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Knockout 51 - Prozess

35. Verhandlungstag – KO51 – 08.04.2024

Zum heutigen Prozesstag erschien wie üblich die Familie um Leon R., sowie ein Dutzend kritischer Prozessbeobachter*innen. Die Verhandlung setzte mit der Beweisaufnahme fort, wobei wesentlicher Schwerpunkt war, dass KO51 die Absicht gehabt haben soll, sich bei den Jungen Nationalisten einzugliedern.

Drei der Angeklagten aus U-Haft entlassen

An diesem Verhandlungstag kamen drei der Angeklagten das erste Mal zum Termin, ohne dabei aus der Untersuchungshaft zu kommen. Am vorigen Wochenende wurde die U-Haft aufgehoben, weil das Gericht der Ansicht ist, der Tatverdacht wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung habe sich bei den Angeklagten nicht erhärten können (Pressemitteilung OLG Jena vom 05.04.2024). Während Bastian Ad. und Maximilian An. über den Hintereingang kamen, betrat Eric K. das Gebäude über den Vordereingang und verbrachte auch die Verhandlungspausen mit der Familie des noch inhaftierten Leon R. vor dem Haupteingang des Gebäudes, neben den restlichen Zuschauer*innen. Wegen dieser neuen Situation wurden außerdem weniger Beamte für den Saalschutz eingesetzt und dem Publikum bot sich ein anderer Blick in den Verhandlungsraum als all die Monate zuvor.

Rechtsanwalt Thomas, Verteidiger von Bastian Ad., bat das Gericht darum für die Fahrtkosten seines Mandanten aufzukommen, da dieser mittellos sei. Für den heutigen Tag habe Thomas für ihn den „Taxiservice gemacht“, könne dies aber nicht für die Zukunft übernehmen. Der Vorsitzende Richter kündigte dem Angeklagten an, das Gericht würde ein Deutschlandticket zur Verfügung stellen.

Rechtsanwalt Urbanczyk, Verteidiger von Eric K., bemängelte außerdem, dass sein Mandant nunmehr nicht durch das Gericht auf die Akte zugreifen kann. Die Angeklagten erhielten durch die Entlassung aus der Untersuchungshaft nunmehr keine Laptops durch den Staat. Hierfür seien von jetzt an einzig und allein die Verteidiger verantwortlich, so der vorsitzende Richter. Die Angeklagten hätten gegenüber dem Gericht keinen Anspruch darauf, Akten zur Verfügung gestellt zu bekommen. Die Debatte wurde mit den Worten Urbanczyks beendet, der mal sehen wolle „ob wir Ihnen [dem Gericht] den schwarzen Peter noch rüberschieben können“.

Die Beweisaufnahme führte mit einigen Lichtbildern und dem daktyloskopischen Gutachten der vermeintlich von Leon R. gebauten Waffe fort. Die Waffe sei ein Modell des Typs FGC-9-EG Kern und auch von dem Drucker, Druckbett und Druckbettfedern sowie dem Glock Magazin wurden entsprechende Bilder und Vermerke der Polizeibeamten vorgetragen.

KO51 besorgt: „129er“ oder ein Verbotsverfahren?

Weiter wurden Aufnahmen aus der Innenraum- sowie Telekommunikationsüberwachung vorgespielt, in denen sich die Mitglieder von KO51 Gedanken über ein mögliches Verbotsverfahren und Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung – § 129 StGB – machten. Leon R. und Marvin W. tauschten sich gemeinsam mit Nils A. am 30. April 2021 in dem überwachten Fahrzeug von Leon R. hierzu aus. R. meinte, dass die Ermittlungsbehörden für ein Verbotsverfahren zunächst einen kämpferischen Charakter vortragen müssten, den dieser nicht verwirklicht sehe. Für den „129er“ bräuchte man hingegen nur allgemeine Straftaten. Früher hätten hierbei höhere Ansprüche an die Voraussetzung einer kriminellen Vereinigung bestanden als heute. Anlass dieser Überlegungen war die Hausdurchsuchung am 30. April 2021 bei Leon R..

