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Knockout 51 - Prozess

41. Verhandlungstag – KO51 – 29.04.2024

Am heutigen Prozesstag war wie immer die Mutter des Hauptangeklagten Ulrike E. sowie ihr männlicher Begleiter vor Ort. Während vier kritische Prozessbeobachterinnen im Publikum Platz nahmen, war der Verteidiger des Leon R., Rechtsanwalt Steffen Hammer – ehemals Liedsänger der nationalsozialistischen Rechtsrockband „Noie Werte“, an diesem Tag nicht zugegen.

Eric K.: Sieben Anzeigen laufen und Festnahme veranlasst

Zunächst wurde ein Gespräch vom 06.03.2022 zwischen Eric K. und seiner damaligen Partnerin nachholend eingeführt. In diesem Telefonat ist K. hörbar betrunken. Während seine Freundin hiervon nicht begeistert zu sein scheint, schweift K. im Gespräch ab und führt aus: „Ich hab‘ drei Runden mitgetrunken, an drei Tischen! Gegen mich laufen sieben Anzeigen! Sieben! Unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und Raub. Wann habe ich irgendwen ausgeraubt?! [Gelächter] Nein kann sein, dass das wegen des Gartens ist. Das ist ja Raub.“

Fortgefahren wurde mit einem Gespräch vom 14.02.2022 zwischen K. und einer weiteren weiblichen Person. Es geht dabei um eine bevorstehende Demonstration. Eric K. habe den Hinweis von Leon R. bekommen, dass der Polizeichef eine Festnahme gegen ihn veranlasst habe und er gesucht werde. Daher wolle er sich nur am Rande des Geschehens, in den anliegenden Gassen, aus einer beobachtenden Position beteiligen und wichtige Informationen teilen. Er führt dazu aus: „Polizeichef hat meine Festnahme veranlasst. Der hat in jedem Zug Bilder von mir verteilt wie ich unvermummt und vermummt aussehe. Ich hab‘ nämlich gestern hier Kumpel angerufen bzw. von Leon der Kontakt zur Polizei hat und der hat gemeint, der wurde angerufen (…) der hat gemeint sag Eric Bescheid, dass die Festnahme für ihn ausgestellt ist. Und weil wir den Bullen weggeboxt haben.“

Verfahrenssachen

Des Weiteren sollen die Urteilsgründe aus dem Antifa-Ost-Verfahren eingeführt werden, wie zuvor durch einen Beweisantrag veranlasst. Der Vorsitzende Richter bedankt sich bei Rechtsanwalt Hohnstädter, der über diese Dokumente bereits verfügt und sie dem Gericht bereitstellen wolle. Auch Rechtsanwalt Wölfel war an dem Verfahren bereits beteiligt.

Wie auch schon am 39. Verhandlungstag, wurde kurz das Besuchsrecht des Leon R. hinsichtlich seines Sohnes behandelt. Der Richter erkundigte sich nach dem aktuellen Stand – seines Wissens nach habe am 26.04. ein Treffen stattgefunden. Dies bestätigt Leon R. zwar, merkt aber an, dass ihm die Dauer eingekürzt wurde auf zwei anstatt wie vorgesehen drei Stunden. Auch wenn der Vorsitzende Richter diesbezüglich über kein Weisungsrecht verfüge, werde er sich noch einmal bei den zuständigen Beamten deswegen melden.

Angriff auf Rosaluxx-Eisenach

Anschließend wurden Polizeivermerke zu dem Angriff auf das Rosaluxx Büro in Eisenach vom 27.03.2022 eingeführt. So habe Eric K. am Folgetag der Angriffsnacht auf Facebook mehrfach nach Berichten über den Überfall gesucht. Außerdem wurde die ordnungsmäßige Aufnahme der Anzeige wegen Sachbeschädigung durch das Büro und der Einsatzbericht verlesen. Auch ein Instagram-Post von „Die Linke Eisenach“ zum Sachverhalt wird eingeführt sowie den Tatort zeigende Fotos.

