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Knockout 51 - Prozess

36. Verhandlungstag – KO51 – 09.04.2024

Am heutigen Verhandlungstag wurde zunächst eine Zeugin vernommen, die am 12. Juni 2021 in Eisenach bei einer Schulungsveranstaltung im Flieder Volkshaus selbst anwesend gewesen sein will. Daher wurde sie auf Antrag der Verteidigung von Leon R. als Zeugin geladen. Danach wurde im regulären Programm der Beweisaufnahme mit der Spätphase von Knockout 51 (Monate vor den Festnahmen) fortgesetzt.

Kontakt zu Patrick Wieschke

Laut der Anklageschrift soll Leon R. bei der besagten Schulungsveranstaltung mehrere Waffen als Anschauungsmaterial präsentiert haben, die auch für den Einsatz gegen „Linke“ erwogen wurden. Entsprechende Bilder mit den präsentierten Waffen wurden bereits in der Hauptverhandlung eingeführt. Die Zeugin wurde zunächst gefragt, wieso sie überhaupt bei dieser Veranstaltung teilnahm.

Sie erklärte darauf hin, dass sie selbst von Gewalt betroffen gewesen sei und sich deshalb ein Treffen mit Patrick Wieschke ergeben hätte. Dieser hätte bereits an diesem Tag angekündigt, dass eine Veranstaltung zur „Verteidigung im straffreien Raum“ geplant sei. Später sei sie auf seine Einladung hin zu der Veranstaltung mit einem Bekannten erschienen. Mit Wieschke selbst stünde sie bereits seit 2017 in Kontakt, nachdem sie aufgrund ihres Ärgers mit der Eisenacher Stadtverwaltung an ihn herangetreten war. Seine politische Einstellung sei für sie nicht problematisch, da sie ihn nur als „Mensch“ wahrnehme und er sich immer loyal verhalten habe.

Insgesamt seien dort etwa 20 bis 25 Leute erschienen. Sie habe zum damaligen Zeitpunkt nicht gewusst, wer dort Vorträge gehalten habe. Insgesamt habe es sich nur um einen „allgemeinen Austausch“ gehandelt. Inhaltlich sei es darum gegangen, wie es möglich wäre, sich in den Grenzen des Waffenrechts zu verteidigen, beispielsweise welche Messer man mitführen dürfe. Dass auf einer Leinwand als Titel der Veranstaltung „Volk und Staat“ genannt wurde, erklärte sie damit, „was in der Stadt los ist“.

Nichts gehört und nichts gesehen

Auf den Vorhalt des Richters, dass auf Bildern der Veranstaltung auch Schusswaffen zu sehen seien, erwiderte sie, diese nicht gesehen zu haben. Auch an andere präsentierte Waffen wie einem Schießbogen oder Macheten könne sie sich „absolut nicht erinnern“. Sie wisse nicht mal mehr, um welche Waffen sich die Veranstaltung überhaupt drehte. Schließlich sei sie auch „kein Freund von Waffen“. Auf die weitere Frage hin, ob überhaupt konkrete Gegenstände als Demonstrationsobjekte gezeigt wurden, antworte sie, dass „eher gesprochen“ wurde. Obwohl auf eingeführten Bildern zu sehen ist, dass Leon R. einen Vortrag gehalten hat, stritt sie ab, dass er als Hauptredner fungiert habe. Zumindest wusste sie noch, dass Leon R. über legale und illegale Waffen referiert hätte.

Abschließend gab sie noch an, dass sie von der Mutter von Leon R. (Ulrike E.) bei einem zufälligen Aufeinandertreffen in Eisenach gefragt wurde, ob sie sich eine Zeugenaussage vor Gericht vorstellen könne. Allerdings hätte sie nach ihrer Vorladung als Zeugin keinen Kontakt mehr mit Ulrike E. gehabt. Nur heute sei sie hinter ihrem Fahrzeug nach Jena gefahren, da sie „nicht genau wusste, wo es ist“. Nach dem Abschluss ihrer Vernehmung nahm sie im Publikum neben Ulrike E. Platz und unterhielt sich mit ihr auch in den Verhandlungspausen.

