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Knockout 51 - Prozess

27. Verhandlungstag KO51 04.03.2024

Am 27.Verhandlungstag wurde einerseits das gewalttätige Auftreten von „Knockout 51“ bei Corona-Protesten in Eisenach beleuchtet. Im weiteren Verlauf wurden bereits erste Thesen zu einer Ausrichtung von KO51 hin zu Tötungsabsichten behandelt. In diesem Zusammenhang wurden auch mutmaßliche Überfälle auf Leon R. und ein Objekt der Vereinigung thematisierst.

Entscheidung vertagt

Zunächst wurde auf den Antrag des Vertreters der Generalbundesanwaltschaft (GBA) vom 20.02. Bezug genommen. Dieser forderte eine erneute Prüfung einer möglichen Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Der Richter erwiderte, dass ein entsprechender Hinweis derzeit nicht erteilt werde, da für den Senat weiterhin kein hinreichender Tatverdacht erkennbar sei. So hätten sie sich bereits in zwei Beschlüssen ausführlich mit der Frage der terroristischen Vereinigung ausgesetzt und diese verneint.

Der Vertreter des GBA erkundigte sich daraufhin, ob dies prozessual einer Ablehnung seines Antrags entsprechen würde. Der Richter stellte dies zunächst zurück und ergänzte später, dass eine förmliche Entscheidung noch nicht getroffen sei. Allerdings gelte weiterhin zunächst die Rechtsauffassung des Senats, wonach KO51 voraussichtlich nur eine kriminelle Vereinigung sei. Eine vorläufige Entscheidung bzgl. des Vorwurfs der terroristischen Vereinigung kann im April erwartet werden. Dann jährt sich die U-Haft der Angeklagten zum zweiten Mal, sodass eine erneute Haftprüfung stattfinden wird.

Querdenker-Demos der Jugend

Der erste Schwerpunkt des Verhandlungstages drehte sich um Eric K. und dessen Agieren als Organisator der „Montagsspaziergänge“. Dabei geht die Anklage davon aus, dass die Mitglieder der „Jugend“ auf den Umgang mit polizeilichen Maßnahmen vorbereitet wurden. Als Beleg gilt ein Telefonat zwischen Eric K. und der gesondert verfolgten Lara T. aus dem Dezember 2021. Die Taktik sei dabei, dass Personen hinter der Frontreihe der Demo einen „Block um die Polizei [bilden] sollen“. Hierdurch soll es den vorderen Leuten mit dem Transparent „Wir sind die rote Linie“ ermöglicht werden, über einen Durchgang in der Mitte in der Menschenmenge zu verschwinden. Dabei versuchten die beiden, möglichst viele Leute als „Schutzblock“ zu gewinnen. Lara T. bezeichnete diesen Plan als „perfektes Ding“ und warnte vor einer „Gruppe Zecken“ am Karlsplatz.

Auch involviert in diese Pläne für die Anti-Corona-Demos war offensichtlich die Mutter von Leon R. und zugleich gesondert verfolgte Ulrike E. In einem Telefonat mit Eric K. nannte diese eine Adresse, wo sich Demonstrant:innen notfalls verstecken könnten. Gleichzeitig war sie auch in Absprachen für die Demo-Transparente miteingebunden. Eric K. erkundigte sich außerdem bei ihr nach einer Walkie-Talkie-App und einem geeigneten Headset. Gleichzeitig befürchtete sie Konfrontationen durch anwesende Polizeikräfte. Ihre Leute seien dann entschlossen, Gegenwehr zu zeigen, entgegnete Eric K.

Eric K. fasste die Demo-Taktik wie folgt zusammen: „Erste Reihe prügelt sich nicht, die erste Reihe haut mit dem Transparent ab und zweite bis vierte Reihe prügelt sich und geht nach vorne“. Er befürchtete auch, im Visier der Polizei zu stehen, weshalb sich die „Jugend“ erst zu einem späteren Zeitpunkt der Demo der mit dem Transparent anschließen, dann aber die Demo anführen solle. Um eine Identifizierung zu vermeiden, wurden außerdem Sturmmasken genutzt.

