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Knockout 51 - Prozess 2 (2025)

25. Verhandlungstag KO51 – Zweiter Prozess – 18.09.2025

Der 25. Verhandlungstag hatte einige Kernvorwürfe gegen Knockout 51, die zugleich für den Vorwurf der terroristischen Vereinigung wesentlich sind, zum Gegenstand. Neben weiteren Inhalten zum Vernetzungstreffen am 8. Mai standen auch Thesen der Anklageschrift zur geplanten Notwehrüberschreitung und dem „Meldesystem“ auf der Tagesordnung.

Planungen zum Treffen am 8. Mai

Als Erstes wurde ein Gespräch zwischen Leon R. und dem überregional bekannten Neonazi Patrick Schroeder eingeführt, das auch im ersten Knockout 51-Verfahren schon eingeführt wurde. Leon R. kündigte dabei ihm gegenüber das geplante Vernetzungstreffen an und lud ihn auch zu einer Teilnahme ein. Schroeder erwiderte, gar nicht mehr in Thüringen zu wohnen, würde sich aber trotzdem eine Teilnahme vorbehalten.

Laut Leon R. sei die Eisenacher Jugend aktuell im „Dauereinsatz“, da „halb Thüringen brennt“. Außerdem gab er an, niemals von Hitlers Positionen abzurücken. Erwähnung fand auch die Veröffentlichung einer Antifa-Gruppe, die auch Bezüge zwischen Leon R. und der „Atomwaffen Division“ herstellte. Schroeder bat daraufhin um Zusendung des Links, um sich dies anzuschauen. Nachdem das Gespräch abgespielt wurde, merkte Rechtsanwalt Baitinger an, vieles akustisch nicht verstanden zu haben.

Leon R. nahm außerdem auch mit dem späteren Teilnehmer Thorsten Heise Kontakt auf. Dieser sagte ihm zu, dass Fretterode „als Austragungsort immer gerne zur Verfügung“ stünde. Mit Axel Schlimper und Tommy Frenck gäbe es weitere Optionen für geeignete Lokalitäten, führte Leon R. danach aus. Schließlich versprach er, Heise zwecks des Treffens auf dem Laufenden halten.

Gab es einen „Geheimen Wortlaut“?

Am 26. April 2022 – also schon nach den Festnahmen von vier Knockout 51-Mitgliedern – kam es zu einem Telefonat, an dem erneut Thorsten Heise beteiligt war. Wieschke informierte ihn dabei über die stattgefundenen Festnahmen und den Umstand, dass auch erst als Beschuldigter erfasst werde. Heise sprach von einer „Kriminalisierung von eigenen Sicherheitsmaßnahmen“. Außerdem wolle man laut ihm damit „den linken Tätern den Rücken freihalten“.

Wieschke kündigte in diesem Zusammenhang eine Soli-Veranstaltung an, um Spenden zu sammeln. Heise wollte außerdem detailliert wissen, ab wann Überwachungsmaßnahmen stattgefunden hätten. Daran anknüpfend fragte er, ob man sich sicher sein kann, dass die Behörden nur von dem Treffen am 8. Mai das wüssten, „was wir irgendwie kundgetan haben“. Ihn würde aber auch nicht interessieren, wenn sie ihn „100 Jahre in U-Haft tun“. Es sei ihre Aufgabe, „Selbstschutz zu organisieren und Anwälte zu organisieren.“ 

Aus dem Gespräch ging auch hervor, dass Wieschke für alle vier bereits Festgenommenen die Organisation von „Nationalen Anwälten“ übernommen hatte. Er hätte für sich selbst schon Peter Richter (sein jetziger Verteidiger) engagiert. Geeignet seien laut ihm einige Strafverteidiger, die schon im NSU- bzw. im „Aktionsbüro Mittelrhein“-Verfahren aktiv waren. Er nannte konkret Andreas Wölfel, Arndt Hohnstädter, Olaf Klemke und Nicole Schneiders. Die beiden erstgenannten Anwälte der rechtsextremen Szene vertraten im ersten Verfahren Leon R. bzw. Bastian Ad.