Vereinigung mit JN

Die Beweisaufnahme setzte dann mit dem Fortbestand von Knockout 51 trotz der vorgeblichen Auflösung fort (Ende 2021). Dabei erhoffte man sich den Schutz durch das Parteienprivileg der Jugendorganisation der NPD. Wie sich Leon R. die Vereinigung mit den „Jungen Nationalisten“ (JN) konkret vorstellte, schilderte er in einem Chat mit dem „Eishammer“-Sänger Dennis H..

Dabei stand die Frage im Raum, ob es bei der Eingliederung in die JN nur um den Verbotsschutz gehe oder eine ernsthafte Beteiligung in der JN in Erwägung gezogen wird. Laut Leon R. würden sich die KO51-Mitglieder zwar an JN-Aktivitäten grundsätzlich beteiligen. Aber „Eisenach wird halt weiter Eisenach-Dinge machen“, stellte Leon R. dann fest. So wären beispielsweise Zeltlager in Eisenach „Zeltlager mit Hakenkreuzen“. Dabei betonte er auch die Strukturstärke sowie den Vorteil zweier Immobilien, die der Eisenacher Rechten zur Verfügung stünden.

In einem Gespräch mit Wieschke erkundigte sich Leon R., ob es durch die Eingliederung in die JN möglich wäre, Kampfsport als Parteiveranstaltung zu deklarieren. Somit wollte er mutmaßlich Veranstaltungen mithilfe eines Parteienschutzes legalisieren. Rechtsanwalt Hohnstädter vermutete, dass es hier lediglich darum gegangen wäre, andauernde Corona-Schutzmaßnahmen zu umgehen. So hätten ihn „während der Isolation von uns allen, viele Leute angerufen und wollten Parteien gründen, um sich zu treffen“. Dies verwundert kaum angesichts Hohnstädters festen Verwurzelung in der rechtsextremen Szene.

Beförderung für Eric K.

Schließlich wurde noch ein Beleg dafür eingeführt, dass Eric K. auf Weisung von Leon R. die Einstellung des Projekts „Knockout 51“ auf Instagram am 30. November 2021 verkündete. Dies passierte unmittelbar nach einer Krisensitzung im Flieder Volkshaus, wofür Leon R. die Mitglieder einbestellte. Die Anklageschrift geht davon aus, dass sich ab diesem Zeitpunkt altgediente Mitglieder wie Leon R., Maximilian A. und Bastian Ad. selbst zurücknahmen und Eric K. für das Auftreten nach außen maßgeblich zuständig war. Die Anklagebehörde vermutet, dass der staatliche Verfolgungsdruck auf zentrale Akteure verringert werden könne, indem viele Aufgaben auf die „Jugend“ übertragen werden. So wurden beispielsweise neue Anfragen von Anwärtern von Leon R. direkt an Eric K. weitergeleitet, der für die weitere Kontaktherstellung zuständig war.

Eric K. beabsichtigte auch, sich ebenso die „51“ auf den Fußknöchel tätowieren zu lassen. Gleichzeitig forderte Leon R. ein, dass die Erkennungszeichen von „Knockout 51“ aufgrund der vorgegaukelten Auflösung nicht offen getragen werden sollten. Trotzdem sollen die weiterhin stattfindenden Kampfsporttrainings nach wie vor von Leon R. angeleitet worden sein. Hierfür wurden Chatnachrichten aus dem Januar 2022 eingeführt, in denen organisatorische Fragen durch ihn abgeklärt wurden. In der „JN-Sportgruppe“ sowie der „Gruppe Sport“ treten dabei auch andere Personen in Erscheinung, als es noch in der früheren Phase von „Knockout 51“ der Fall war. Weiterhin aktiv ist allerdings neben Eric K. auch der gesondert verfolgte Benjamin S..

