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Knockout 51 - Prozess

50. Verhandlungstag – KO51 – 18.06.24

An Ende des Verhandlungstags wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Zuvor wurde in der Sitzung über letzte offene Beweisanträge entschieden, die eine Verkehrskontrolle betrafen, bei der mit Knockout51 in Verbindung gebrachten Aufkleber gefunden wurden, sowie den Waffenbau mit dem 3D-Drucker. Die aktualisierten Einträge der Angeklagten aus dem Bundeszentralregister wurden verlesen, woraus manche Angeklagte mit mehr, andere mit weniger Vorstrafen hervorgingen. Der Senat bekräftigte erneut seine Entscheidung, den Vorwurf der terroristischen Vereinigung gegen die Angeklagten nicht in Betracht zu ziehen.

Der Publikumsbereich war wieder spärlich gefüllt. Nur wenige kritische Beobachter:innen waren da. Auch zwei Personen, die in der Beweisaufnahme schon oft als enge Verbündete und Unterstützende der mutmaßlichen kriminellen Vereinigung Knockout51 auftauchten, saßen im Publikum: Ulrike E., die Mutter von Leon R., war in Begleitung von Eric R. da, auf dessen Stirn groß der Schriftzug „Hate Core“ prangt und der schon mehreren Angeklagten neonazistische Symbole tätowierte. Besagte verbotene Tattoos müssen die Angeklagten in der Verhandlung abgedeckt tragen. Auch als Zuschauer dabei war ein junger Rechter, der offen eine Kette mit der „Schwarzen Sonne“ trug und der auf Social Media bereits in Videos von einer Demo der ‚Jungen Alternative‘ in Gera durch rassistische Äußerungen und Zeigen des Hitlergrußes auffiel.

Der Vorsitzende Richter begann gleich damit, die noch offenen Beweisanträge, die die Anklagebehörde am vergangenen Verhandlungstag gestellt hatte, abzuarbeiten.

Defend Eisenach“-Aufkleber im Auto

Zu einer von zwei Eric K. betreffenden Verkehrskontrolle wollten die Vertreter der Bundesanwaltschaft des Polizeibeamten K. befragen und herausfinden, wer die Kontrolle des Angeklagten und seines Audis im Oktober 2021 in Eisenach durchgeführt hatte. Der Vorsitzende beließ es stattdessen bei der Verlesung einer Mitteilung, die ihm von der Polizeiinspektion Eisenach zugesandt wurde. Laut der Mitteilung sei die Verkehrskontrolle am 11. Oktober 2021 im Rahmen einer Objektschutzmaßnahme vorgenommen worden. Der parkende Wagen sei festgestellt worden, darin Eric K. in Begleitung seiner damaligen Partnerin Josephine O., die ihrerseits zu dem Zeitpunkt nicht polizeibekannt war. Eric K. hingegen sei am 27. August 2020 durch die Polizeiinspektion Pirna zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben worden und der „gewaltbereiten rechten Szene“ und „Knockout51 zuzuordnen“.

Bei der Kontrolle wurden der Polizeiinspektion zufolge in Eric K.s Kofferraum etwa fünfzig Aufkleber festgestellt und – im Gegensatz zu der Kontrolle etwa einen Monat zuvor – dieses Mal keine Waffen oder gefährlichen Gegenstände gefunden worden. Eric K. habe vor Ort angegeben, die Aufkleber nicht für die öffentliche Verwendung, sondern nur für „private Zwecke“ zu besitzen. Einen der Sticker mit der Aufschrift „Defend Eisenach“ und dem Motiv eines stilisierten Maschinengewehrs AK-47 habe er freiwillig an die Polizei übergeben. Dass jene Aufkleber höchstwahrscheinlich von Leon R. gestaltet worden waren, wurde am 22. Verhandlungstag bereits durch Chatverläufe nachvollziehbar. Den ursprünglich auf die Befragung des Polizisten K. abzielenden Antrag zog die Bundesanwaltschaft anschließend zurück, auch wenn Oberstaatsanwalt Dr. Piehl weiterhin kritisierte, dass in der Mitteilung nicht ersichtlich würde, wer Eric K. kontrolliert habe.

