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Knockout 51 - Prozess

34. Verhandlungstag KO51 26.03.2024

An diesem Dienstag war wie nahezu bei jedem Verhandlungstag die Mutter von Leon R., Ulrike E. sowie ein männlicher Begleiter anwesend. Elf kritische Prozessbeobachter*innen nahmen zum 34. Verhandlungstag ebenso Teil.

Die Verhandlung setzte zunächst mit der Beweisaufnahme fort, die am Verhandlungstag zuvor durch Aufnahmen aus der Telekommunikation und der Innenraumüberwachung vom 25.09.2021 bereits begonnen hatte. Die Fahrt zum AJZ in Erfurt stand dabei im Mittelpunkt, wobei der Abend dann doch ohne das erhoffte Aufeinandertreffen mit politischen Gegner*innen endete. Wegen der Befürchtung vor Strafverfolgungsmaßnahmen, ging es weiter um die Idee des Leon R. und Kevin N., sich und KO51 einem Verbotsverfahren zu entziehen. Dies könnte nach deren Überlegungen durch eine Eingliederung in die NPD gelingen. Zum Ende verlas RA Urbanczyk einen längeren Beweisantrag.

Einschub: Kontaktperson bei Rosaluxx?

Zu Beginn der Verhandlung wurde auf Anregen der Vertreter der GBA (Generealbundesanwaltschaft) vom Vortrag ergänzend ein Whatsapp-Chat zwischen Leon R. und Patrick Wieschke eingeführt. Laut R. hätte dieser – und damit die Gruppe „Knockout 51“ – Kontakt zu einer Person aus dem Rosaluxx-Umfeld. Hierüber erhofften sich die Männer Informationen über linke Strukturen und angeblich geplante „Anschläge“. R. wies mehrfach darauf hin, dass nicht mehr Personen als nötig über diese Kontaktperson erfahren sollten. Nur Kevin N., Ulrike E. und Wieschke sollten hierüber Bescheid wissen.

Am 27.03.2024, bereits nach dem Verhandlungstag, äußerten sich hierzu Menschen aus Eisenach. Über Instagram gaben sie an, dass „die Person, um die es sich handeln soll, (…) mittlerweile bekannt [ist] und weder dem genannten Rosaluxx noch unserer Gruppe oder uns bekannten anderen politisch aktiven Personen nahe [steht]“. Die ,Quelle‘, über die Leon R. und Wieschke im genannten Chat sprachen, war demnach nicht tatsächlich als Kontaktperson tätig, es habe laut Stellungnahme „keinerlei Austausch von Informationen“ gegeben.

Fahrt nach Erfurt: mit legaler Bewaffnung, rechten und rassistischen Parolen…

Die Beweisaufnahme fuhr fort mit Mobilfunkaufnahmen des Kevin N. vom 25.09.2021 – der Abend, um den es auch am gestrigen Verhandlungstag ging. Leon R. war mit weiteren Männern auf dem Weg nach Erfurt, und hoffte auf einen Angriff durch Linke. In den abgespielten Gesprächsaufzeichnungen rief Kevin N. verschiedene Personen dazu auf, als Unterstützung zum MGM Erfurt zu kommen. Er kontaktierte „Lukas“, Philipp A. sowie eine weitere unbekannte Person. Alle drei gaben an, sich auf den Weg machen zu wollen.

Die darauffolgenden Audiobeiträge stammten aus der Innenraumüberwachung des Leon R.. Während erneut laute Rechtsrockmusik im Hintergrund lief („Sieg heil, Sieg heil, Sieg heil“, „Deutschland, Deutschland über alles in der Welt“), sinnierten R. und Marvin W. über das erhoffte Aufeinandertreffen mit Linken. So meint Leon R.: „hab Axt dabei, Pfefferspray, meine Karre…“. Weiter sagt er: „Das kickt dann richtig schön, wenn wir die Zecken sehen“.

Einige Minuten später an diesem Abend telefonierte R. erneut mit Kevin N., der sich mehrmals meldete, um die Namen der linken Personen zu erfragen, mit denen man in Erfurt rechnete. Auch seine Mutter, Ulrike E., rief R. noch an diesem Abend während der Autofahrt an und informierte sie über die bisherigen Geschehnisse an diesem Abend. Was R. sich in bestimmten Begegnungen mit seinen als politischen Gegner Auserkorenen vorstellte, wird aus einem weiteren Dialog mit Marvin W. deutlich. Im Zusammenhang mit einem Überfall auf die Polizei fuhr R. aus: „beim nächsten Mal, ich versuch den wirklich irgendwie, sollte der mich nochmal angreifen, versuch ich den so kaputt zu machen, dass der nicht mehr weglaufen kann. Messer reinstecken, Hauptsache der kommt nicht mehr weg bis die Leute ohne ihn kämpfen (…) einfach nur um‘s amtlich zu machen, natürlich kriegt der vorher noch in die Fresse.“