Anschließend erkundigte sich die Verteidigung, bis zu welchem Zeitpunkt das Gericht derzeit vom Fortbestand der kriminellen Vereinigung ausgehe, da bis zur Festnahme neue Personenkonstellationen aufgetreten seien und die andauernden Aktivitäten der Angeklagten nur eine „zufällige Überschneidung“ darstellen würden. Der Vorsitzende Richter stellte daraufhin klar, dass das Gericht in dem mit der Haftaufhebung ergangenen Hinweisbeschluss zwar dem Vorliegen einer terroristischen Vereinigung eine Absage erteilt hat, sich aber gleichzeitig auch bzgl. der Frage der kriminellen Vereinigung klar positioniert hat. Demnach gehe das Gericht derzeit davon aus, dass sich der Fortbestand der kriminellen Vereinigung auch bis zur Festnahme erstreckt hat.

Kein Wechsel an der Spitze

Weiterhin soll intern kein Zweifel daran bestanden haben, dass Leon R. das Sagen habe. So wünschten sich beispielsweise Benjamin S. und Nils A. Kleidungsteile mit dem Knockout 51-Logo. Dabei waren sich beide bewusst, dass der „rote Fuchs“ dies noch absegnen müsse und man sich später mit Leon R. deshalb treffen wolle. Später berichtete Benjamin S., dass er die Erlaubnis für den Druck der Kleidungsstücke erhalten habe. Als er einen Probedruck erhalten hatte, kündigte er an, sich nochmals mit Leon R. beraten zu wollen.

Bereits an vorherigen Verhandlungstagen wurden weitere Belege für die fortbestehende Befehlsgewalt von Leon R. eingeführt, die auch von anderen Mitgliedern nicht in Frage gestellt wurden. So soll Eric K. bezüglich Angelegenheiten der Jugend regelmäßig Bericht erstattet und auch um Rat gesucht haben. Auch bei einer bereits in der Verhandlung thematisierten Stadtrundfahrt am 13. Februar 2022 schilderte Leon R. die anhaltende Betätigung von Knockout 51. Dabei erzählte er auch, dass sie weiterhin die „absolute Oberhand“ über den politischen Gegner sowie Ausländer:innen im „Nazi Kiez“ hätten.

Uneinigkeit über Demos

In einem längeren Chat äußerten Leon R. und Marvin W. ihren Ärger über das Verhalten von Eric K. und Leon R.s Mutter (Ulrike E.) bei den Montagsdemos. Marvin W. kritisierte, dass sich Eric K. gnadenlos überschätzen würde und selbst „noch keine Feuertaufe“ hatte. So würde Eric K. es unberechtigterweise so darstellen, „als wären die Demos nicht ohne ihn gelaufen“ und einen „Selbstmythos“ betreiben. Der Erfolg der Montagsdemos sei lediglich auf die allgemeine politische Lage zurückzuführen.

Insgesamt attestierten die beiden der rechtsextremen Jugend ein „riesiges Autoritätsproblem“. Laut Leon R. hätte Eric K. auch „nicht so viel Ahnung, wie man Leute führt“. Zwar sei normal, „dass die rebellieren“, allerdings würden durch Eric K. und seine Mitstreiter „alles ausgenutzt“ und Arbeit blockiert werden. Marvin W. hoffte dabei, es mit Eric K. noch „hinbiegen“ zu können. Leon R. kündigte klärende Gespräche an. Schließlich würde es sich bei der „Jugend“ auch um eine andere Generation handeln. Ziel müsse bleiben, die „Proteste in unserem Sinne zu kanalisieren“.

Hinsichtlich der Sinnhaftigkeit der Montagsdemos bestand auch bei den Angeklagten kein Konsens. Als Nils A. in einem Chat eine Teilnahme vorschlug, zeigte Maximilian A. kein großes Interesse. In einem Chat gab er an, dass dort nur „irgendwelche Wutbürger, die keine Ahnung haben“, teilnehmen würden und er nicht „mit Assis da rumwackeln“ wolle. Dies würde laut Maximilian A. auch Leon R. so sehen. Die einzigen von ihnen, die selbst teilnehmen würden, wäre laut A. die „dumme Jugend“, die sich so Vorstrafen einfangen könne.

Die Verhandlung wird am 15. April fortgesetzt. Dann soll der Landesvorsitzende der Thüringer Heimat (vormals NPD) und mutmaßliche KO51-Unterstützter Patrick Wieschke als Zeuge vernommen werden.