Eric K. will „rumhitlern“

Laut der nächsten Fußnote sei Eric K. zwei Tage vor Sommerbeginn in provokant aggressiver Stimmung gewesen und habe „rumhitlern“ und sich schlagen wollen. Das zugeordnete Gespräch war akustisch sehr schlecht zu verstehen und konnte leider nicht vollends protokolliert werden. Er sagt jedoch zu seinem Gesprächspartner, Enrico K., „Ich will mich schlagen. Egal wer es ist, egal wie alt die sind. Einfach rein.“

Am frühen Morgen des 27.03.2022 ist es dann zu einem Angriff von Eric K. gemeinsam mit Denis K. auf den Nachbarn des Flieder Volkshauses gekommen. Eric K. fragt den Leon R. nach dem passenden Überwachungsvideo. Das Video zeigt, wie Eric K. in den Hinterhof stürmt, wo der Nachbar und eine Denise sich bereits streiten. K. schlägt unvermittelt auf den Geschädigten ein, vier Mal gegen den Kopf. Dabei ruft er: „Es reicht, reiß dich zusammen. Ich hab’s dir gesagt. Ich will nichts klären. Du stehst jetzt auf. Es gibt nichts mehr zu klären.“ Denis ergänzt: „Sag mir jetzt einfach, was dein Problem ist!“ Das Opfer liegt auf dem Boden und wir von den Tätern gemeinschaftlich weiter angegriffen. In der Folge erleidet dieser eine Gehirnerschütterung und diverse Schmerzen.

Das Überwachungsvideo besorgt K. sich zunächst von Leon R. und sendet es dann an den Komplizen Denis. Das Video scheint sich weiter verbreitet zu haben und erscheint letztlich auch bei Snapchat, so Eric K. in einem aufgenommenen Gespräch. Mehrere Personen scheinen im Besitz des Videos zu sein, was dem Angeklagten allerdings zu entsprechen scheint. Über die Tat sagt er später auch, dass er sich gefreut habe, wie der Geschädigte „wie eine Ziehharmonika zusammengeklappt sei.“ In einem späteren Gespräch macht Krempler außerdem deutlich, dass er zwar getrunken habe, er aber während des Schlages vollkommen klar gewesen sei.

3G im Flieder Volkshaus

Weiter führte die Beweisaufnahme mit Gesprächen zwischen Patrick Wieschke und Leon R. fort. Diese hatten sich im März 2022 wegen einer geplanten Veranstaltung im Flieder Volkshaus bezüglich der 3G-Regeln besprechen müssen. Die Auflagen stellten eine große Herausforderung dar, man müsse sich an diesem Tag aber in jedem Fall daran halten, da auch fremde/unbekannte Personen kommen würden. Die beiden unterhielten sich darüber, inwiefern man die Personen testen könnte und welche Kostenpunkte hiermit verbunden wären.

Geschädigter sagt vor dem OLG Dresden aus

Nach der Mittagspause wurden Chatnachrichten aus der Chatgruppe „Kiezalarm“ vorgelesen. Über bereits bekannte sowie unbekannte Personen der rechten Szene hinaus, war auch einer der Geschädigten Mitglied dieser Gruppe. In mehreren Nachrichtenverläufen zwischen Leon R. und anderen männlichen Personen, tauschen diese sich darüber aus, dass der Geschädigte vor dem Oberlandesgericht Dresden gegen KO51 ausgesagt habe. So schreibt Leon R.: „Klar, man erzählt dem Gericht einfach mal so, wo welcher Sportraum ist, ohne dass die es vorher wissen.“ In einem weiteren Chat werden Screenshots aus der Presse geteilt mit den Inhalten „Schlüsselmoment neues Hakenkreuz Tattoo“ und „Nachdem der Zeuge entlassen wurde erinnerte (…) die Oberstaatsanwaltschaft an ihre Pflicht wegen des Hakenkreuz Tattoos wegen § 86a StGB zu ermitteln.“ Der zuvor genannte Geschädigte habe dem Gericht von Leon R.‘s Hakenkreuztattoo erzählt. So schreibt dieser dazu: „Wie kommt der auf Keller und mein Tattoo, standen in keiner Akte.“

Des Weiteren wird sich in der bereits bekannten „Shitposting“ Chat-Gruppe sexistisch über die Freundin des Geschädigten ausgetauscht, die wesentlich daran beteiligt sei, dass dieser nun aussagt, so Bastian A.: „Der labert nur so Scheiße, weil der mit ner Zecke zusammen ist, die dumme Fotze“. Er merkt an, dass er im Übrigen nur zehn Minuten von dem Zeugen entfernt wohne. Es folgen misogyne Nachrichten über die erwähnte Frau, ihren Körper und sexuelle Verhältnisse.

