Der erste Verhandlungstag 2024 schloss nahtlos an den Diskussionen des vergangenen Jahres an. Wieder wurde darüber gestritten, wie mit den Datenträgern für die Überwachungsmaßnahmen umzugehen sei. Da Rechtsanwalt Hammer (Verteidiger von Leon R.) sich nicht in der Lage sah, selbst das komplette Datenmaterial zu sichten, soll nun Leon R. selbst Zugriff auf die USB-Sticks bekommen. Unklar ist aber bereits, ob die den Angeklagten zur Verfügung gestellten Laptops dafür nochmal zurück zum GBA nach Karlsruhe geschickt werden müssen.
Details zum Kampfsporttraining
Inhaltlich wurde das Augenmerk zunächst auf das Kampfsporttraining gelegt. Dabei lautet eine These der Anklageschrift, dass neben Leon R. auch die Angeklagten Maximilian A. und Eric K. von Beginn an am Training der Gruppe teilgenommen haben. Insbesondere sei ein gemeinsames Kampfsporttraining von Leon R. und Maximilian A. seit dem 27.01.2019 belegbar. Dabei wurde ein Chat zwischen Leon R. und seiner Mutter herangezogen, in dem er über einen Kampf zwischen ihm und Maximilian A. berichtete. Dabei erwähnte Leon R., auch gegen ein Mitglied der JN Hessen im Duell gewonnen zu haben.
RA Hohnstädter grätscht dazwischen
Bevor es weitergehen konnte, setzte der verspätet erschiene Anwalt Hohnstädter (Verteidiger von Bastian Ad.) mit einer dreißigminütigen Erklärung an. Dabei bezog er sich auf die noch ausstehende Entscheidung zu den Erkenntnissen aus den Überwachungsmaßnahmen bzgl. des Atomwaffendivision Deutschland-Verfahrens. So hätte laut Hohnstädter eine Verwendung der erhobenen Daten durch die Überwachungsmaßnahmen nicht stattfinden dürfen, da es dafür an einer Rechtsgrundlage fehlte. Dabei berief er sich überwiegend auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, verlor sich aber immer wieder in Nebensächlichkeiten. Seiner Ansicht nach sei zudem eine sofortige Entscheidung des Senats erforderlich, da Bastian Ad. ansonsten schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen drohen würden. Insbesondere drohe eine Weiterverbreitung sensibler Gesundheitsdaten und Informationen bzgl. des Drogenkonsums seines Mandanten, die in die Verhandlung bislang eingeführt wurden, durch das „besondere Klientel im Publikum“. Daher müsse sofort über den Verwertungswiderspruch entschieden werden. Die wenig überzeugenden Ausführungen vermochten auch den Senat nicht zu überzeugen, der den Antrag schließlich ablehnte. Eine Entscheidung über die Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus dem Verfahren zur AWDD steht somit weiterhin aus.
Fortführung mit Absprachen zu Kampfsporttraining
Ins Verfahren eingeführt wurde dann u.a. eine WhatsApp-Chatgruppe „Training K51 Diakonie“ mit 32 Mitgliedern, welche auf Leon R.s Mobiltelefon sichergestellt wurde. In dieser sollen laut Bundesanwaltschaft Absprachen über das Kampfsporttraining getroffen worden sein, welches regulär donnerstags und sonntags abends im Flieder Volkshaus stattgefunden habe. Eine Tabelle zu dieser Chatgruppe wurden den Verfahrensbeteiligten ins Selbstleseverfahren gegeben.
Weiter wurden mehrere Chats zwischen Leon R. und dem gesondert verfolgten Kevin N. verlesen. In diesen Chats kommunizieren die beiden über die Härte des Kampfsporttrainings, treffen Absprachen über Schlüssel für den Trainingsraum und über eine Liste zum Eintragen bezüglich der Raumnutzung und Trainingsteilnahme. In den Chatverläufen fallen diverse Namen von alten und neuen Trainingsteilnehmern. Es werden auch Videos sowie ein u.a. ein Foto aus ihrem Chatverlauf gezeigt, das Leon R. sowie die Beschuldigten Kevin N. und Nils A. posierend im Trainingsraum im Flieder Volkshaus zeigt.
Als nächste These der Anklagebehörde folgte, dass der Gruppierung immer mindestens zehn aktive Mitglieder zur Verfügung gestanden haben. Leon R. schilderte dazu Ende 2021 am Telefon, dass zwar immer 10 bis 15 Leute aktiv seien, aber zahlenmäßig noch Luft nach oben sei. Außerdem wurde zwischen Kevin N. und Leon R. diskutiert, ob nicht auch Kämpfe auf dem Feld zur „Abhärtung“ sinnvoll seien.
Verbindungen zu Ghost Gang MC
Eine weitere These der Bundesanwaltschaft lautet, dass Leon R. zunächst mit Kevin N., später auch mit Benjamin S. Trainings angeleitet habe. Zur Übertragung der Trainingsleitung von Leon R. an Benjamin/Ben S. wurden wiederum mehrere Audios aus der Mobilfunküberwachung von Leon R. abgespielt. Letzterer soll über Kampfsporterfahrung verfügt haben und sich im Umfeld der Rockergruppe „Ghost Gang MC“ bewegen. Benjamin S. gilt als gesondert Verfolgter. Er versuchte unter anderem in Absprache mit Leon R., alte Sportmatten für den Kampfsport zu erwerben. Dabei fragten sie unter anderem bei einer Person vom „Fightclub“ an. Auch schrieben die beiden über die Finanzierung der Matten durch Mitgliedsbeiträge.
