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Knockout 51 - Prozess

8. Verhandlungstag KO51 25.10.23

Am 8. Verhandlungstag zeichnete sich das übliche Bild im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts ab. Während einerseits die üblichen Neonazis im Zuschauerbereich Platz nahmen, wurde der Rest des fast gefüllten Gerichtssaals durch kritische Prozessbeobachter:innen besetzt. Gleichzeitig ist auch erkennbar, dass das mediale Interesse stark abgenommen hat. Inhaltlich drehte es sich vor allem um Gewaltdelikte, die Eric K. zugerechnet werden. Die Bundesanwaltschaft bezichtigt ihn unter anderem mehrfacher gefährlicher Körperverletzungen und geht davon aus, dass er auch die „Anwärtergruppe“ von „Knockout-51“ geleitet habe.

Erste Zeugin verweigert die Aussage

Die geplanten Vernehmungen von Zeug:innen begannen auch heute schleppend. Zunächst sollte eine 20-jährige Servicekraft aus Eisenach zu zwei Taten Aussagen tätigen. Hinsichtlich des Überfalls während einer privaten Feier in einer Garage in Eisenach würde wie bei etlichen vorherigen Zeug:innen ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht aufgrund der damaligen Corona-Verordnungen greifen, so der Richter. Zwar sei sie bei der Silvesternacht 2021/22 selbst nicht vor Ort gewesen, sondern hätte nach eigener Aussage an einer anderen Feier mit nur sieben Leuten teilgenommen. Dies könne zur damaligen Zeit aber auch eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Letztlich beschränkte sich auch diese Zeugin darauf, zu sagen, dass sie nichts sagen möchte.

Zweiter Zeuge: In die Falle gelockt 

Nach der Feststellung des Senats, dass der folgende Zeuge aussagen müsse, wurde dieser nach einer kurzen Unterbrechung zu einem Vorfall vom 16.03.2022 vernommen. Die Anklage geht dabei davon aus, dass Eric K. gemeinsam mit anderen Mitgliedern seiner „Jugendgruppe“ auf ihn einschlug, um eine Beleidigung gegenüber einer Anhängerin von „Knockout-51“ zu vergelten, die auf deren mögliche Zugehörigkeit zu der militanten Neonazigruppe abzielte. Auch diese Tat soll sich bei der Werner-Aßmann-Halle in Eisenach zugetragen haben. Der Zeuge gab hierzu zunächst an, dass er sich an dem besagten Abend mit einer Bekannten an der Sporthalle treffen wollte, um von ihr Ratschläge für eine Streitigkeit mit seiner Freundin zu erhalten. Dort hätte sie auch mit zwei Freundinnen bereits auf ihn gewartet. Als sie sich aber dann auf eine Bank in der Nähe setzen wollten und er vorgelaufen sei, sei er plötzlich und unvermittelt von drei maskierten Personen mit Pfefferspray angegriffen worden und hätte einen Schlag gegen den Kiefer erhalten. Anschließend seien die Täter weggerannt. Zusammengefasst sei das eingefädelte Treffen durch die Bekannte und mutmaßliche „Knockout-51“ Unterstützerin nur initiiert werden, um den körperlichen Übergriff zu ermöglichen.

Auf Nachfrage gab der Zeuge an, dass er selbst keine wirkliche Erklärung für den Anlass der Tat habe. Damals konnte er erst recht noch keinen Zusammenhang zwischen „Knockout-51“ und der Aktion herstellen, so der Zeuge. Allerdings hätten die Männer ihm hinterhergeschrien, dass es etwas mit den anwesenden Frauen zu tun habe. Genaue Täterbeschreibungen könne er aufgrund ihrer Vermummung und der Dunkelheit zwar nicht angeben, es könnte sich aber hinsichtlich ihrer Statur um die Angeklagten handeln. Zudem habe er auch gespürt, dass Quarzsand-Handschuhe eingesetzt wurden. Ob und inwieweit die mutmaßliche „Knockout-51“ Sympathisantin vor Ort selbst Kontakte zum Flieder Volkshaus hat, wisse er dagegen nicht. Als Folge der Tat nannte der Zeuge noch einen abgebrochenen Backenzahn und über zwei Wochen anhaltende Schmerzen.