Wir sind keine Demokraten

Nach einer Demo am 28.11.21 schilderte Eric K. gegenüber Leon R. seine Erlebnisse. Eindrucksvoll schilderte er, wie er angeblich von acht Polizisten durch den Wald verfolgt worden sei. Insgesamt seien bei der Demo 30 Leute gewesen, die Polizei hätte sich dabei ausschließlich auf die „Jugend“ fokussiert. Zudem hätten sie sich über die Meinung älterer Demoteilnehmer:innen hinweggesetzt und versucht, „rumzubrüllen und Action zu machen“. Dies sei auch „medienwirksamer als mit paar Rentnern durch die Innenstadt [zu] laufen“. Daraufhin attestierte Leon R. auch seiner Mutter „null politische Erfahrung“.

Anschließend wurde angeregt, künftig schon mit dem Demoaufzug vor 18 Uhr zu starten, um dadurch polizeiliche Kessel zu vermeiden. Für Unterhaltung sorgte dann noch die Schilderung eines Demoteilnehmers, der seinen Ausweis bei einer polizeilichen Kontrolle abgegeben habe, anschließend weggerannt sei, um 30 Minuten später zu fragen, ob er den Ausweis wieder zurückhaben könne. Dies echauffierte Eric K. aufgrund seiner Anweisung „Lasst Ausweise daheim, keine Aussagen“. Schließlich seien sie „keine Demokraten“ und man müsse sich an die Vorgaben der Führungspersonen halten.

Unterstützung durch Gothaer Nazis und Späher

Zwischen November 2021 und Februar 2022 Spaziergänge sollen die Spaziergänge außerdem von Mitgliedern einer befreundeten nationalsozialistischen Gruppe aus Gotha unterstützt worden sein, die zudem Pfefferspray mit sich führten. Mit dieser Gruppe hat es auch insgesamt eine Koordination sowie gemeinsame Trainingseinheiten gegeben (ausführlicher hierzu: https://prozessdoku-thueringen.de/2024/03/12/19-prozesstag-ko51-22-01-2024/)

Laut Rechtsanwalt Urbanczyk sei anhand der eingeführten Beweismittel vielmehr ersichtlich, dass die Gruppe selbst keine Gewalt anzetteln, sondern nur auf polizeiliche Aggressionen reagieren wollte. Hohnstädter zog Parallelen zwischen der „absoluten Ausnahmesituation“ während der Pandemie in Deutschland und Grundrechtseinschränkungen in China. Außerdem hätte sich laut ihm Eric K. nur „vorm R. wichtig gemacht“ und seine Schilderungen seien erfunden. Ohnehin habe die Struktur der „Jugend“ nichts mit KO51 zu tun und die ganze Beweisführung sei eine „faule Rosine“.

Für eine gewisse Professionalität der Jugendgruppe um Eric K. soll auch der Einsatz von Spähern vor Demonstrationen sprechen. So hat er beispielsweise mit dem gesondert verfolgten Florian O. Infos dahingehend ausgetauscht, mit welchem Personal die Polizei gerade vor Ort sei. Hierfür eingesetzte Späher seien demnach auch der Bereitschaftspolizei hinterhergefahren. Außerdem sollen Hotelbetreiber nach Buchungen gefragt worden seien. Auch Ulrike E. hielt Eric K. dabei auf dem aktuellen Stand. Bei der Planung der Demorouten wurde außerdem berücksichtigt, bei welchen Strecken die Formung eines Polizeikessels möglichst schwer umsetzbar sei.

Rekrutierung neuer Mitglieder

Anschließend soll Eric K. noch durch eine medienwirksame Verbreitung von Bildern und Videos versucht, neue Mitglieder zu rekrutieren. Dabei wurde auf die Chatgruppe „JN Gebietsverband Mitte“ Bezug genommen. K. postete hierbei beispielsweise ein Lichtbild unter dem Slogan „Du bist mehr wert als ein Luca-Code – JN unterstützt Corona-Proteste in Eisenach“. In diese Gruppe wurden auch etliche Termine für den Gebietsverband veröffentlicht, beispielsweise der „Trauermarsch“ in Dresden.

