und über zwanzig weitere Personen vernetzt waren. Laut Auswertung des BKA sei sich in der Gruppe über demonstrative Aktivitäten unter dem Deckmantel der JN ausgetauscht worden. Ursprünglich habe L. T. die Chatgruppe unter dem Namen „Jungskins“ gegründet, später habe Dennis K. diese umbenannt und sei zum Admin gemacht worden.

In einem Gespräch, aufgenommen im Fahrzeug des Leon R., tauschten sich mutmaßlich dieser und Patrick Wieschke darüber aus, welche Maßnahmen es zur verstärkten Organisation junger Rechter in Eisenach bräuchte. So seien sich beide einig gewesen, hierfür Nachwuchstreffen politischer auszurichten um mit mehr Inhalten unterfüttern zu wollen. Wieschke verwies dabei darauf, dass er damit früher in Gotha zusammen mit Thomas Wagner (beteiligt an Neonazi-Angriff auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt und Kopf der Neonazi-Gruppierung „Turonen“) „Tommy“ (vermutlich Tommy Frenck) gute Erfahrungen gemacht und dass das „Gruppencharakter“ gehabt habe.

Die bereits erwähnte L. T. sowie J. O., die damalige Partnerin von Eric K. hätten auch zur Jugend von „Knockout-51“ gehört, so die Ermittlungsthese. Weiter habe die Jugend von „Knockout-51“ als Einstiegsmöglichkeit in die Gruppe „Anwärtertrainings“ besucht, welche sonntags im Flieder Volkshaus stattgefunden hätten. Leon R. soll die Anwärtertrainings zumeist angeleitet haben. Zu genannten Thesen wurden mehrere Gespräche aus der Fahrzeuginnenraumüberwachung vorgespielt. Mutmaßlich Leon R. erklärte in einem Gespräch im Auto der mitfahrenden L. T., was es hieße, „Anwärter“ zu sein: Wenn man sich gut mache, könne man einen festen Platz in der „Sportgruppe“ kriegen. Dafür gebe es Voraussetzungen, die zu erfüllen seien, darunter die konsequente Teilnahme am Training. Auch die Einschränkung für das Privatleben dadurch wurde als Herausforderung genannt, die nicht jeder schaffe.

Es hätten auch Frauen den Anwärtertrainings beigewohnt, ohne mitzumachen. Zu dieser These verwies der vorsitzende Richter auf eine Zeugin – ihrerseits auch Mitglied der „JN Eisenach Info“ Chatgruppe – die vor Gericht von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe – zur Befragung blieben hier noch die Vernehmungsbeamt:innen, so der Vorsitzende.

Wechselhafte Rolle des Eric K.

Gegen Ende des Verhandlungstages ging es erneut um die Position des Angeklagten Eric K. in der Gruppe, der zeitweise als „Anführer“ der Jugend von „Knockout-51“ fungiert habe und später zeitweise ausgeschlossen worden sei. Der Anklage zufolge sei Eric K. zunächst wegen seines Ausschlusses von anderen Mitgliedern geringgeschätzt worden, habe dies durch Steigerung seiner Trainingsdisziplin 2021 jedoch wieder ändern können. Als Belege hierfür wurden ein Chat verlesen und einige Gespräche aus der Fahrzeuginnenraumüberwachung abgespielt. Ende 2020 fragte Kevin N. per Chatnachricht noch nach, ob Eric K. irgendwann nochmal zum Training erscheinen würde, sonst wäre bald „Schluss“.

In einem Gespräch im Auto im August 2021 bezeichnete mutmaßlich Leon R. den Eric K. als „schwierigen Kandidaten“, seine Gesprächspartner:innen äußerten, dass sie diesen als stark auf den Kampfsport und „Knockout-51“ fokussiert wahrnahmen. Laut Leon R. boxte Eric K. zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr „für Knockout“, weil dieser nichts könne. Auch beschwerte R. sich über Menschen, die behaupten würden, dass sie von Anfang an bei der Gruppe dabei seien – dies seien hingegen lediglich „zehn Leute“ und nicht diejenigen, die das überall rumerzählen würden. Im November 2021 äußerte sich Leon R. abschätzig darüber, dass sich Eric K. als „Knockout-Gründer“ aufspiele, obwohl dieser keinen Status in der Gruppe habe. 
Mehrere überwachte Gespräche aus demselben Monat, u.a. mit Absprachen für Treffen zwischen Maximilian A. und Eric K. selbst, wurden angeführt, um die wieder verstärkte Einbindung und Teilnahme von Eric K. an Trainings zu verdeutlichen. Laut Verteidigung würde hieraus nicht erkennbar, dass K. wieder „im Bunde“ sei.

Auch kritisierte mutmaßlich Leon R. in einer Audio bezugnehmend auf Eric K., dass sie lernen sollten, körperliche Auseinandersetzungen zu führen „ohne in den Knast zu kommen“, bevor man sich „auf der Straße“ schlage. Unter anderem im Zusammenhang mit der Stellung des Eric K. war auch die „Knockout-51“-Kleidung als Zugehörigkeitssymbol zur Gruppierung, welches auch wieder entzogen werden kann, erneut Thema.

In einem der Gespräche im Herbst 2021 erwähnte Leon R. eine Person beim Vornamen, die er kontaktiert und der er ins Gewissen geredet habe, nachdem diese einen Aufruf zu einer „FreeLina“ Demonstration geteilt hatte.

Verteidigung: „Knockout-51“ sei Kampfsportverein der „Milde“

Die Verteidiger machten mehrfach Erklärungen nach §257 zu verschiedenen Beweismitteln. Unter anderem schlussfolgerten sie aus dem mutmaßlichen Anspruch der Gruppe, sich möglichst für Gewalttaten nicht strafrechtlich belangbar zu machen, das Selbstverständnis „milder“ agieren zu wollen – anders als es der Name „Knockout“ vermuten lasse. Die Verteidigung zog erneut den Schluss, die mutmaßliche kriminelle Vereinigung sei vielmehr eine Gruppe zur sportlichen Ertüchtigung, in welcher die Mitglieder lediglich lernen würden, von ihrem „Notwehrrecht“ Gebrauch zu machen. Dies resultiere laut ihrer Argumentationslinie wieder lediglich aus der Bedrohung von Links. 
Die Erklärungen wurden vom Vorsitzenden zur Kenntnis und zu Protokoll genommen.

Mit der Information, dass die für den 12. und 13. Februar 2024 angesetzten Verhandlungstage entfallen würden, wurde die Verhandlung für den Tag geschlossen.

Der Verhandlungstag endete gegen 16 Uhr. Der 18. Verhandlungstag sollte am nächsten Tag, dem 16. Januar 2024 folgen.