Kategorien
Knockout 51 - Prozess

12. Verhandlungstag KO51 19.12.2023

Am 19.12.2023 (dem ersten von drei im Dezember aufeinanderfolgenden Verhandlungstagen) teilte der Vorsitzende Richter Giebel zunächst einige organisatorische Aspekte mit. Einerseits wird angesichts der ergangenen Haftbefehle gegen die gesondert verfolgten Patrick Wieschke, Kevin N. und Marvin W. nicht beabsichtigt, spezielle Beweiserhebungen vorzunehmen. Auch die drei Männer werden vom Generalbundesanwalt als Mitglieder bzw. Unterstützer einer rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung angesehen. Aus Sicht des Gerichts ist die bloße Tatsache, dass sich auch dieses Verfahren um „Knockout-51“ dreht, für das hiesige Verfahren nicht bedeutsam. So gäbe es auch keine Anhaltspunkte für ein konspiratives Wirken der Angeklagten aus der Untersuchungshaft. Außerdem sei es mittlerweile gelungen, die akustischen Beweismittel aus den Überwachungsmaßnahmen und die gesicherten Smartphone-Daten zu komprimieren, sodass diese nun den Anwälten auf Speichergeräten zur Verfügung gestellt werden können. 

Im Anschluss begründete Rechtsanwalt Wölfel den Verwertungswiderspruch der Verteidigung Leon R.s gegen die Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ). Nach § 100a StPO setzt eine solche Überwachungsmaßnahme einen Tatverdacht hinsichtlich einer schweren Straftat voraus. Eine solche Straftat ist beispielsweise die Mitgliedschaft in einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (§ 129 StGB bzw. § 129a StGB). Vor diesem Hintergrund ist zu erwähnen, dass sich bereits im Jahr 2019 Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft gegen Leon R. richteten, damals noch im Komplex um die Gruppierung „Atomwaffen Division Deutschland“ (AWDD). Diese stellt den deutschen Ableger einer in den USA gegründeten rechtsextremistischen Gruppierung dar. Dabei gab es auch gegen Leon R. TKÜ-Maßnahmen, deren Erkenntnisse in diesem Verfahren verwendet werden sollen.

Wölfel argumentierte, dass zum Zeitpunkt des TKÜ-Beschlusses kein Tatverdacht gegen R. bzgl. einer Mitgliedschaft bei AWDD vorläge. So hätte lediglich ein „anonymer linker Aktivist“ einen Hinweis für das Agieren von Leon R. unter dem Pseudonym „Antidemokrat“ erteilt, was laut Wölfel keine hinreichende Datenbasis für einen Tatverdacht darstelle. Laut ihm seien die Maßnahmen der Bundesanwaltschaft folglich „völlig willkürlich“ und die Erkenntnisse hieraus nicht verwertbar. Die anderen Verteidiger schlossen sich dem an, von „irgendeinem linken Geschmier im Internet“ war die Rede. Die Vertreter des Generalbundesanwalts traten dem entgegen. Ein Beweisverwertungsverbot stelle eine absolute Ausnahme dar. Eine grobe Fehlerhaftigkeit der Überwachungsmaßnahme sei hier aber nicht erkennbar. Zudem hätte es Wölfel bereits versäumt, darzulegen, wieso auch die anschließenden richterlichen Beschlüsse zur Überwachung der Beschuldigten rechtswidrig seien, indem er sich nur auf den ersten Beschluss im Zusammenhang mit AWDD beschränkt hatte. Das Gericht wollte sich anschließend die notwendige Zeit für eine Entscheidung nehmen und machte kein Geheimnis daraus, dass der Tatverdacht mit der Frage der Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus den Überwachungsmaßnahmen stehe und falle. 

Doch auch als die Verhandlung um 14 Uhr fortgesetzt wurde, blieb die erwartete Entscheidung des Senats zunächst aus. Aufgrund schwierigerer Rechtsfragen sei die Sache heute noch nicht entscheidungsreif, so Richter Giebel. Letztlich wurde das Ganze auf den morgigen Verhandlungstermin vertagt. Insgesamt verfolgten zwei Unterstützerinnen und 18 kritische Prozessbeobachter:innen den heutigen Verhandlungstag.