Daran anschließend wurde Überlegungen dahingehend angestellt KO51 bei den ‚Jungen Nationalisten‘ einzugliedern, der Jugendorganisation der ehemals Nationaldemokratischen Partei Deutschland, jetzt umbenannt in „Die Heimat“. Die Polizei hätte es dann schwerer mit den Ermittlungen, so Leon R.. Während die Sache für R. nahezu beschlossen zu sein schien, erwiderte der gesondert Verfolgte Kevin N. in einem Gespräch, dass er selbst in keine Partei eintreten werde, egal welche.

Laufende Überwachungsmaßnahmen

Die Sorgen um anstehende Strafverfolgungen und bereits laufende Überwachungsmaßnahmen waren auch Thema eines Telefonats zwischen Maximilian A. und seiner Mutter. A. hätte durch eine Bekannte, die bei der Post arbeitet, erfahren, dass die Post von Leon R. durch Beamte abgefangen werde und auch sonst dessen Telekommunikation und Bewegungsbild überwacht werde. Dies sei „total nervig“ und würde dafür sorgen, dass man „gar keinen Bock mehr zu schreiben“ habe. Auf die Frage seiner Mutter, ob an den Anschuldigungen was dran sei, erwidert Maximilian An. „nein, das ist so hochgepusht worden“. Seine Mutter machte sich außerdem Gedanken, ob auch ihr Sohn selbst überwacht werde, sie hätte manchmal das Gefühl, dass dem so sein könnte. Auch hier verneint A.: „Nein, denke ich nicht.“

Auch Bastian Ad. hatte die Vermutung angestellt überwacht zu werden. Nach einem Telefonat mit einem Freund sei bei diesem am nächsten Tag die Polizei bei der Arbeit „einmarschiert“. Auf die Frage von Leon R., was der Grund dieser Polizeimaßnahme war, erwiderte Bastian nur „wegen Verstoß gegen Waffengesetz“. Er gehe nun auch davon aus abgehört zu werden.

Verteidigung: Selbsteinschätzung von KO51 sei Zeichen der Unschuld

Zu diesem Themenkomplex meldet sich dann der Verteidiger Urbanczyk zu Wort: Die Beiträge der Beweisaufnahme würden lediglich veranschaulichen, dass sich die Gruppe Gedanken und Sorgen um eine Verfolgung mache. In dem Gespräch über den § 129 StGB stelle die Gruppe hingegen selbst fest, dass es an entsprechenden Straftaten bei ihnen fehle. Hier müsse man sich mal überlegen „haben die Personen Straftaten begangen und sollten das Straftaten einer Vereinigung sein“, so Urbanczyk.

Die Verhandlung wurde für eine halbe Stunde unterbrochen.

Vernetzung mit den Jungen Nationalisten

Der zweite Teil des heutigen Verhandlungstages widmete sich der Vernetzung mit den Jungen Nationalisten (JN). So seien am 15. Oktober 2021 mehrere JN-Mitglieder aus Baden Württemberg nach Eisenach gekommen und hätten Leon R. und weiteren eine Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Das Treffen wurde unter dem Titel „Paul Rzehaczek spricht in Thüringen“ als Veranstaltung im Bull’s Eye beworben. Bei Paul Rzehaczek handelt es sich um den damaligen Bundesvorsitzenden der JN. Die Auswertung diverser Chats des Leon R. ergaben, dass dieser sich über eine mögliche Eingliederung auch mit Nils A. austauschte. Dieser stellte dabei die Frage in den Raum, ob nicht auch „Der Dritte Weg“ eine Option sei, um sich woanders einzugliedern. R. entgegnet, dass er mit den Leuten zwar gute Erfahrungen gemacht hätte, diese aber nie mit anderen Gruppen zusammenarbeiten würden und daher letztlich „Deppen“ seien. Nils A. scheint zuzustimmen und meint „okay, Egoisten. Schauen wir mal in die JN rein“.

Auch mit Denis K. tauschte sich der Hauptangeklagte Leon R. hierzu aus und informiert diesen über die Veranstaltung am 15 Oktober 2021. Denis K. übersendet R. zu einem späteren Zeitpunkt ein Video, in dem er ein neu bemaltes Transparent präsentiert. Dieses trägt den Schriftzug: „Multikulti ist eine Lüge, werdet aktiv“ und ist mit dem JN-Logo versehen.