Anschließend nahm auch der Vertreter des JN-Stützpunkts Berlin-Brandenburg „Stefan“ mit Eric K. Kontakt auf. Dabei wurden Interessierte aus dem Thüringer Raum so an Eric K. weitergeleitet. Dem Chat zufolge meldeten sich auch drei Personen aus Thüringen zwischen 16 und 21 Jahren. Eric K. berichtete zudem, dass sie mit „Kontrakultur Erfurt“ zusammenarbeiten würden. Im Hinblick auf die Erfurter Neonazigruppe nannte Eric K. einen „ehemaligen Kamerad[en] aus Eisenach, der nach Erfurt gezogen“ ist. Gemeint ist dabei offensichtlich Kevin N. Laut K. hätte Kontrakultur Erfurt keine Berührungspunkte mit der NPD und würde sich nur aufgrund der Nähe zu Unis bei der Identitären Bewegung eingliedern.

Rechtsanwalt Urbanczyk kritisierte im Anschluss, dass es bzgl. der Rekrutierungsversuche lediglich um die JN (Jugendverband der NPD) gehe und demnach kein Bezug zu KO51 ersichtlich sei.

Rückgriff auf „Antifa-Ost“-Verfahren

In den Vordergrund rückten dann etwaige Bezüge zu mutmaßlichen Angriffen auf die Eisenacher Rechtsextremisten-Kneipe Bull’s Eye. Zunächst wurde ein aufgezeichnetes Interview in Form eines Telefonats eingeführt, wo Leon R. durch einen rechts ausgerichteten „Journalisten“ befragt wurde. Dabei erzählte R. beispielsweise, dass er bei einem Angriff auf seine Person „zufällig“ ein Messer zur Verteidigung einstecken hatte und sich so verteidigen konnte. Als daran anschließend die Frage aufkam, wieso er als Zielscheibe auserwählt wurde, erklärte er dies mit 100 aktiven Rechten und den „Riesenwahlerfolgen“ der NPD in Eisenach. Zudem würden sie über Burschenschaften und Szeneobjekte verfügen, so Leon R. weiter. Die Gaststätte sei zwar kein Treffpunkt der Szene, zu möglichen Konzerten im Bull’s Eye wollte er sich aber explizit nicht äußern. Essenziell seien für ihn die vorhandenen Rückzugsräume, starke Infrastrukturen sowie „rechte Unternehmen“. Im Gegensatz zu „Antifas“ würden sie auch über starken Rückhalt in der Bevölkerung verfügen. Im Übrigen schilderte er die mutmaßlichen Angriffe gegen seine Person, die bereits Gegenstand des „Antifa-Ost“-Verfahrens waren.

Relevant sind diese Vorgänge für das Gerichtsverfahren, da laut der Anklageschrift die Durchführung von Überfällen aus dem linken Spektrum zu einem Wandel in der Ausrichtung von KO51 geführt haben soll. Das Gericht zog deshalb auch in Erwägung, das bislang nicht rechtskräftige Urteil des OLG Dresden einzuführen. Anwalt Hohnstädter kam in den Sinn, Johannes D. als Zeugen zu laden, der sich als „Kronzeuge“ im Zusammenhang mit mutmaßlichen Angriffen in Eisenach einen Namen gemacht hat. Der Vorsitzende stellte jedoch klar, dass isolierte Aussagen einzelner Personen sinnlos seien und er damit nicht arbeiten werde.

Reaktionen der Szene

Anhand Chats der „Gruppe Westthüringen“ wurde danach präsentiert, wie KO51-Mitglieder auf den mutmaßlichen Angriff vom 14. Dezember 2019 reagiert haben. In der Folge forderte Leon R. sofort ein Auto aufgrund erlittener Verletzungen an. Darauf forderte Leon R. eindringlich, „niemals ohne Messer vor die Tür [zu gehen]“. Kevin N. antwortete darauf, dass Stiche legitim seien. „Ob legitim oder nicht, ist egal“, so R. im Anschluss. Dieser Chat lässt gleichzeitig die von Leon R. präsentierte Version des „zufälligen Messer“ für unglaubhaft erscheinen. Gleichzeitig kündigte er an, bei zukünftigen Treffen der Gruppe auch Reaktionstrainings anzubieten.