Geplante Notwehrüberschreitung

Danach folgten diverse Gespräche, die Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Überschreitung des Notwehrrechts liefern sollten. So wird beispielsweise Leon R. folgendes Zitat zugeordnet: „Wir müssen wachsamer werden, Häuser und Objekte schützen, wenn es zum Kampf kommt, müssen wir alles geben. […] Dass sich derjenige auch mit allen Mitteln zur Wehr setzt“. Das gesamte Gespräch konnte aber aufgrund technischer Probleme nicht abgespielt werden.  

Dann folgte ein Gespräch zwischen Maximilian H. und Leon R. Letzter war der Auffassung, dass „Zecken Ziele ganz genau und präzise aus[wählen]“. Besonders gefährdet seien überregional vernetzte Angehörige der rechtsextremen Szene und Personen der „2015er-Liste von Connewitz als Racheakt“. H. wies darauf hin, dass man eine CO2-Waffe legal besitzen dürfe. Danach sprachen sie über „Knast wegen Notwehr“. Leon R. hätte davor aber keine Angst, da dann „finanziell halt die anderen alles zusammenlegen [müssen]“, was in Eisenach auch kein Problem darstellen würde.

Sodann wurde folgender Kommentar von Leon R. aus der „Shit Posting“-Chatgruppe eingeführt, der wohl als Quittierung eines „Erfurter Antifa-Aufklebers“ dienen sollte: „Axt, Unterzahl, psychische Schäden – Antifas umlegen, § 32 StGB ausreizen“. Kevin N. forderte in Reaktion auf diese Nachricht, hierfür selbst einen Aufkleber zu kreieren und fügte den Hashtag „#FaschistischerSelbstschutz“ hinzu. Benjamin S. antwortete außerdem „Vielen Dank nochmal an der Stelle an den Notwehrparagrafen und guter Anwalt“.

„Meldesystem“ von Knockout 51

Ab Mai 2021 richteten Mitglieder von Knockout 51 ein System ein, um sich gegenseitig über „Auffälligkeiten“ im sogenannten „Nazikiez“ zu informieren. Ziel war es, mögliche auswärtige oder als „links“ eingestufte Personen und Fahrzeuge frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Zur Umsetzung wurde eine eigene Chatgruppe mit der Bezeichnung „Eisenach Sicherheit“ eingerichtet. In dieser Gruppe waren unter anderem Stanley Röske (Combat 18), Leon R. und Bastian Ad. Als Letzterer nach dem Sinn der Gruppe fragte, antwortete Leon R.: „Zecken machen bumm, einer schreiben hier, A. machen Auto schnell“. Dies quittierte Bastian Ad. mit:: „Ad. kommen Machete machen Zecken kaputt“.

Über die Chatgruppe erfolgte eine regelmäßige Kommunikation über verdächtige Beobachtungen, Chatgruppen und Personen, die dem rechten Umfeld als relevant galten. Ziel soll dabei eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit gewesen sein. Bereits kurze Zeit nach dem Eingang einer Meldung erfolgten konkrete Nachfragen, Ortungen und teilweise sofortige Aufbrüche einzelner Mitglieder, um die gemeldeten Personen selbst aufzusuchen. Mehrere Vorgänge aus dem Sommer 2021 sollten dabei die Funktionsweise verdeutlichen.

So teilte Leon R. am 14. Juni 2021 in der Chatgruppe ein Foto eines Mannes, der aus einem Leipziger Fahrzeug ausgestiegen war, und forderte dazu auf, die Person zu beobachten („Augen offen halten“). Laut ihm würde die Polizei der Sache „sehr intensiv“ nachgehen. Am 5. Juli 2021 will Leon R. dasselbe blaue Leipziger Auto erneut in der Nähe Eisenachs gesichtet haben. „Unsere Leipziger Freunde sind wieder in Eisenach. Augen auf!“, kommentierte er. Dabei wurden Bilder eingestellt und die Anweisung gegeben, „hin da“ zu fahren. Mehrere Mitglieder reagierten unmittelbar und begaben sich zu dem Ort. Außerdem wurde spekuliert, ob die Person eine Perücke tragen würde.

Beobachtungen von Maximilian H.

