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Knockout 51 - Prozess

3. Verhandlungstag KO51 18.09.23

Vor Beginn der Verhandlung hatten sich ca. 40 Nazigegner*innen vor dem Verhandlungssaal gesammelt, um so den erneut erschienenen Neonazis aus Eisenach die Plätze im Saal streitig zu machen. Dies war insoweit erfolgreich, als dass mehrere bekannte Eisenacher Neonazis, darunter mit Marvin W. auch ein gesondert Verfolgter im Ermittlungsverfahren gegen „Knockout-51“, keinen Platz mehr fanden und draußen warten mussten.

Anträge der Verteidigung werden abgelehnt

Die Verhandlung begann mit etwas Verzögerung um 10.25 Uhr. Zunächst verlas ein Vertreter der Generalbundesanwaltschaft (GBA) deren Stellungnahme zum Antrag der Verteidigung auf Aufzeichnung oder wörtliche Protokollierung der Hauptverhandlung. Nach Ansicht der GBA ist dieser Antrag abzulehnen. Zur Begründung verwies die GBA darauf, dass die gesetzliche Grundlage aus § 169 GVG die Verwendung für laufende Prozesse explizit ausschließt. Dieser Paragraph ermögliche Aufzeichnungen oder Wortprotokolle nur aus zeithistorischen Zwecken und ließe keine Aushändigung an die Prozessbeteiligten zu. Auch der zweite Antrag der Verteidigung wäre aus Sicht der GBA abzuweisen: Die beantragte Einstellung des Verfahrens wegen einer Verletzung des Grundrechts der Angeklagten auf ein faires Verfahren entbehre jeder Grundlage. Nach Ansicht der GBA lägen keine Anhaltspunkte für eine Verletzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens vor, wie sie die Verteidigung unter Verweis auf Art. 6 EMRK angeführt hatte. Auch für Beweisverwertungsverbote, die sich aus den Zeugenaussagen in Dresden ergeben könnten, gäbe es keinerlei Anhaltspunkte.

Kurz darauf verkündete der Senat des OLG seinen Beschluss zu beiden Anträgen: Die Anträge der beiden Angeklagten Leon R. und Maximilian A. auf Verfahrenseinstellung werden abgelehnt. Eine Verletzung des Art. 6 EMRK ist nicht veranlasst. Eine Einstellung wegen unfairen Verfahrens wäre erst dann geboten, wenn das Verfahren als Ganzes rechtsstaatlich nicht fair gewesen wäre. Die Vernehmung der Angeklagten als Zeugen vor dem OLG Dresden lässt keinen entsprechenden Verfahrensfehler im Hinblick auf dieses Verfahren. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, inwieweit die Angaben des Leon R. in Dresden zur Gruppe „Knockout-51“ zur Grundlage der Anklageschrift für dieses Verfahren geworden sind. Zudem hat Leon R. in Dresden von seinem Aussageverweigerungsrecht teilweise Gebrauch gemacht. Außerdem wurde Leon R. bei seiner Zeugenaussage von einem Zeugenbeistand begleitet.

Auch beim Zeugen Maximilian A. lässt sich nicht erkennen, wie dessen Aussage vor dem OLG Dresden zu einer Belastung gegen ihn geworden wäre, die Bedenken gegen eine Beweisverwertung für dieses Verfahren (nicht einmal eine mittelbare Beeinflussung) begründen würde.

Weitere Anträge: u. a. auf Sichtung des den Richter verhöhnenden Videos

Es folgten zwei weitere Anträge der Verteidigung von Eric K., die von Rechtsanwalt (RA) Urbanzyk vorgetragen wurden. Im ersten Antrag forderte die Verteidigung eine Aussetzung der Hauptverhandlung, bis allen Verfahrensbeteiligten vom Senat ein Video zugänglich gemacht werde, in dem laut Pressemeldungen der Senat verächtlich gemacht werde. Der Angeklagte Eric K. hätte laut RA Urbanzyk von diesem Video gehört und nun würde es ihm Sorgen bereiten. Der vorsitzende Richter präzisierte daraufhin, dass die Pressesprecherin des OLG das besagte Video kennen würde, er selbst hingegen jedoch noch nicht. RA Wölfel schloss sich für die Verteidigung von Leon R. diesem Antrag an. Auch die GBA schloss sich dem Antrag insoweit an, dass allen Beteiligten das Video zugänglich gemacht werden sollte. Allerdings widersprach sie der geforderten Aussetzung der Hauptverhandlung, bis dies geschehe.