In einem Chat zwischen Benjamin S. und Leon R. im Dezember 2020 wurde zudem die Haltung deutlich, nur mit ihnen persönlich Bekannten trainiert werden solle, um polizeilichen Maßnahmen zu vorzubeugen. „Ironisch“ wird in diesem Austausch angemerkt, dass auch wer von den „Linken“ bei ihnen klopfen und mal mitmachen dürften – nur käme der dann nicht mehr raus.
Die Verteidigung wiederholte einmal mehr ihre Gegenerzählung, wonach die dortigen Kampfsporttrainings – im Gegensatz zur „Gruppe Lina E.“, was er ausschweifend ausführt – ebenso wie die Mitgliedsbeiträge rein sportbezogener Natur seien.
Eng verbunden mit Patrick Wieschke und der NPD
Aus einer WhatsApp-Gruppe, die als Gruppe von Vorstandsmitgliedern des Vereins „Flieder Volkshaus e.V.“ identifiziert wurde sowie durch die Auswertung von Leon R.s Mailpostfächern ging hervor, dass Leon R. Vorstandsmitglied des besagten Vereins ist. In der Chatgruppe wurden vor allem unter Anleitung von Patrick Wieschke organisatorische Angelegenheiten besprochen und rechtsextreme Beiträge geteilt, auch über bessere Überwachungskameras und andere Schutzmechanismen wie Nato-Draht für das Haus wurde diskutiert. In den Postfächern wurden Ergebnisprotokolle von den Vorstandssitzungen des Vereins sichergestellt, welche nicht in der öffentlichen Hauptverhandlung, sondern von den Verfahrensbeteiligten zur Selbstlese eingeführt werden.
Mutmaßliche KO51-Mitglieder hätten laut Anklage über Schlüssel für die Räumlichkeiten des Flieder Volkshauses verfügt. In mehrere Gespräche aus der Mobilfunküberwachung und der Fahrzeuginnenraumüberwachung sowie Chatverläufen wurde dies deutlich – darunter Dialoge zwischen Leon R. und Patrick Wieschke. Letzterer äußerte sich unzufrieden über offenbar wiederholt verlegte Schlüssel zum Flieder Volkshaus, welche neben Leon R. auch durch die Hände verschiedener anderer mutmaßlich unzuverlässiger KO51-Mitglieder und Trainingsteilnehmer gingen.
Leon R. war allerdings nicht nur in die Vereinsaktivitäten eingebunden und nahm an Vorstandssitzungen teil, sondern betrieb anscheinend auch Wahlkampf für die NPD, indem er Plakate und Grafiken für Patrick Wieschke erstellt haben soll. Auch ergaben sich aus den Mailpostfächern, die Leon R. zugeordnet wurden, Belege, dass dieser bei Nationaler Aufbau Eisenach aktiv war.
Krise im Flieder Volkshaus
Aus einem Chat zwischen Leon R. und Kevin N., der aus Dezember 2019 stammt, ging auch hervor, dass das Flieder Volkshaus offenbar in einer finanziellen Krise steckte. So würden laut R. das Haus und die dortigen Veranstaltungen immer schlechter laufen, was er auf Überfälle und daraus resultierender Angst der Besucher*innen zurückführte. Daher müsse nun „ordentlicher Saalschutz“ im Flieder Volkshaus organisiert werden. Als geeignete Person dafür wurde Kevin N. angesehen, der sich auch dazu bereit erklärte. Außerdem würde die NPD kein Geld mehr erhalten, sodass laut R. die Gefahr bestünde, dass die Immobilie bald nicht mehr finanziert werden könne. Laut R. würden dann die „Zecken“ gewinnen, die bereits ein neues AJZ planen würden. Daher schlug N. vor, mehr Menschen für Geldzahlungen für das Haus zu mobilisieren und Begleitpersonen für Besucher*innen sicherzustellen.
Weiterhin habe für die Nutzung des Flieder Volkshaus durch KO51 eine monatliche Miete von 50 Euro bezahlt werden müssen. Dies habe Leon R. laut Eigenaussage in einem überwachten Gespräch im Vereinsvorstand mitbeschlossen. Patrick Wieschke hat Leon R. in einer Mail an ihn zudem aufgefordert, einen Abschlag an die NPD Thüringen zu zahlen. Unklar blieb, ob es sich hierbei um die gleiche oder eine andere Zahlung handelte.
Die Mitglieder von KO51 selbst hätten wiederum Beiträge entrichten müssen, um u.a. die Raummiete zu finanzieren. Auch hierzu waren mehrere überwachte Gespräche u.a. zwischen Leon R. und Bastian Ad. zu hören.
Der Vertreter des Generalbundesanwalts regte schließlich an, auch noch Material einzuführen, dass eine Anleitung von Trainingseinheiten durch Eric K. nachweisen könne. Hierfür seien insbesondere Chatverläufe zwischen Eric K. und dem gesondert verfolgten Kevin N. aus August 2019 heranzuziehen.
Der Verhandlungstag endete kurz nach 16 Uhr. Der nächste Verhandlungstermin fand am darauffolgenden Tag (09.01.2024) statt.