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Knockout 51 - Prozess

24. Verhandlungstag KO51 20.02.2024

Wie angekündigt, hatten die staatsanwaltliche Seite zunächst einige Anträge vorbereitet, die verlesen wurden. Der Vertreter des Generalstaatsanwalts Dr. Piehl hat zunächst eingefordert, dass das Gericht die Angeklagten darauf hinweisen solle, dass bei ihnen auch eine Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Betracht kommt. Der Senat am OLG hatte bei der Eröffnung der Hauptverhandlung ursprünglich nur eine Anklage wegen krimineller Vereinigung zugelassen. Damit überhaupt eine Verurteilung wegen der qualifizierten Form der terroristischen Vereinigung möglich ist, muss das Gericht hierzu die Angeklagten formell hinweisen. Als Anlass für den jetzigen Antrag der Staatsanwälte ist eine Entscheidung des BGH im Rahmen der Haftbeschwerde des gesondert verfolgten Marvin W. zu sehen.

Doch terroristische Vereinigung?

Wie angekündigt, hatten die staatsanwaltliche Seite zunächst einige Anträge vorbereitet, die verlesen wurden. Der Vertreter des Generalstaatsanwalts Dr. Piehl hat zunächst eingefordert, dass das Gericht die Angeklagten darauf hinweisen solle, dass bei ihnen auch eine Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Betracht kommt. Der Senat am OLG hatte bei der Eröffnung der Hauptverhandlung ursprünglich nur eine Anklage wegen krimineller Vereinigung zugelassen. Damit überhaupt eine Verurteilung wegen der qualifizierten Form der terroristischen Vereinigung möglich ist, muss das Gericht hierzu die Angeklagten formell hinweisen. Als Anlass für den jetzigen Antrag der Staatsanwälte ist eine Entscheidung des BGH im Rahmen der Haftbeschwerde des gesondert verfolgten Marvin W. zu sehen.

In dem besagten Beschluss führte der BGH aus, dass sich Marvin W. mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung strafbar gemacht hat. Das oberste Gericht für Strafsachen sieht bei KO51 einer Änderung der Ausrichtung der Gruppe ab etwa April/ Mai 2021, wonach ab diesem Zeitpunkt auch der Tod anderer Menschen ihr beabsichtigtes Vorgehen erfasse. Dabei hat die Haftprüfungsentscheidung bei Marvin W. der gleiche Strafsenat beim BGH entschieden, der auch für eine mögliche Revision im jetzigen Verfahren zuständig wäre. Daher haben Beschlüsse des BGH im KO51-Kontext auch eine Fernwirkung für das aktuelle Verfahren, da letztendlich eine identische Aktenlage besteht. Der OLG-Senat liefe also Gefahr, in Widerspruch zum Revisionsgericht zu laufen und gekippt zu werden, sofern an der Einstufung als nur kriminelle Vereinigung festgehalten wird. Gleichzeitig forderte der Vertreter des Generalbundesanwalts deshalb auch wieder zu den verschärften Haftregelungen für die Angeklagten zurückzukehren. Die Verteidiger sollen am nächsten Verhandlungstag hierzu Stellung nehmen.

Außerdem wurde formell beantragt, Patrick Wieschke als Zeuge zu laden, da sich dieser im Rahmen seiner eigenen Haftprüfung umfangreich geäußert hat und dies auch für das aktuelle Verfahren bedeutsam sei. Falls Wieschke eine Zeugenaussage im Gerichtssaal aufgrund seines Auskunftsverweigerungsrechts ablehnen würde, könnte stattdessen das Protokoll von Wieschkes Vernehmung vorgelesen werden, falls alle Verfahrensbeteiligten dem zustimmen.

Hilfsweise könnte auch der bei Wieschkes Vernehmung anwesende Ermittlungsrichter im Prozess geladen werden. Dieser würde dann stattdessen das Gespräch mit Wieschke schildern, sodass die dessen Aussage auf jeden Fall Eingang im Prozess findet.

Leon R. und AKK

Anschließend wurden einige Fußnoten behandelt, die überwiegend Demonstrationsteilnahmen thematisierten. So wurden zum Beispiel Bilder eingeführt, wo mehrere KO51-Mitglieder ein Plakat mit der Aufschrift „§ 130 StGB abschaffen“ (Volksverhetzungsparagraf) präsentierten. Dass Maximilian A. und Eric K. bereits vor einigen Jahren an Demos teilgenommen haben, wird dabei aus ihrer Zugehörigkeit zu etwaigen Jugendgruppen geschlussfolgert. Bastian Ad. sei durch den gesondert verfolgen Kevin N. ab 2016 in rechtsextreme Aktivitäten in Eisenach eingebunden gewesen, habe aber anfangs nur selten an Aktionen teilgenommen.

