Im Mittelpunkt des 11. Verhandlungstages standen die Aussagen dreier Zeug*innen im Zusammenhang mit einem körperlichen Übergriff während einer Kirmesveranstaltung in Wutha-Farnroda am 14. August 2021 sowie eines Vorfalls bei einer Halloween-Party im „Amare“ in Eisenach 2021. Wegen beider Vorfälle kam es im ersten Knockout 51-Prozess bereits zu Verurteilungen.
Zeugenaussage des Geschädigten
Der erste Zeuge schilderte eine Szene, die sich am Abend des 14. Augusts 2021 auf einer Kirmes in Wutha-Farnroda abspielte. Im Verlauf des Abends sei er Opfer eines tätlichen Angriffs geworden. Nach eigener Aussage wurde er dort zunächst angesprochen und aufgefordert, sofort zu kommen. Auch wenn es eine persönliche Bekanntschaft zu dieser Person noch nicht gab, war für ihn eine Zuordnung ohne weiteres möglich: es soll sich um Bastian Ad. gehandelt haben.
Dieser habe ihm direkt Vorhaltungen gemacht, einen Anschlag in Eisenach auf die Kneipe Bulls Eye mit verübt zu haben. Als der Zeuge dies dementierte, habe Bastian Ad. ihm daraufhin eine „Kopfnuss“ im Gesichtsbereich verpasst. Diese habe Nasenbluten verursacht, jedoch sei er nicht medizinisch behandelt worden. Vor dem Angriff soll der Zeuge von einer nicht näher identifizierten Person gewarnt worden sein, dass an diesem Abend Mitglieder von KO51 auf der Veranstaltung seien. Diese Warnung ignorierte er jedoch.
Der Zeuge ordnete sich selbst einem alternativen, linkspolitisch geprägten Milieu zu. Er gab an, KO51 dem Namen nach aus Presseberichten zu kennen. Er beschrieb die Gruppe als einschüchternd, insbesondere für Personen mit politischer Gegnerschaft. Er erklärte, sich infolge des Vorfalls in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu fühlen und bestimmte Stadtbereiche zu meiden. Im Zuge der Ermittlungen zum Anschlag auf die Szene-Kneipe Bulls Eye sei gegen ihn selbst ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, das eine Hausdurchsuchung beinhaltete. Er konnte jedoch belegen, dass er zum Tatzeitpunkt an seinem Arbeitsplatz gewesen sei. Das Verfahren sei anschließend eingestellt worden.
Bezogen auf seine politische Einstellung wurde der Zeuge von Rechtsanwalt Bauerfeind (Verteidiger Kevin N.) mit älteren, von ihm veröffentlichten Social-Media-Inhalten konfrontiert, die laut Bauerfeind gewaltverherrlichende Aussagen enthielten und seine nähe zur „Antifa“ bezeugen sollten. Der Zeuge distanzierte sich von diesen Inhalten und bezeichnete sie als „jugendliche Dummheit“. Die Verteidiger der Angeklagten nutzten den Verhandlungstag, um Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen streuen. Sie griffen die alten Social-Media-Aktivitäten auf, stellten seine politische Neutralität infrage und kritisierten Erinnerungslücken in seinen Aussagen.
Fortsetzung mit dem zweiten Zeugen
Der zweite Zeuge war am besagten Abend als Aushilfe am Getränkeausschank tätig. Er schilderte, dass er einen Vorfall wahrnahm und der Geschädigten mit blutender Nase zu ihm kam. Den eigentlichen Angriff habe er nicht gesehen, jedoch beschrieb er eine ruckartige Bewegung zwischen zwei Personen. Er identifizierte später einen „größeren blonden Mann“ mit Hals-Tätowierung als mutmaßlichen Angreifer. Dass es sich dabei um Bastian Ad. handelte, war für ihn schlüssig.
Er bestätigte, dass er und ein weiterer Helfer, der größer sei als er, mit dem mutmaßlichen Täter gesprochen hätten und dieser die Situation ruhig verließ. Er beschrieb die Veranstaltung als alkoholgeprägt, mit regelmäßig auftretenden Auseinandersetzungen. Politische Hintergründe des Vorfalls erkannte er zum damaligen Zeitpunkt nicht. KO51 kannte er nur vom Hörensagen und aus der Ladung der Polizei. In Eisenach, so der Zeuge, seien Schlägereien auf Kirmes-Veranstaltungen nicht ungewöhnlich – die Eskalation sei für ihn daher „nichts Besonderes“ gewesen.
Vernehmung der damaligen Lebensgefährtin von Ad.
