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Knockout 51 - Prozess

28. Verhandlungstag KO51 05.03.2024

Zu Beginn wurde nachträglich nochmal auf eine Chatgruppe „Eisenach Sicherheit“ eingegangen, die am letzten Prozesstag bereits Thema war. Diese soll dem Informieren über Beobachtungen linker Aktivitäten und Absprachen für etwaige gewaltsame Reaktionen gedient haben. In einem Chatverlauf aus Juni 2021 schrieben die Angeklagten Bastian Ad. und Leon R. sowie Robert S. und Steven A. über die von ihnen wahrgenommene Polizeipräsenz in Eisenach. Auch stellten sie anhand der Aufnahme einer Überwachungskamera fest, dass vor dem Flieder Volkshaus Polizei zu sehen gewesen sei.

Der vorsitzende Richter hob den bislang letzten angesetzten Verhandlungstag am 28. Mai 2024 auf, da beide Verteidiger von Leon R. wegen anderen gleichrangiger Gerichtsverfahren an dem Termin verhindert seien. Darüber hinaus kündigte er an, für den Monat Juni weitere Termine anzuberaumen und bat die Verteidigung, ihm ihre freien Termine bekanntzugeben.

Antrag auf soziologisches Gutachten

Anschließend beantragte Rechtsanwalt Urbanczyk (Verteidiger von Eric K.) die Vernehmung eines soziologischen Sachverständigen. Auslöser hierfür war ein Foto, das den Angeklagten Bastian Ad. auf einer rassistischen Demo in Eisenach zeigte. Die Bundesanwaltschaft wertete das auf dem Bild festgehaltene Posieren von Bastian Ad. in Knockout51-Kleidung als „Machtdemonstration“, was bereits am 25. Verhandlungstag zu Gegenrede der Verteidigung führte. In seinem Antrag breitete Urbanczyk dies weiter aus, hauptsächlich mit seiner These, dass eine „Mehrheit“ die Pose als harmlose „Blödelei“ lesen würde. Ein:e Sachverständige:r solle darum erklären, welche Faktoren es bei der Bewertung der Wirkung einer Person gibt. Einen weiten Bogen schlug der Verteidiger noch zu einem Urteil des Bundesverfassungsgericht von 1990, das sich auf den Eindruck von Polizist:innen mit Tätowierungen bezieht. Das sei auch auf die Wirkung von Bastian Ad. anwendbar.

Die Verteidiger der übrigen Angeklagten schlossen sich dem Antrag an. Die Bundesanwaltschaft, nahm Stellung dazu und wertete den Antrag als unzulässig, da es hier keine Grundlage für ein Sachverständigengutachten gäbe. Der Senat kündigte an, sich über den Antrag zu beraten.

Es folgte zum wiederholten Mal eine kurze rechtliche Diskussion über die Frage, ob Presse- und Internetquellen als „originäre Beweismittel“ zu betrachten und als Beweismittel vom Gericht einzuführen seien – dieses Mal zwischen dem vorsitzenden Richter und einem Vertreter der Bundesanwaltschaft, der erst zum zweiten Mal im Verfahren dabei war. Nach Austausch der Argumente lief es auf einen Beschluss des Senats hinaus, dass der Vorsitzende den Umfang der Beweisaufnahme bestimmen dürfe und die Verfahrensbeteiligten für weiteres Beweisanträge stellen könnten. Die Diskussion über die unterschiedlichen Rechtsauffassungen setzte sich über den Verhandlungstag noch weiter fort.

In einer kurzen Unterbrechung schmiss ein Justizbeamter eine Runde Kaugummis für die Angeklagten.

Zur Gewaltbereitschaft von Bastian Ad.

Daraufhin ging es weiter in der Beweisaufnahme. Mehrere Gespräche aus Überwachungsmaßnahmen im Jahr 2020 und 2021 wurden eingeführt, in der mutmaßliche Knockout51-Mitglieder über Bastian Ad. und ihre Einschätzung von ihm sprachen. In einem überwachten Gespräch in Leon R.s Auto äußerten dieser und Kevin N. ihre Einigkeit darüber, dass Ad. „echt wichtig“ sei. Kurz zuvor hatten sie offenbar mit Bastian Ad. an dessen Zuhause abgesetzt, nachdem sie darüber geredet hatten, ob sie mal aus dem Fenster schießen wollen. Kurz nachdem Ad. das Auto verlassen hatte, war ein lauter Schuss zu hören. Die Verteidigung stellte die Ernsthaftigkeit der Äußerungen von Leon R. und Kevin N. und den Zusammenhang mit Knockout51 infrage.

In einem anderen Gespräch Gegenüber Marvin W. charakterisierte Leon R. in einem Gespräch Bastian Ad. als jemanden, den er für alle „Spezialfälle“ einsetzen würde, da er diesen als überdurchschnittlich angst- und schmerzbefreit wahrnahm, was auch Marvin W. bestätigte. Dazu nannte Leon R. beispielhaft Situationen, in denen sich Bastian Ad. gegenüber Polizei und gegenüber rassifizierten Personen äußerst gewaltbereit verhalten habe. In einem Fall habe er mit einem Stein in der Hand Menschen mit tödlicher Gewalt gedroht. Der gesondert Verfolgte Maximilian H. meinte, dass man Ad. „bewaffnet auf alles loslassen“ könne.

Bewaffnung bei Knockout51

Im Anschluss ging es darum, inwiefern sich Knockout51 bewaffnete. In einem Chatverlauf Mitte Januar 2021 berichtete eine Person gegenüber Leon R., von einem Überfall durch Linke betroffen gewesen zu sein. Hierbei berichtete jene Person auch von Versuchen, die Täter:innen ausfindig zu machen, jedoch möglichst ohne die Aufmerksamkeit der Ermittlungsbehörden auf sich zu ziehen. Leon R. sagte in einer Sprachnachricht, dass bei ihnen Leute angehalten wären, Waffen zu tragen, so zum Beispiel Messer oder Pfefferspray.