Zu seinem zweiten Antrag führte RA Urbanzyk genauer aus, dass es weniger ein Antrag als eine Beschwerde über eine Ungleichbehandlung der Angeklagten sei: Eric K. war untersagt worden, in Kleidung der Marke „Alpha Industries“ ins Gericht zu kommen. Da am heutigen Verhandlungstag jedoch Leon R. in solcher Kleidung erschien, läge eine Ungleichbehandlung vor. Nachdem das Gericht auf Nachfrage von RA Wölfel kurz erläuterte, dass es sich um einen Beschluss zum Verbot von Kleidung mit rechtsextremer oder ähnlicher Symbolik handeln würde.

Beginn Beweisaufnahme zu gemeinschaftlicher Körperverletzung am 04.02.2022 im Rahmen einer Party

Danach begann die Beweisaufnahme zum Beweisthema einer gemeinschaftlichen Körperverletzung von Eric K. und weiteren Beschuldigten am 4.2.2022 in Eisenach.

Erster Zeuge

Der erste Zeuge war ein 18-jähriger, der eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker absolviert. Er hatte am besagten Abend eine Party in einer Garage veranstaltet. Hier hatten ca. 15 bis 20 Personen freundschaftlich miteinander zusammengesessen, gegrillt, gespielt, Musik gehört und etwas getrunken. Gegen 22 Uhr sei das halb geschlossene Garagentor aufgegangen und es wären Eric K. und Denis K. hereingekommen. Diese hätten mit einem der Anwesenden reden wollen. Auf Nachfrage des vorsitzenden Richters kann sich der Zeuge nicht daran erinnern, dass es Anzeichen für eine Feindseligkeit gegeben hätte. Laut Richter hatte er bei der Polizei ausgesagt, dass der Freund des Zeugen von Eric K. „rausgezogen“ worden wäre. Daran konnte sich der Zeuge nicht mehr erinnern. 

Nachdem Eric K. mit dem Freund des Gastgebers zum Reden nach draußen gegangen wäre, kam laut dem Zeugen besagter Freund kurz darauf weinend zurück in die Garage und hatte große Schmerzen am Kiefer. An sichtbare Wunden konnte sich der Zeuge nicht erinnern. Auf Nachfrage hätte er es komisch gefunden, dass bei seiner Feier plötzlich uneingeladen eine ganze Gruppe teils Unbekannter auftauchte, die mit einem seiner Gäste „reden“ wolle. Auf Vorhalt des Richters, dass der Zeuge bei der Polizei ausgesagt hatte, er hätte „Panik und Angst“ gehabt, konnte sich der Zeuge erneut nicht mehr erinnern. 

Der geschädigte Freund wäre kurz nach dem Vorfall unter Schmerzen in Begleitung seiner Freundin nach Hause gegangen. Auch im Nachgang will der Zeuge seinen Freund nicht mehr nach dem Ablauf vor der Garage oder dem Grund für einen Konflikt mit Eric K. gefragt haben. Nur gerüchteweise will er gehört haben, dass es um K.s Freundin gegangen sein könnte.

Zweiter Zeuge

Der zweite Zeuge ist ein 21-jähriger Tischler aus Eisenach, der als Freund des Gastgebers an der Feier teilgenommen hatte. Er erinnerte sich, wie sie in und vor der Garage zusammensaßen, als eine Gruppe von ca. 15 bis 20 Personen unerwartet auftauchte. Er kannte einige vom Sehen, darunter auch Eric K. Als Eric K. mit dem später Geschädigten vor der Garage gestanden hatte, will der Zeuge drinnen geblieben sein und wegen eines Gesprächs mit einem Freund nichts mitbekommen haben. Auf Vorhalt des Richters hatte der Zeuge bei der Polizei ausgesagt, dass Eric K. den ersten Schlag gemacht hatte und Denis K., der mit der Gruppe um Eric K. erschienen war, hätte sich einen Zahnschutz eingesetzt. Daran konnte sich der Zeuge nun auf Nachfrage nicht erinnern. 