Hinsichtlich eines Buttersäure-Anschlags, der sich am 11. Januar 2021 ereignet haben soll, wurde anschließend ein Bekennerschreiben von der Indymedia-Plattform eingeführt. Leon R. und Maximilian A. stellten anschließend fest, dass es „Gold wert [wäre], herauszufinden, wer da dahintersteckt.“ A. hatte hierfür auch Kontakt zu einer Person, von der er sich hilfreiche Informationen erhoffte und stellte weitere Recherchen an.

Auch wenn bei dem Buttersäure-Anschlag lediglich ein Sachschaden festgestellt wurde, rief diese Aktion trotzdem in der rechten Szene eine hohe Aufmerksamkeit hervor. Hierfür spricht auch eine hohe Spendenbereitschaft zugunsten Leon R.‘s. Letzterem lässt sich in der Folge auch folgendes Zitat zuordnen: „Putativnotwehr und auf alles drauf gehen. Zecken haben nur Erfolg, weil wir nicht mit hohem Maß auf Gewalt reagieren.“

Leon R. und seine Mutter waren sich bei einem Gespräch am 8. April 2021 auch darin einig, dass bei Brandanschlägen in Schmölln, Ronneburg und Sonneberg Menschenleben in Kauf genommen wurden. Ulrike E. zog Parallelen zur „alten RAF“, während Leon R. dem mangels eines „revolutionären Charakters“ widersprach. Zudem diskutierten beide über mögliche Sicherungsmaßnahmen für das Bull’s Eye.

Tödliche Gewaltausrichtung?

Neben der Vorgabe, stets ein Messer bei sich zu tragen, betrifft eine weitere These auch die verstärkte Bewaffnung der Gruppe. Auslöser war nach einem Chat ein gesichtetes „linkes Fahrzeug“. Leon R. forderte darauf „erhöhte Aufmerksamkeit“ und entsprechende Konzepte ein. Er selbst würde sich mit Macheten und Äxten ausstatten. Maximilian A. erwiderte, er „lege einen um, wenn sie nochmal was versuchen“.

Nachdem Maximilian A. davon ausging, am 10. April 2020 ein auffälliges, vollbesetztes Auto mit Jenaer Kennzeichen in der Eisenacher Weststadt gesichtet zu haben, forderte er nochmals, nur bewaffnet vor die Türe zu treten und zu „tun, was getan werden soll“. Dass hieraus ein Tötungswille hervorgehe, bestritt der Vorsitzende allerdings, da A. in diesem Chat auch von Strafraten abriet. Der Vertreter des GBA lehnte eine Stellungnahme ab, aber betonte, dass aus ihrer Sicht ohnehin erst ab einem späteren Zeitpunkt eine terroristische Vereinigung gegeben sei.

Thema war dann noch die WhatsApp-Gruppe „Eisenach Sicherheit“, wo unter anderem führende KO51-Mitglieder eingeschrieben waren. Ziel der Gruppe sei die Aufklärung „linker Agitationen“ sowie die Sicherstellung gegenseitiger Hilfe gewesen. Nachdem auch Bastian Ad. am 29. Mai 2021 der Gruppe beitrat und sich nach dem Gruppenzweck erkundigte, äußerte er danach, dass er linksgerichtete Personen mit einer Machete „kaputtmache“.

Abschließend wurde noch ein Gespräch zwischen Bastian Ad. und Leon R. eingeführt, als sie an dem „RosaLuxx“, einem Wahlkreisbüro der Linkspartei in Eisenach, vorbeigefahren sind. Dabei tauschten beide ihre Gewaltfantasien über eine anwesende Person aus. Der Dialog dokumentiert die aggressive und antisemitische Haltung der Angeklagten und wird in voller Gänze in der Anklageschrift zitiert.

Die Verhandlung wird am 05. März fortgesetzt.