Dritter Zeuge: Verzicht auf Auskunftsverweigerungsrecht 

Mit leichter Verzögerung begann am Nachmittag der zweite Teil des Verhandlungstages. Rechtsanwalt Hammer nutzte diese Zeit, um in einer Ausgabe der Preußischen Allgemeinen Zeitung zu blättern. Anschließend kam es zu einem Novum, erstmalig entschied sich ein Zeuge trotz des einschlägigen Aussageverweigerungsrechts Angaben zu machen. Im Mittelpunkt stand dabei ein Körperverletzungsdelikt aus dem Februar 2021, das bereits beim dritten Verhandlungstag durch Zeugenvernehmungen thematisiert wurde. Bereits die anfänglichen Schilderungen des jungen Polizisten deuten die grenzenlos scheinende Gewaltbereitschaft der Gruppe an. An dem Tag habe er sich nach Dienstschluss noch mit zwei Freunden bei einer privaten Feier in einer Garage getroffen, bevor es nach einigen Stunden am Tor geklopft hätte. Dabei sei Eric K. mit einer weiteren Person erschienen und habe ihn aufgefordert, mit ihm herauszugehen. Nach anfänglicher Weigerung hätten sie ihn aus der Garage herausgeschubst, um sich dort mit ihm zu „duellieren“. Alle Besänftigungsversuche des Zeugen seien erfolglos geblieben. Eric K. schlug ihm zunächst die Bierflasche aus der Hand und anschließend mit der Faust vier Mal in die linke Gesichtshälfte. Selbst danach hätten die mutmaßlichen Mitglieder von „Knockout-51“ ihn am Verlassen der Örtlichkeit gehindert. 

Gewalttätige Männlichkeit 

Richter Giebel fragte zunächst, wieso er direkt wusste, dass es sich bei dem Täter um Eric K. handelte. Dies habe sich erst durch seine namentliche „Vorstellung“ ergeben, so der Zeuge. Dabei hätte er sich als Anführer von „Knockout-51“ und der „Jugendwehrgruppe“ in Eisenach betitelt. Weiterhin hätte K. seine Unterstützer und sich als „Anhänger der NPD“ vorgestellt. „Mächtige Leute“ würden hinter ihnen stehen, sodass der Zeuge „keine Chance hätte, wenn es losgeht“. Zudem hätte K. geäußert, dass er sich schon einmal bei ihm mittels einer Instagram-Sprachnachricht gemeldet hatte. In dieser soll K. dem Zeugen einige Wochen vor der Tat bereits mit Gewalt gedroht haben, falls er ihn finden würde. Der Auslöser hierfür soll gewesen sein, dass der Zeuge an die damalige Freundin von K. eine Nachricht gesendet hatte. Diese war früher mit dem Zeugen gut befreundet, wovon allerdings mittlerweile keine Rede mehr sein kann. So sei sie sogar gemeinsam mit K. bei der Feier erschienen, führte der Zeuge aus.

Seitdem habe er den Kontakt mit ihr endgültig abgebrochen. Einige Zeit vor dem Vorfall soll es noch ein letztes Telefonat zwischen den beiden gegeben haben. Auf die Frage des Zeugen, ob man wieder einmal etwas unternehmen wolle, soll sie geantwortet haben: „Geht nicht, er [Eric K.] ist bei mir, sonst dreht er wieder durch.“ Nach diesem „Gebaren des K.“, wie der Zeuge die Vorstellung selbst beschrieb, sollen direkt die Faustschläge gefolgt sein. Diese beschrieb der Zeuge als präzise und impulsartig. Aufgrund dessen gehe er auch davon aus, dass K. dies mehrfach geprobt hatte. Außer der damaligen Freundin von K. kannte er namentlich keine der etwa acht Personen, die gemeinsam mit K. erschienen seien. Allerdings wurde ihm mitgeteilt, dass auch ein „Dennis“ Teil der Gruppe war.