Verteidigung betont angebliche Notwehr, GBA hält dagegen

Im Anschluss an die Wiedergabe dieser Beweisaufzeichnungen meldet sich Rechtsanwalt Hohnstädter zu Wort und meint, dass die eben angehörte Kommunikation widerlegen würde, dass sich die Angeklagten hier zur terroristischen Vereinigung zusammengeschlossen haben. R. würde sich lediglich zur Wehr setzen und im Falle eines Angriffs sein Festnahmerecht ausüben wollen, um anschließend unter Hinzuziehung der Polizei alles amtlich zu machen. Hohnstädter führt aus: „Er [R.] sagt, ich will ihn nicht töten oder sonstiges, was hier die Anklageschrift unterstellt, und das ist ein ganz wesentlicher Fakt.“ Der Vertreter der GBA Piehl lässt diesen Wortbeitrag nicht unwidersprochen und weist deutlich darauf hin, dass das zuletzt gehörte Gespräch gerade ein Paradebeispiel dafür sei, dass die Gruppe um R. „nicht nur einen Angriff abwehren wollte“, sondern gerade darauf gehofft haben, dass der Angriff kommt, um die politischen Gegner zu stellen. Die Notwehr sollte dafür ausgenutzt werden, dem Gegenüber „fünf in die Fresse“ zu geben. Zudem sei bei „fünf in die Fresse (…) ein tödlicher Ausgang sehr wahrscheinlich“, so Piehl.

Es beginnt kurzzeitig ein unkoordiniertes Durcheinanderreden, was der Vorsitzende Richter zu verhindern versucht. Die Beiträge waren dabei schwer zu verfolgen. In jedem Fall führt Hohnstädter eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Bewertung von Äußerungen an, welche die GBA verletzen würde. Der zweite anwesende Staatsanwalt Ziemer ergreift daraufhin das Wort und möchte sich explizit „dagegen aussprechen die Rechtsprechung zu beachten“. Die eingebrachten Argumente von Honstädter hätten keinen Einzug in die angeführte Entscheidung gefunden. Der Vorsitzende Richter beendet die Diskussion mit dem Hinweis darauf, die Beteiligten sollten sich etwaige Grundsatzdiskussionen für das Plädoyer aufsparen und nicht als Teil der Beweisaufnahme vorbringen.

Ich bin einfach durchgefahren“

Die Beweisaufnahme wird fortgeführt. Die Gespräche aus der Innenraumüberwachung des Leon R. sind weiter auf den bevorstehenden Abend und Gespräche über den Erfurter Verkehr gerichtet. Leon R. weist seine Mitfahrer darauf hin, dass das Auto im Übrigen zu „100 Prozent abgehört“ wird. Weiter äußerte R. sich rassistisch über eine Person, die die Männer wohl im Vorbeifahren gesehen haben, und meint, dass man in Eisenach noch gut „dagegen halten“ könne, weil das eine Kleinstadt ist. Die Männer unterhalten sich zudem über „Zecken“ aus Erfurt im Allgemeinen. Außerdem habe Leon R. durch einen Film über die Antifa einen guten Einblick über die Strukturen erlangt und es lohne sich, diesen anzuschauen.

Um 0.54 Uhr sind Leon R., Maximilian An. und Marvin W. auf den Aufnahmen der Innenraumüberwachung zu hören. Sie unterhalten sich unter anderem über den Aussteiger Michael Z. Dieser habe sein Leben vor die Wand gefahren und mit dem Aussteigerprogramm die Lösung für alles gehabt. Drudel 11 biete dann die Lösung für alles. R. fragt sich zudem, woher „Zecken“ diverse Detailwissen über Thüringer Strukturen haben, ob diese von Innen kämen oder über den Verfassungsschutz.

Wenige Minuten später äußert sich R. erneut rassistisch über Menschen, die die Straße überqueren wollten: „Ich bin einfach durchgefahren, habe auch nicht gebremst“.

Zu einem Aufeinandertreffen mit Linken wird nichts mehr gesagt. Der Abend schien deutlich anders zu laufen, als von R. und den anderen Männern erhofft. Nachdem sie einige Zeit vor dem AJZ gewartet haben und keine Leute antrafen, ging es kurz nach zwei Uhr zurück nach Eisenach.