Auf weitere Nachfrage hin beschrieb er nun die Situation als bedrohlich, u.a. deswegen, weil die Gruppe um Eric K. so gut wie einheitlich in schwarz gekleidet gewesen wäre. Der Richter hielt dem Zeugen aus dessen früherer Aussage bei der Polizei vor, dass er dort von vier Schlägen durch Eric K. gegen den Geschädigten gesprochen hatte. Außerdem hatte er bei der Polizei noch gemutmaßt, dass sich der Geschädigte nicht gewehrt hatte, weil er angehender Polizeibeamter war und sich eine private Schlägerei für ihn beruflich negativ auswirken könnte. 

An die Schläge konnte sich der Zeuge nicht aus eigener Wahrnehmung erinnern, sondern hatte durch „Hörensagen“ davon erfahren. Auch auf weiteren Vorhalt hin, dass er bei der Polizei als möglichen Grund für den Konflikt Eric K.s Freundin angegeben hatte, konnte sich der Zeuge an nichts erinnern.

Der Richter fragte nun nach einem späteren Zusammentreffen des Zeugen mit Eric K., bei dem K. ihn eingeschüchtert haben soll. Der Zeuge bestätigte, dass sie sich in einer Shishabar getroffen hätten, wo K. mit ihm vor die Tür gegangen sei. Dort soll er ihm gesagt haben, dass er bei der Polizei nichts Falsches erzählen solle. Der Richter fragte nach, ob er K. dem Zeugen, wie er bei der Polizei ausgesagt hatte, „Hausbesuche“ angedroht hätte. Daran konnte sich der Zeuge nun nicht mehr erinnern. Der Richter fragte außerdem nach einem Anruf K.s bei dem Zeugen am Morgen nach der mutmaßlichen Tat. Laut Aussage des Zeugen bei der Polizei hatte er zuvor in einer WhatsApp-Gruppe geschrieben, dass „die Aktion vom K.“ gegen seinen Freund „völlig unnötig“ gewesen wäre. Daraufhin hätte K. ihn angerufen und am Telefon bedroht und gefragt, ob er „Stress haben möchte“. An diesen Inhalt des Telefonats konnte sich der Zeuge nun vor Gericht auch auf erneute Nachfrage hin nicht erinnern.

Danach fragte der Oberstaatsanwalt noch einmal nach, wieviele Leute denn das Geschehen vor der Garage verfolgt hätten und warum niemand eingeschritten sei. Der Zeuge sprach von ca. 20 Personen draußen, die jedoch alle zu viel Angst gehabt hätten, um einzugreifen. Als der Zeuge auch dem Oberstaatsanwalt gegenüber keine Erinnerung an den Inhalt des Telefonats mit K. am Morgen danach haben wollte, drohte der Oberstaatsanwalt ihm: „Sie sollten mehr Angst vor mir als vor Herrn K. haben!“

Dritter Zeuge

Der dritte Zeuge war ein erwerbsloser 26-jähriger aus Eisenach, der mit dem Gastgeber der Feier befreundet war. Er begann seine Aussage mit dem Hinweis, dass seine Erinnerung dadurch getrübt wäre, dass er am besagten Tag bereits am Nachmittag etwas getrunken hätte. Von der Auseinandersetzung hätte er die ersten ein bis zwei Schläge mitbekommen und sei dann zum Eigenschutz schnell in die Garage gegangen. Auf Vorhalt des Richters, dass der Zeuge bei der Polizei als möglichen Grund für die Auseinandersetzung den Dienst des Geschädigten bei der Landespolizei angegeben hatte, wollte sich der Zeuge an nichts Weiteres erinnern können. Er sagte auch zunächst aus, dass der Geschädigte freiwillig mit Eric K. zusammen die Garage verlassen hätte. Auf spätere Nachfrage hin schränkte er das insoweit ein, als dass der Geschädigte freiwillig mit raus gegangen wäre, sich darüber aber „nicht wirklich gefreut“ hätte. Ihm wurde seine eigene Aussage bei der Polizei vorgehalten, wo er ausgesagt hatte, dass K. zum Geschädigten gesagt hatte: „Ist mir scheißegal, ob du willst oder nicht, du kommst jetzt mit raus!“ Daran konnte er sich vor Gericht nicht mehr erinnern. 