Angst vor Folgerepressalien 

Aufgrund des aggressiven Auftretens von K. vermutete der Zeuge auf Nachfrage auch, dass seine berufliche Tätigkeit als Polizist das wahre Tatmotiv darstelle. So hätte K. unter anderem gesagt, dass er sich freue, sich nun „die Hände schmutzig machen zu können“, da der Geschädigte keine Uniform trug. Auch die Äußerung „Seit wann rennen Bullen weg?“ soll gefallen sein. Laut dem Zeugen wurde es ihm allerdings unmöglich gemacht, tatsächlich wegzurennen. So seien vor der Garage zwei Autos mit etwa zehn Unterstützern von „Knockout-51“ gestanden, um den Ausgang zu versperren. Eric K. hätte ihm zudem mit einem Messer gedroht, um eine Flucht zu verhindern. Hilfe von den anderen Gästen der Party hätte der Zeuge nicht erhalten. Selbst als er darum bat, jemand möge die Polizei oder einen Rettungswagen rufen, soll niemand tätig geworden sein. Dies wurde mit einer Angst vor Folgerepressalien begründet. Dies erschreckt vor allem angesichts der Verletzungsfolgen des Geschädigten. Nach den medizinischen Befunden hat er unter anderem einen doppelten Jochbeinbruch sowie einen Kiefergelenksplitterbruch erlitten, was zu einer Notoperation und wochenlangen Einschränkungen geführt habe. Erst nach einer halben Stunde sei es ihm schließlich gelungen, über einen Zaun bei dem Hinterausgang zu klettern, um zu entkommen.

Fragen der Verteidigung ohne Erkenntnisgewinn 

Nachdem die Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft auf weitere Nachfragen verzichteten, nutzte vor allem die Verteidigung von Eric K. ihr Fragerecht, ohne allerdings eine wirklich durchgreifende Sinnhaftigkeit erkennen zu lassen. So wollte zunächst Rechtsanwalt Heiermann wissen, mit welcher Lautstärke und aus welcher Entfernung Eric K. gewisse Dinge gesagt hätte. Überwiegend habe K. in einem aggressiven Tonfall geschrien, so der Zeuge. Zudem bestätigte er nochmals, dass die damalige Freundin von K. unmittelbar neben ihm stand. „Knockout-51“ sei ihm dagegen zu diesem Zeitpunkt noch kein Begriff gewesen, auch nicht im Rahmen seiner Tätigkeit als Polizist. Jedoch sei ihm bekannt gewesen, dass ein „Nazi-Kiez“ aufgebaut werden soll, was nach seiner Ansicht gestoppt werden müsse. Rechtsanwalt Hohnstädter vermutete direkt, dass er dies in „alternativen Medien“ aufgeschnappt hätte. Urbanczyk fragte anschließend noch, ob es sein könne, dass K. zum Tatzeitpunkt Testosteron zu sich genommen hat bzw. ob er als Polizist in der Lage wäre, dies anhand des Verhaltens zu erkennen. Hierzu konnte der Zeuge keine Angaben machen. Bevor der Zeuge entlassen wurde, echauffierte sich noch Rechtsanwalt Hammer, da der Zeuge in einem Chat mit der Freundin von K. diesen als „ihren Schoßhund“ betitelt hatte. Laut Hammer sei dies für einen Mann eine ehrkränkende Provokation.

Ansätze eines Unrechtsbewusstseins oder gar Reue konnten bei Eric K. während der Zeugenvernehmung nicht im Entferntesten festgestellt werden. Immer wieder grinste er und suchte den Kontakt mit ihm wohlgesonnen Zuschauer:innen. Immerhin musste er am Nachmittag erleben, dass nicht jede:r Zeug:in aus Angst vor der Gruppe vor einer wahrheitsgemäßen Aussage zurückschreckt.