Im April 2022 hätten sich laut Aufnahmen aus der Telekommunikationsüberwachung die besagte Freundin und Bastian A. verabredet, dem Geschädigten gemeinsam zu begegnen. In einem Gespräch zwischen Bastian A. und Leon R. meint A. hierzu im Beisein von der Frau: „Moin Atze, noch mehr Informationen (…) die Fresse vollgekriegt.“ Die Frau habe dem Bastian A. letztlich Fotos übersandt, welche die blutende und geschwollene Nase des Geschädigten zeigen.

29.08.2020, Berlin: Corona-Demonstration

Thematisch erfolgte an diesem Verhandlungstag nun ein Sprung in dem August 2020. In Berlin hatte am 29.08.2020 eine Corona-Demonstration stattgefunden. Im Vorhinein habe Leon R. in der Chatgruppe „Westthüringen“ hierfür geworben und gemeint, dass auch Verbündete aus Dortmund hinfahren würden. Es seien auch ehemalige Combat18-Mitglieder anwesend. Die Beweisaufnahmen der Telekommunikationsüberwachung zeigen Gespräche zwischen R. und diverse Leute, um die Fahrt nach Berlin zu organisieren. Hierfür habe R. auch eine gesonderte Chatgruppe namens „Koordination Berlin“ eingerichtet mit mindestens zehn Personen, darunter Ulrike E. und „ihre AfD Verschwörungsleute, so die Wortwahl des Leon R. in einem zuvor eingeführten Gesprächsverlauf.

Am Tag der Demonstration hätten sich Leon R., Bastian A. und Eric K. gemeinsam mit zwei ihrer Freundinnen auf den Weg nach Berlin gemacht. Die Gespräche drehen sich um Belangloses wie Bankdrücken und die Essensversorgung für die Autofahrt, über die Fahrtnavigation bis hin zu antisemitischen Sprüchen.

Unter anderem hatte Bastian A. hier gesagt, dass er „erstmal alles aufmischen“ werde und „das Wochenende in der Zelle“ verbringen würde.

Während der Demonstration beabsichtigten die drei Angeklagten zudem, entsprechende Twitter-Meldungen zur Demonstration sowie mögliche Aktivitäten antifaschistischer Menschen im Auge zu behalten: „Äh die zecken haben gerade gepostet, dass Faschos am Bundestag laufen und auch Gegendemo sein wird“, so Leon R.

Kurz vor der Ankunft koordinierten die Anreisenden sich mit entsprechend Verbündeten auf der Demonstration. So meint Leon R.: „Aber was ich gut finde, die Dortmunder arbeiten schon an nem Naziblock“, ansonsten handle es sich um eine „ekelhafte Bürgerdemo“. Noch während der Fahrt durch Berlin scheinen die Männer immer wieder aus dem Fenster heraus etwas über oder zu Passant*innen zu sagen, was im einzelnen allerdings aus Sicht der protokollierenden Person kaum eingeordnet werden kann. Die Männer reden durcheinander und es fallen Sätze wie „Hier laufen Leute mit Bechern und Zeitungen rum. Ihr müsst die als Nutten und asoziale Geschöpfe bezeichnen, das habe ich auch gemacht“, sowie diverse andere sexistische, transphobe Begriffe.

Das weitere Geschehen in Berlin wird anhand später aufgenommener Beweismittel eingeordnet. In einem Gespräch mit Marvin W. meint Leon R. im November: „In Berlin (…) War der beste Mob, den ich je gesehen habe. Baltic Corps, ehemalige Hooligans, KN, Köln, wir, 062 war da, Chemnitz und von denen nur die besten Leute. Beste Truppe, die ich je gesehen habe.“ Weiter erzählt er: „Kommen die Cops um die Ecke mit 50 Mann und ich seh noch, Kevin macht sich drüben schon bereit, ich mach mich bereit (…)“.

Als Teile der Versammlungsteilnehmer*innen die Botschaft der russischen Föderation passierten, sei es zu einem Aufeinandertreffen mit der Polizei gekommen. Auch als „Zecken“ bezeichnete Menschen seien dort gewesen. In einem Chat berichtet R., dass „Wutbürger“ das alles „gefilmt und in ihren scheiß Telegram-Kanälen verteilt“ hätten. R. sei in Polizeigewahrsam gelandet.