Gefundene Gegenstände für den Waffenbau

Ein weiterer Beweisantrag der Bundesanwaltschaft vom letzten Verhandlungstag bezog sich auf die Auffindesituation von 3D-Druck-Waffenbauteilen und Werkzeugen, mutmaßlich von Leon R.. Auch hier wurde statt der beantragten Befragung eines Polizeibeamten auf die Einführung eines polizeilichen Vermerks zurückgegriffen, der in Bild und Schrift dokumentiere, wie bei der Durchsuchung entsprechende Objekte in den Räumen von Ulrike E. aufgefunden wurden. Der schriftliche Vermerk wurde ins Selbstleseverfahren genommen, die Fotos wurden im Saal in Augenschein genommen, allerdings lediglich von den Prozessbeteiligten auf dem Tisch des Senats, nicht einsehbar für die Zuschauer:innen. Der Vermerk liege laut Vorsitzendem nur in Papierform, nicht digitalisiert vor, weshalb es nicht an die Leinwand projiziert werden könne. Im Schnelldurchlauf wurden die Bildunterschriften verlesen zu aufgefundenen 3D-Druck-Objekten, diversen Werkzeugen wie einer Feile, augenscheinlich mit Metallanhaftungen und der Screenshot einer Seite aus einer Bauanleitung.

Auch ein waffentechnisches Gutachten gab der Vorsitzende ins Selbstleseverfahren. Eigentlich hatte die Bundesanwaltschaft am vergangenen Verhandlungstag beantragt, einen Sachverständigen der kriminaltechnischen Abteilung des Bundeskriminalamts persönlich zu laden, um die besagten sichergestellten Asservate zu beurteilen.

Ein weiterer Beweisantrag auf Vernehmung eines waffentechnischen Sachverständigen, den die Bundesanwaltschaft heute erst noch nachreichte, wurde später nach der extra dafür verlängerten Mittagspause abgelehnt. Laut Vorsitzendem sei mit dem Sachverständigen das Beweisziel, dass die im Keller von Ulrike E. gefundenen Objekte der Herstellung einer bestimmten 3D-druckbaren Maschinenpistole gedient hätten, nicht erreichbar. Er könne bei der Untersuchung auf Werkzeugspuren allenfalls allgemeine Bekundungen machen, die aber keine Klarheit über die Zuordnung der 3D-Teile zum relevanten 3D-Drucker oder aber zu einem Bohrer geben könnten. Hinsichtlich festgestellter Bohrlöcher an Werkteilen sowie mehrerer Rohre und deren Zusammengehörigkeit und Material könnten sich lediglich Indizien, jedoch nichts von Beweiswert ergeben, da der Sachverständige hierzu schon in seinem Zwischenbericht nichts spezifisches habe feststellen können.

Getilgte Vorstrafen und ein gefälschter Impfpass

Der Senat hatte bereits am vorletzten Verhandlungstag die Einträge der Angeklagten aus dem Bundeszentralregister verlesen. Da diese jedoch noch auf dem Stand von 2023 waren, wurden aktuellere Auszüge mit Datum vom 10. Juni 2024 eingeholt. So ergaben sich ein paar Änderungen.

Neben Eric K. galt nun auch Maximilian A. als nicht vorbestraft, da seine zwei Einträge aufgrund von Tilgungsfristen inzwischen gelöscht wurden. Der Vorsitzende ging darauf ein, dass auch eine zuletzt noch eingetragene gefährliche Körperverletzung durch Maximilian A., bei der er gegenüber jemandem, der „Sieg Heil“ gerufen habe gewalttätig geworden sein soll, getilgt wurde. Richter Giebel merkte an, dass sich die Tat zwar nicht mehr negativ als Vorstrafe für Maximilian A.s Strafzumessung auswirken könne, allerdings durchaus noch positiv für die Beurteilung einer etwaigen Distanzierung von der rechten Szene einbezogen werden könne.

Bei Bastian Ad. blieb von sieben nur eine Eintragung wegen „Erschleichung von Leistungen“ übrig. Bei Leon R. kam zu seinen bereits bekannten Einträgen eine weitere Geldstrafe wegen eines gefälschten Impfausweises hinzu. Dem Urteil zufolge hatte Leon R. am 14. Januar 2022 in seiner Kneipe Bull’s Eye bei einer Polizeilikontrolle zum Nachweis des Impfstatus ein Impfbuch vorgelegt. Darin eingetragen waren angebliche Impfungen gegen Covid-19, was jedoch nicht der Wahrheit entsprach, da Leon R. zu keinem Zeitpunkt geimpft gewesen sei. Für den Straftatbestands des Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen, im Konkreten unrichtiger Gesundheitszeugnisse, wurde Leon R. zu einer Geldstrafe verurteilt. Die im ursprünglichen Strafbefehl festgesetzte Höhe der 90 Tagessätze von jeweils 30 Euro wurde vom Amtsgericht Eisenach auf 5 Euro und somit eine Strafzahlung von insgesamt 150 Euro gedrückt, welche vollständig bezahlt seien.