Am 1. Juni 2021 kam es außerdem zu einer entsprechenden Meldung von Maximilian H., einem weiteren, bisher nicht angeklagten mutmaßlichem Knockout 51-Mitglied. Dieser teilte Leon R. telefonisch mit, dass schon seit mehreren Stunden ein Auto vor dem Haus parken würde. Leon R. riet ihm daraufhin das Kennzeichen auf eine etwaige Fälschung zu überprüfen und dies zu notieren. Fünf Tage später machte Maximilian H. erneut Beobachtungen. So hätte er ein „Klopfgeräusch“ wahrgenommen und daraufhin schwarze Abdrücke an der Hauswand festgestellt.

Auch Polizeikräfte seien vor Ort. Leon R. wollte daraufhin eine Polizeistreife anfordern. Außerdem riet er ihm generell, bei „solchen Sachen“ niemals hinauszugehen. Es handle sich dabei um eine „beliebte Technik von Zecken“. So hätte man bei Thorsten Heise „so lange rumgebrüllt, bis jemand rauskam“. Auch eine Schulung soll dahingehend bald stattfinden. Die nächste These betraf eine weitere „Beobachtung“ von Nils A. bei einem Baumarkt, die dafür vorgesehenen Chatinhalte waren allerdings schon Gegenstand eines Selbstleseverfahrens.

Informationszugang durch Anwälte

Um verantwortliche Personen zu identifizieren, sollen Leon R. und Maximilian A. schließlich auch versucht haben, über Rechtsanwalte an Strafakten zu gelangen. R. teilte ihm dabei mit, dass eine DVD angekommen sein müsste, danach glichen die beiden das entsprechende Aktenzeichen ab. Am 11. Januar 2021 teilte Maximilian A. mit, dass sein Anwalt Akteneinsicht beantragt hätte. Er wolle die Akten haben und zwar „die, bevor Lina in den Knast gegangen ist“.

Laut Maximilian A. wolle ihm der Anwalt eine DVD mit den Akten per Post schicken und dabei eine verschlüsselte PDF nutzen, denn „er darf das eigentlich nicht machen“. Leon R. erkundigte sich später, wann „er das Ding endlich los[schickt]“. Außerdem spekulierten die beiden, wer an einem Anschlag gegen das „Bull’s Eye“ beteiligt sein könnte. Eine weitere Fahrzeuginnenraumüberwachung dokumentierte ein Gespräch zwischen Leon R. und seiner Partnerin über dasselbe Thema. Man hätte schon „dreieinhalbtausend Seiten bekommen“. Es sei eine große Herausforderung, diese auszuwerten.

Bereits am 18. Januar 2021 unterhielt sich Leon R. mit Maximilian A. über erlangte Informationen. So sprachen sie über die Festnahmesituation der Beschuldigten, die in den Akten enthalten war. Zudem erfreuten sich, die Adresse der Mutter einer Beschuldigten nun zu kennen. Laut Leon R. „ haben wir jetzt Anhaltspunkte“. Rechtsanwalt Picker erkundigte sich schließlich noch, ob der Senat das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden im Verfahren gegen Lina E. und weitere im Selbstleseverfahren einführen wolle. Dies wurde durch den Senat bestätigt.

Der Vorsitzende beabsichtigte schließlich noch, eine Selbstleseanordnung vorzunehmen. Nach einer kurzen Verhandlungspause forderte Rechtsanwalt Baitinger, auch noch den Gutachter (Waffensachverständiger) selbst in der Hauptverhandlung anzuhören und nicht nur die Gutachten selbst einzuführen. Daran schloss sich eine Diskussion über prozessuale Fragen an. Auch Oberstaatsanwalt Biehl (Vertreter des Generalbundesanwalts) hat bereits angeregt, noch weitere Zeugen zu vernehmen.

Rechtsanwalt Tuppat artikulierte danach noch seine Hoffnung, dass die Vernehmung des Waffengutachters seinen Mandanten Marvin W. „extrem entlasten“ könne und zitierte dabei bereits aus dem angefertigten Gutachten. Damit endete der Verhandlungstag, fortgesetzt werden soll am 23. September.