KO51 vermummt – werden für „Antifa“ gehalten

Im Folgenden werden diverse Videoaufnahmen gezeigt. Ein Video zeigt die Demonstration in Superzeitlupe und es ist zu erkennen, wie Bastian A., Leon R. und weitere sich vermummt unter die Versammlungsteilnehmer*innen gemischt haben. Kurze Zeit später kommt es zu einer Auseinandersetzung von einer der Personen mit einem Polizeibeamten. Das Video ist zudem von einer Beschriftung durchzogen: „Gewaltbereite Antifas greifen Polizisten an russischer Botschaft an“. Die Mitglieder von KO51 werden von dem Aufnehmenden dieses Videos für antifaschistische Aktivist*innen gehalten. In der Folge kommt es später auch zu einem Nachrichtenaustausch zwischen Leon R. und dem Verschwörungserzähler Attila Hildmann. R. beschwert sich unter anderem darüber, dass die „Jungs im Video keine Antifa“ seien und es nicht verdient hätten „so veröffentlicht zu werden“. Attila Hildmann schreibt: „Warum greifen deine Vollidioten Kameraden ohne Grund an (…)“. Von Leon R. wird später ein Bild veröffentlicht, welches ihn während seiner Festnahme im KO51 Pullover zeigt.

Es wird weiter ein durch die Polizei aufgenommenes Video gezeigt. Zu sehen ist, wie Polizeibeamte durch die Versammlung laufen und eine Person festnehmen, um diese anschließend durch die Menge hindurch mit sich zu ziehen. Eine männliche Person namens Yves A. aus der Reisegruppe KO51 vermummt sich, richtet sich auf und will zu einem Schlag gegen einen der Polizist*innen ausholen. Die Polizei zieht zunächst weiter, kommt dann aber zurück, um den Angreifer von KO51 wiederum mitzunehmen. Unmittelbar daneben steht Bastian A..

Nachdem Leon R. aus der Gefangenensammelstelle entlassen wurde, habe er sich mit seiner Partnerin, Kevin N. und Bastian A. auf den Heimweg gemacht. Während der Fahrt meldet sich allerdings der Festgenommene Yves A. aus der Polizeidienststelle Berlin Tempelhof und die Eisenacher beschließen diesen noch abzuholen: „Yves sucht und (…) Der ist im Tempelhof, der ist frei, ja wir fahren sofort zurück. Ruf Wieschke an und sag, dass er da ist. Die Zecken standen schon da. (…) Yves wo bist du, bleib da, warte (…) wir sind in zehn Minuten da.“

Auf der Rückreise redeten die Männer darüber, dass die Strafverfolgung durch ihre einheitliche Kleidung erschwert sein könnte. Das sollte man auch für die Zukunft so handhaben, so zumindest Leon R.: „Wenn wir Action gehen, wieder Basecap“.

Beweisanträge

Rechtsanwalt Wölfel meldete sich mit zwei Beweisanträgen zu Wort. Zunächst beantragt er das Urteil des Amtsgericht Tiergarten gegen des gesondert Verfolgte Kevin N. einzuführen. Zur Begründung führt er aus: „Da es sich bei N. um ein Mitglied der KO51 gehandelt haben soll und (…) in Berlin im rahmen der Vereinigungsaktivitäten einen breiten Raum einnimmt (…) ist die Frage, ob der N. überhaupt eine Straftat begangen hat, durchaus bedeutsam.“

Der zweite Beweisantrag zielt darauf ab die Tatsache in Augenschein zu nehmen, dass Leon R. zu dem erwähnte Yves A. nur sporadischen Kontakt habe. Der tätliche Angriff auf Polizeibeamte, der Letzterem durch seine Taten in Berlin am 29.08.2020 vorgeworfen wurde, werde KO51 zugerechnet. Wenn der Kontakt zwischen ihm und KO51 nun rein sporadischer Natur gewesen ist, „wäre der Zusammenhang demnach nicht bestehend“, so Wölfel.

Zuletzt wies der Vorsitzende Richter darauf hin, das die Urteilsgründe des Antifa-Ost-Verfahrens bis morgen zu verteilen seien (s.o.). Zudem werde versucht einen Polizeibeamten, gegen den aktuell auch wegen Geheimnisverrat ermittelt wird, für einen der kommenden Verhandlungstage zu laden.

Die Verhandlung sollte am nächsten Tag, den 30.04.2024 fortgeführt werden.