Vertreterin der Jugendgerichtshilfe wurde, wie angekündigt, von GBA nach Lebenspartnerin von Maximilian A. gefragt, der war dazu nichts bekannt. Ein schriftlicher Bericht der JGH wurde ins Selbstleseverfahren eingeführt.

Bundesanwaltschaft beharrt auf §129a

Im Anschluss beanstandete die Bundesanwaltschaft, dass der Vorsitzende am letzten Prozesstag ihrem Antrag auf Erteilung eines rechtlichen Hinweises an die Angeklagten abgelehnt hatte, dass auch der Vorwurf einer terroristischen Vereinigung nach § 129a StGB, nicht nur der einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StBG in Betracht käme. Oberstaatsanwalt Dr. Piehl kritisierte, dass der Vorsitzende keine Gründe für diese Entscheidung genannt habe. Der Vorsitzende entgegnete, dass er sehr wohl auf die vom Senat für die Haftaufhebung formulierten Gründe verwiesen habe.

Nach einer kurzen Unterbrechung folgte der Gerichtsbeschluss: Der Senat blieb dabei, keinen rechtlichen Hinweis zu erteilen. Dafür bestünde „nach wie vor kein Anlass“. Der Senat bekräftigte, dass die Gründe, die er in den Beschlüssen vom 4. April 2024 für die Haftaufhebung von Maximilian A., Bastian Ad. und Eric K. beziehungsweise für die Haftfortdauer von Leon R. dargelegt hatte, weiter zuträfen.

Der Vollständigkeit halber

Auch wies der Senat in dem Zuge per Gerichtsbeschluss die „Gegendarstellungen“ von der Bundesanwaltschaft hinsichtlich bereits zurückgewiesener Beweisanträge nochmals zurück. Ebenso zurückweisend positionierten die Richter*innen sich zu Darstellungen von Verteidiger Hohnstädter betreffend eines Antrag zur Telekommunikationsüberwachung. In beiden Fällen sah der Senat keinen Anlass zur Änderung der monierten Entscheidung.

Die Vertreter der Bundesanwaltschaft merkten an, dass ihnen noch etwas vom Bericht der Jugendgerichtshilfe fehle. Sie hätten noch eine offene Frage hinsichtlich der Lebensgefährtin von Maximilian A. und einer etwaigen gemeinsamen Wohnung. Die zuständige Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe erklärte kurzerhand, dass ihr dazu nichts bekannt sei, weder zum Namen der Partnerin, noch zu einer gemeinsamen Wohnsituation. Den schriftlichen Bericht der Jugendgerichtshilfe, welcher am Morgen gekommen war, übergab der Vorsitzende ins Selbstleseverfahren.

Beweisaufnahme geschlossen

Am Ende des Verhandlungstages zog der Vorsitzende Richter Giebel Bilanz: Aus Sicht des Senats sei man durch und habe alles, was offen war, aufgearbeitet. Nachdem auf Nachfrage auch von den Prozessbeteiligten keine Einwände kamen, schloss der Vorsitzende die Beweisaufnahme. Giebel stellte der Form halber fest, dass keine Verständigungsgespräche zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten im Sinne der Strafprozessordnung stattgefunden haben. Was zwar schon zu Beginn festgestellt worden war, gab er nun nochmals ausdrücklich zu Protokoll.

Dann sprach der Vorsitzende erneut das Reizthema des Termins für das Plädoyer der Bundesanwaltschaft an. Oberstaatsanwalt Dr. Piehl meinte, dass sie in der Vorbereitung seien und davon ausgehen, am 20. Juni plädieren zu können. Vermutlich würden sie den ganzen Verhandlungstag für ihren Schlussvortrag brauchen.

Zur weiteren Verhandlungsplanung erklärte der Vorsitzende, dass der Senat sich noch eine Woche zur Urteilsvorbereitung nehmen würde, falls am übernächsten Verhandlungstag dann bereits alle Verteidiger mit ihren Plädoyers durchkommen sollten. Somit könnten planmäßig am 24. Juni 2024 die Schlussvorträge der Verteidigung folgen. Am 1. Juli könnte dann das Urteil vom dritten Strafsenats am Thüringer Oberlandesgericht gesprochen werden.

Der womöglich vorvorletzte Verhandlungstag wurde gegen 14.15 Uhr geschlossen.