Auch trage Leon R. laut eigener Aussage „an 365 Tagen im Jahr ein Messer“ bei sich, wie er in einem Gespräch mit Lara T. im August 2021 betonte. Weiter habe „jeder von uns“ eigentlich immer ein Messer dabei, wobei er Bastian Ad. und „Max“ nennt. Auch äußerte Leon R., dass ihm die höhere „Eskalationsstufe“ eines Messer in einer Auseinandersetzung bewusst sei – man müsse sich sicher sein, es einsetzen zu können. Ergänzend dazu wurden Fotos aus einem Observationsbericht von März 2021 eingeführt, die Leon R. augenscheinlich mit einem am Hosenbund befestigten Messer zeigen.

Das Thema nutzte Leon R.s Verteidiger für ausschweifende Erzählungen über linke kriminelle Vereinigungen und führte aus, warum die Bewaffnung nichts mit Knockout51 zu tun habe, sondern lediglich mit „Notwehrrecht“, und der „Unfähigkeit der staatlichen Organe, für die Sicherheit der Individuen“ – also der Neonazis in Eisenach – zu sorgen.

Auch die Bewaffnung anderer mutmaßlicher Mitglieder von Knockout51 wurde thematisiert: So schickte der gesondert Verfolgte Nils A. an Marc B. ein Bild von einem großen Messer und einer Axt mit dem Text „Zecken können kommen“. In einem Gespräch Ende Januar 2021 tauschten sich Leon R. und Maximilian A. darüber aus, wie sie mit Schlafproblemen umgingen. Leon R. äußerte, sich Zuhause am Bett eine Machete bereit gelegt zu haben, Maximilian A. Schlagstock, Messer oder andere Waffen. Auch statteten beide laut eigenen Aussagen ihre Autos gründlich mit Waffen aus, darunter Hämmer, Axt und Messer.

Ende März 2020 erwarb Leon R. einen Compoundbogen. Hierzu wurden Chatverläufe zwischen ihm und dem gesondert Verfolgten Marc B. verlesen. Leon R. schickte ihm Screenshots von Bestell- und Versandbestätigung des Waffenvertriebs Frankonia und einige Tage später Fotos von dem eingetroffenen Bogen. Im Chat tauschten sie sich dazu aus und Marc B. belehrte Leon R. zum Umgang mit dem Bogen. Laut Anklage habe Leon R. ihn zusammen mit Marc B. ausprobiert. So lud Marc B. ein, zusammen im Wald „bei meinem Vater rum[zu]ballern“. Ende April schickte Leon R. erneut Screenshots von einer Bestellbestätigung für weiteres Zubehör für den Bogen.

Schulung im Flieder Volkshaus

Am Mittag des 12. Juni 2021 fand im Flieder Volkshaus eine Veranstaltung mit einem Vortrag von Patrick Wieschke und Leon R. statt, bei dem dieser laut Anklage über Verhalten bei Angriffen durch Linke und über Waffen, so auch über Unterschiede legaler und illegaler Waffen referierte. Mehrere Telefonate dokumentierten, wie Leon R. hierfür bei anderen Angeklagten und Beschuldigten verschiedene Waffen als Anschauungsobjekte für die Veranstaltung anfragte – so bei Bastian Ad. eine Schreckschusswaffe und einen Schlagstock, bei Maximilian A. einen Teleskopschlagstock. Initiativ schlug Maximilian A. noch vor, seinen Schlagring mitzubringen. In dem Telefonat mit Bastian Ad. wies Leon R. auf seine Vermutung hin, dass sein Mobiltelefon überwacht werde, und anschließend überbetont auf die rechtlich korrekte Lagerung und Transport der Waffe.

Mehrere Fotos aus einem Chat von Leon R. und Marvin W. zeigten die besagte Veranstaltung im Flieder Volkshaus, bei der etwa dreißig Personen gewesen seien. Zu sehen waren auf den von Marvin W. angefertigten Fotos neben den Vortragenden Leon R. und Wieschke auch Maximilian A., Nils A. und Bastian Ad. und Leon R.s Mutter Ulrike E. im Publikum. Auch zu erkennen war ein Tapeziertisch, auf dem diverse Waffen lagen, darunter Hammer, Beil, Messer, Machete, Teleskopschlagstock, Pfefferspray, Compoundbogen und eine Pistole mit Magazin in einem Waffenkoffer.


Laut Kommentar im Polizeivermerk ließe das Bild keine Rückschlüsse zu, ob die Pistole eine Softair, Schreckschuss- oder richtige Schusswaffe sei. Laut Vermerk handelte es sich bei dem abgebildeten Bogen womöglich um jenen, welchen Leon R. online bestellt hatte. Am Tag der Veranstaltung habe Leon R. gegenüber Wieschke zu verstehen gegeben, dass niemand den Bogen anfassen dürfte, das dies gefährlich sei. Auch bei dem Pfefferspray, dem Teleskopschlagstock und der Machete könne es sich laut Polizei um die Gegenstände handeln, die bei den Durchsuchungen sichergestellt wurden. Auch der gesondert Verfolgte Maximilian H. habe nach Rücksprache mit Leon R. seine „Knarre“ an diesem Tag nach Eisenach mitbringen wollen. Hierzu wurde ein kurzes Gespräch der beiden eingeführt.

Der Verhandlungstag wurde gegen 14 Uhr geschlossen. Am Montag, den 11. März 2024 soll es weitergehen.