KO51und JN: Organisationsarbeit, Mitgliedsanträge, Kommunikation

Weiter habe Leon R. ein Gruppentreffen von KO51 mit deren Jugend und der JN organisiert. So kamen am 19. November 2021 erneut Männer aus der JN nach Eisenach. Bei diesem erneuten Treffen wurden unter anderem die organisatorischen Voraussetzungen einer Mitgliedschaft besprochen, die den Schwerpunkt der darauffolgenden Beweismittel bildeten.

So hatten sich alle zukünftigen Mitglieder den Messenger „Threema“ zu installieren und Mitgliedsanträge sollten ausgefüllt zurück übersandt werden. Eric K. war für die Organisation zuständig und hatte dafür sorgen, dass die Anträge eingereicht werden. Hierbei stand er Ende 2021 im engen Kontakt mit Christian S. von der JN, der sich allerdings eine „andere Antwortmoral“ von Eric K. wünschte. Der Prozess schien länger zu dauern als angedacht. Auch Leon R. äußerte sich Eric K. gegenüber frustriert und meinte im Januar 2022: „sieh zu, dass du das auf die Reihe bekommst“, er selbst habe mittlerweile „Kohle für die Anträge vorgestreckt“.

Am 20. November 2021 sollte es laut dem JN-Eisenach-Info-Channel eine Wanderung einiger KO51 Mitglieder mit JN-Menschen geben. Leonard W. habe hierzu eingeladen. Man wollte bei der Wartburg wandern und das Burschenschaftsdenkmal besuchen. In dieser Gruppe wurden verschiedene Lichtbilder geteilt, wobei ein Mitglied ein Foto versandt, bei dem mehrere Menschen, deren Gesichter durch Totenkopfbilder unkenntlich gemacht wurden, eine Reichsflagge mit Hakenkreuz präsentierten.

Führungskräfteausbildung bei der JN

Abseits davon wünschte die JN sich außerdem, dass einige Männer von KO51 bei der Führungskräfte Ausbildung 2022 teilnehmen. Eric K bestätigt, dass er selbst und Denis K. hierfür geeignet seien. Bei der Plattform „Threema“ entstand eine entsprechende Chatgruppe namens „FKA 2022“. Ein Vermerk hierzu wird verlesen, laut dem die Gruppenmitglieder per Textnachricht eine Packliste erhielten, die mit dem Gruß „heil euch“ abschloss.

Die JN übersandte KO51 außerdem ein Paket mit Vereinsmaterialien. In einem Chat zwischen Christian S. und Eric K. äußerte letzterer allerdings, dass das Paket „‘n bisschen [mau aussah]“ und ein paar Fahnen für „Propaganda Bilder“ schon gut wären. S. verweist darauf, dass auch die JN ihre Transparente selbst malen müsse. Er übersendet daraufhin ein Lichtbild, auf dem ein Transparent der JN zu sehen ist, mit der Aufschrift „Kampfsport statt Kiffen, deutsche Jugend bleibt sportlich“.

Christian S. stand allerdings auch im Kontakt mit Leon R. Er bat ihn darum, sich um eine Anfrage aus Erfurt zu kümmern, bei der zehn Männer, die „auch Kampfsport und sowas“ machen würden zu kümmern. Eric K. sollte sich mit diesen kurzschließen.

[TW: sexualisierte Gewalt]

In einem Gespräch mit Maximilian A. schwadronierte Leon R. außerdem über einen sexuellen Kontakt und äußert sich abfällig. Er möge es sie „grober anfassen“ zu können, „sodass sie überall blaue Flecken hat“. Während der Hauptangeklagte im Saal seinen eigenen Ausführungen zuhört, kann er sein Lachen kaum verkneifen und prustet laut los, als er sich selbst das Wort „Fickarsch“ sagen hört.

Die Verhandlung endete um 16.40 Uhr und sollte am Folgetag fortgesetzt werden.