Der Zeuge hat dann gesehen, wie Eric K. dem Geschädigten einmal gegen den Kiefer und ein weiteres Mal in den Bereich des Oberkörpers geschlagen hätte. Außerdem hätte K. dem Geschädigten eine Flasche aus der Hand gerissen. Ob das vor oder nach den Schlägen passiert wäre, konnte der Zeuge nicht mehr sagen. Als der Geschädigte danach in die Garage kam, hätte er aus dem Mund geblutet und sich den Unterkiefer vor Schmerzen gehalten. Der Zeuge hatte ihm dann eine gekühlte Flasche zum Kühlen in die Hand gedrückt. Auf Nachfrage hin konnte sich der Zeuge außerdem erinnern, wie sich Denis K. einen Zahnschutz eingesetzt und mehrere Anwesende gefragt hätte, ob sie „ein Problem mit Eric“ hätten. Der Zeuge wäre so eingeschüchtert gewesen, dass er sich nicht traute, zu antworten oder gar dem angegriffenen Freund zu Hilfe zu kommen.

Vierte Zeugin

Die vierte Zeugin war eine 18-jährige aus Rottenbach, die eine Ausbildung zur Erzieherin absolviert. Sie war zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat mit dem Gastgeber der Feier liiert und selbst anwesend. Laut ihrer Aussage hatten sie mit 15 bis 20 Personen an der Garage gefeiert, bis die Gruppe um Eric K. kam, die aus 10 bis 12 Personen bestanden hätte. Die Zeugin stand dann zusammen mit fast allen weiteren Gästen der Feier auf dem Garagenhof, als sich die Szenerie zwischen Eric K. und dem Geschädigten abgespielt habe. 

Den ersten Faustschlag will die Zeugin nicht unmittelbar gesehen haben. Aber da sie den Geschädigten mehrere Meter nach hinten fliegen sah, erschloss sie sich, dass es einen Schlag gegeben haben musste. Auf Vorhalt ihrer Aussage bei der Polizei hin bestätigte die Zeugin, dass Eric K. und Denis K. den Geschädigten zuvor an der Jacke gezogen und geschubst hätten. Denis K. hätte sich danach noch den Zahnschutz eingesetzt und wie zum Versperren eines Fluchtwegs in das Tor zum Garagenhof gestellt, wäre dann aber von seinen Begleiter*innen weggezogen worden und mit ihnen verschwunden. Die Zeugin schilderte ihre Angst vor Denis K. und die Angst der anderen Anwesenden, die sich alle scheuten, einzugreifen. Auf Vorhalt weiterer früherer Aussagen hin konnte sich die Zeugin konkreter an einen Faustschlag K.s mit der Rechten gegen den Kiefer des Geschädigten erinnern. Ein Bekannter hätte ihr nach dem Vorfall erzählt, dass es um Eric K.s Freundin gegangen wäre. Die Zeugin schilderte außerdem, dass der Geschädigte danach mit Begleitung den Garagenhof über Hinterwege verlassen habe, um von den Angreifern nicht noch einmal gesehen zu werden.

Nachfrage zu Messer

Alle Zeug*innen wurden auch nach ihrem Wissen zu „Knockout-51“ und nach einem Messer gefragt, das Eric K. gehabt haben könnte. Keine*r der Zeug*innen wollte etwas Genaueres zu „Knockout-51“ sagen. Alle verwiesen sehr vage auf Hörensagen und nur einer sprach von der gerüchteweisen Einordnung als rechtsextrem. Das Messer will keine*r der Zeug*innen gesehen haben.

Die Verteidigung von Eric K. nutzte diesen Umstand für eine Erklärung nach § 257 StPO, in der sie die bloße Existenz von „Knockout-51“ infrage stellte. Wenn nicht einmal die aus Eisenach und dem Umfeld der Angeklagten stammenden Zeug*innen vor diesem Vorfall etwas von der nun als rechtsextreme kriminelle Vereinigung angeklagten Gruppierung gehört hätten, dann könnte es sie auch gar nicht gegeben haben, so der Tenor.

Ende des Verhandlungstages mit Ankündigung zur Sichtung des Videos am 21.09.2023

Der Verhandlungstag endete mit der Ankündigung des vorsitzenden Richters, dass am nächsten Verhandlungstag das besagte Video aus den Pressemeldungen in der Verhandlung allen Anwesenden gezeigt werden solle. Hier könnten sich dann alle eine eigene Meinung dazu bilden, ob die teils „reißerischen“ Einordnungen der Presse hinsichtlich des Videos und dessen Relevanz für den Prozess so zuträfen. Der Verhandlungstag endete um 14.25 Uhr.