Piehl merkt an, dass noch zwei kurze Telefonate eingeführt werden sollten. Rechtsanwalt Wölfel meldet sich zu Wort und meint in der Fahrzeuginnenraumüberwachung der Erfurt-Fahrt „nach wie vor keine strafrechtliche Relevanz erkennen“ zu können. Selbst wenn die Beteiligten „sich bisschen gewünscht“ hätten, angegriffen zu werden, stünde das einem Verteidigungswillen im Sinne des Notwehrparagraphen § 32 StGB nicht entgegen, so Wölfel. Er könne damit die Fahrt nicht unter den § 129 StGB erfassen. Rechtsanwalt Urbanczyk zieht nach und verweist auf eine BGH-Entscheidung, bei deren Heranziehung im in Frage stehenden Sachverhalt keine Notwehrprovokation vorliegen würde. Rechtsanwalt Hammer beantragt ein Telefonat zwischen Maximilian A. und seiner Mutter in Augenschien zu nehmen. Der Vorsitzende Richter verweist darauf, dass das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt ohnehin angehört werden soll. Piehl verweist vor der Mittagspause zuletzt noch auf relevante Stellen aus der „Shitposting“-Whatsapp-Gruppe vom 23.07.2021.

KO51 im Visier der Strafverfolgung

Die Verhandlung wird nach einer kurzen Unterbrechung fortgeführt. Laut der nächsten These (Fn. 519) habe Leon R. befürchtet, ins Visier der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden zu geraten und schon 2019 Löschanweisungen über die Verbindung zu Atomwaffendivison erteilt. Die entsprechenden Beweise wurden teils schon unter Fußnote 29 verlesen. Außerdem habe R. mit Kevin N. überlegt KO51 bei der NPD einzugliedern, nachdem sie über einen Internetbeitrag im Februar 2021 über Ermittlungen der GBA aufmerksam geworden waren. Leon R. schreibt Kevin N. am 07.02.2021 eine Nachricht, in der er auf einen Beitrag des MDR über die Ermittlungen verweist. Er ging davon aus, dass die GBA Verfahren gegen Eisenacher leitet und es auch sie treffen könne, meint daran anschließend jedoch auch, dass es dafür „keinen Grund geben könnte, warum es uns treffen könnte“. Alternativ vermutete er, dass es auch Combat 18 treffen könnte, aber nach dem „Scheiß mit AWD“ (Atomwaffendivison) auch ihn selbst. R. habe zunächst die Instagram-Seite von Netz nehmen wollen und angeregt sich darüber Gedanken zu machen, wie es mit dem Sport weitergehen könnte.

KO51 in andere rechtsextreme Gruppe eingliedern?

Kevin N. pflichtet R. bei und legt darauf wert, dass „KO51 nicht wie NPD Jugend rüberkommt, sondern selbst weiter wie bisher macht und durch NPD geschützt ist.“ Der Schutz wird sich vor allem durch die gescheiterten Verbotsverfahren versprochen. In einem weiteren Gespräch tauschen N. und R. sich darüber aus, inwiefern man die IB heranziehen könne. Kevin N schlug vor: „Könnte unter IB Thüringen etwas reißen, gibt keinen radikalen Flügel, vernetzten mit ordentlichen Leuten und Verdrängung der Schwuchteln.“ Dieser würde sich insgesamt an der Struktur Rechtsextremer in Wien orientieren. Laut Leon R. stünde für die eigene Zukunft der Dritte Weg hingegen „noch massiv im Weg“.

In einem weiteren Gespräch über Kampfsporttrainings und mögliche Fight Nights regt Leon R. an, eine Kampfsportschule zu eröffnen. Hiermit begebe sich die Gruppe in „noch legalere Legalität“.

Ein Beweisantrag, der Keiner ist

Die Verhandlung endete mit einem Beweisantrag des Verteidigers von Eric K., Urbanczyk. Er will mehrere Notwehrtrainer und Coaches zu diverse Tatsachen laden, wodurch sich dem Gericht „eine neue Welt öffnen“ werde. Zusammengefasst will er dadurch beweisen, dass die Sporteinheiten von KO51, deren Betätigung und Ausrichtung, aus fachlicher Perspektive angeblich zum Notwehrrecht gehörten und legitimerweise als Ausbildung in der Selbstverteidigung zählen würden. Nach langen Ausführungen hierzu, entgegnet Ziemer, dass es sich entgegen der Ansicht von Urbanczyk bei seinem Vortrag nicht um einen Beweisantrag handelt und seine Ausführungen darüber hinaus gerade nicht erheblich seien. Es sei evident, dass auch legale Verhaltensweisen Betätigungsweisen im Sinne des § 129 StGB sein können.

Die Verhandlung soll am 08.04.2021 fortgeführt werden.