Eine besondere Rolle kam der dritten Zeugin zu. Sie war zum Zeitpunkt des Vorfalls die Lebensgefährtin von Bastian Ad. Sie bestätigte, dass Bastian Ad. in eine Auseinandersetzung verwickelt worden sei und auch eine Kopfnuss verteilt habe. Die Details des Abends konnte oder wollte sie jedoch nicht mehr genau parathaben. Für sie sei die Sache damit erledigt gewesen.
In einer Gesprächsaufzeichnung zwischen Leon R. und Benjamin S. am 15.08.2021 um 4:18 Uhr erzählte Benjamin S., dass die Zeugin geweint habe, dies bestritt sie auf die Nachfrage der Bundesanwaltschaft. Auf Nachfrage, mit wem sie an dem Abend dort gewesen sei, benannte sie ihre beste Freundin und eventuell ihre Schwester. Laut eigenen Aussagen vermutete sie, dass Bastian Ad. keinen Alkohol getrunken hatte.
Sowohl der erste als auch die dritte Zeugin gaben an, sich jeweils noch aus Schulzeiten aus de Parallelklasse zu kennen. Letztere gab an, der Geschädigte hätte „Probleme mit mir und meiner Schwester“ gehabt. Darüber hinaus hatten beide Zeug*innen jedoch jeweils keinen Kontakt mehr zueinander.
Außerdem wird die dritte Zeugin noch zu einem weiteren Vorfall im Amare befragt. 2021 habe sie zusammen mit Dustin V., Maximilian A. Und Viviane K. das Amare für eine Halloween-Party gemietet. Dabei handelte es sich um eine Eisenacher Lokalität in der Katharinenstraße. Dort sei es eine Schlägerei zwischen Dustin V. und Maximilian A. gekommen. Als Grund gab sie an, dass Dustin V. etwas von Maximilian A.s Freundin Viviane K. wollte. Bastian Ad. sei auch vor Ort gewesen.
Selbst habe sie aber nicht viel mitbekommen, weil sie sich direkt um Viviane K. gekümmert habe. Daran, was nach der Schlägerei passiert ist, wisse sie sich nicht mehr. Sie könne nur noch sagen, dass irgendwann die Polizei wegen Ruhestörung angerückt sei und von allen die Personalien aufgenommen wurden.
Unglaubhafte Aussage
Das GBA versuchte ihre Befragung zu nutzen, um auf Widersprüche im Aussageverhalten hinzuweisen, so etwa bei der Frage, wie viel sie über die Aktivitäten ihres damaligen Freundes wusste. So verneinte die Zeugin eigene Kenntnisse über Knockout 51 zum damaligen Zeitpunkt. Sie meint damals nicht gewusst zu haben, dass Ad. Kampfsport betreibe und das KO51 eine Gruppierung gewesen sei, obwohl sie knapp ein Jahr zusammen waren.
Auch als sie darauf hingewiesen wurde, dass bei der Hausdurchsuchung bei ihr und bei Bastian Ad. Kleidungsstücke mit KO51-Logos gefunden wurden, erwiderte sie, dass sie habe gedacht, es würde sich um eine Kleidungsmarke handeln. Auch von dem Messer, das in ihrer Wohnung bei der Durchsuchung in einem Schuhkarton sichergestellt wurde, habe sie nichts gewusst.
Politisch ordnete sie Bastian Ad. als „rechts“ ein, ohne näher zu konkretisieren, woran sie das festmache. Das Poster in seinem Zimmer mit dem Schriftzug „Nazi Kiez. Wir dulden keine Zecken, Demokraten und Drogendealer“ habe sie nie gesehen, da sie laut eigenen Angaben nur ein mal in seiner Wohnung gewesen sei und nur den Hausflur gesehen habe. Auf die Frage hin, was sie unter „rechts“ verstehe sagte sie: „Ich finde jetzt, rechts ist wenn man stolz auf sein Vaterland ist, man will es stützen und schützen“. Rechtsradikal bedeute hingegen, Gewalt anwenden, etwa gegen Ausländer*innen.
Außerdem wurde sie befragt, wie sie Bastian Ad. charakterlich einschätze. Daraufhin führte sie aus, er sei damals „ein humorvoller und zurückhaltender Mensch“ gewesen. Die Verteidigung zog darauf den Schluss, dass nicht alles, was Bastian Ad. sage und schreibe, hundertprozentig ernstgenommen werden dürfe und seine Aussagen durchaus auch als Humor verstanden werden könne.
Die Verhandlung wird am 23.06. fortgesetzt.