Weiter in der Vergangenheit liegen auch die Aktivitäten von Leon R. im „Antikapitalistischen Kollektiv“ (AKK). Laut dem Selbstverständnis diente dieses Kollektiv der Vernetzung von Neonazis. Dabei soll Leon R. ab 2015 bis zur Auflösung eine zentrale Rolle eingenommen haben. Dabei erzählte er in einem überwachten Gespräch, dass die damalige Organisation deutlich besser lief als heute. Beispielsweise hätte es schon einen Tag vor einer Demo einen gemeinsamen Treffpunkt gegeben und deutschlandweit seien geeignete Objekte zur Verfügung gestanden. Außerdem erwog Leon R. mit 17 Jahren in die Ukraine zu reisen, entschied sich allerdings aufgrund damaliger AKK-Aktivitäten dagegen. Schließlich sei er mit seiner Lebensgefährtin 2017 an der ukrainischen Front gewesen. Laut Leon R. hatte AKK aufgrund seiner Vernetzungsfunktion keine direkten Mitglieder, Eisenacher Nazis seien aber stark eingebunden gewesen und wurden über AKK mitorganisiert. Neben Kevin N. sei vor allem Leon R. stark eingebunden gewesen, indem er auch als Sprecher des AKK Ost fungierte. Entscheidend für Leon R. sei damals die bundesweite Vernetzung von Aktionsgruppen und führender Aktivisten aus Deutschland gewesen.

Demos im Rahmen von AKK

Als Höhepunkt der AKK-Zeit nannte Leon R. vor allem die 1. Mai-Demo in Plauen im Jahr 2016 gesehen, an der er selbst aktiv beteiligt war. Dabei hätte der AKK-Block laut ihm 600 Leute gestellt und sei eine „wirkliche Macht“ gewesen. So schilderte R. auch gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen dem AKK-Block und Polizist:innnen sowie Gegendemonstrant:innen an diesem Tag, wobei Leon R. diese Ausschreitungen mutmaßlich mitkoordiniert hat. In Plauen sollen an diesem Tag auch einige Neonazis aus Großbritannien zu Gast gewesen sein. Auch bei der 1. Mai-Demo im darauffolgenden Jahr in Apolda sei AKK schließlich präsent gewesen. Dabei äußerte R. auch seinen Unmut gegenüber einem Großteil des AKK, so bestünde AKK West aus den „größten Feiglingen, die es gibt“.

Auch der Blockupy-Protest in Frankfurt wurde ebenso gezielt von AKK-Aktivisten und zugehörigen Neonazis aus Eisenach zur Inszenierung genutzt. Zudem soll sich Leon R. auch bei gewaltsamen Aktionen im Rahmen der Anti TTIP-Proteste in Frankfurt 2016 mitgewirkt haben. Bei den damaligen „AKK-Zeiten“ hätte es zudem auch gezieltes Demo-Training gegeben, erklärte Leon R. in einem Gespräch mit Bastian A. aus dem Jahr 2020. Dabei haben sie sich beispielsweise mit Pfefferspray eingesprüht, um bei einem Pfeffersprayeinsatz der Polizei negative Reize besser unterdrücken zu können. Diese Trainings führender Aktivisten haben auch im Rahmen von Zeltlagern stattgefunden, die der Vernetzung dienten.

Wie hast du’s mit Verschwörungstheorien?

Ein längerer Chat zwischen Leon R. und dem gesondert verfolgten Marvin W. sollte schließlich noch die politische Argumentationsweise der beiden illustrieren. Der Chat beginnt damit, dass Leon R. ausführt, dass 9/11 die einzige False-Flag-Aktion sei und die USA hierdurch den War on Terrorism rechtfertigen konnten. Allerdings handle es sich laut Leon R. bei 99% der Anschläge um Terrorismus und nicht um Verschwörungen. Marvin W. sieht dies anders. Aus seiner Sicht seien die offiziellen Versionen zu unglaubwürdig und er könne das Gegenteil auch beweisen. Dies sei aber nicht so einfach zu erklären, da man hierfür schon ein paar Bücher lesen müste. So gäbe es laut ihm auch eine „Freimaurer-Loge“ in Eisenach. Als Leon R. fragt, was denn Freimaurer machen würden, war für Marvin W. der Sprung zu den Rothschilds nicht mehr weit („Eine Familie regiert die Welt“).

Leon R. bezeichnet sich daraufhin als Agnostiker, der nur glaubt, was bewiesen werden kann. So könne er bspw. anhand Statistiken nachweisen, dass „wir überfremdet werden und warum es Genozid an Weißen gibt“. Von Gruppen wie QAnon halte er dagegen nichts. Als Marvin W. dann auf die Existenz der „13 satanischen Blutlinien“ (wie die Rothschild-Blutlinie) verweist, winkt Leon R. erneut ab, da dies „Märchen“ seien und ihnen niemand glauben würde, weshalb sie damit auch politisch nicht profitieren könnten. Laut Marvin W. müsse man lediglich die richtigen Bücher lesen und „seinen Feind kennen“. Im Gegensatz zu ihm selbst habe Leon R. leider ab einer gewissen Stelle aufgehört, Dinge zu hinterfragen, so W. weiter. Leon R. prangerte daraufhin an, dass W. nicht zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden könne und sich nicht mit politischer Propaganda beschäftigt hätte.

Außerdem warf er ihm vor, das Training zu vernachlässigen. Marvin W. erwiderte darauf, dass ihm der „enge Kreis“ von KO51 immer verwehrt worden wäre, er nie wirklich dazu gehört und sich deshalb vorerst zurückgezogen hatte. Als essentiell sah Leon R. daraufhin einen „organisierten Widerstand“ im „Kampf um Heimat“ an. Sie müssten schließlich über Eisenach hinauswirken, was sie durch den Aufbau der AKK-Strukturen und der Etablierung der „Jungen Revolution“ bereits geschafft hätten. Marvin W. stimmte daraufhin zu, dass „Eisenach sehr gut für Deutsche ist“, eine bloße Symptombekämpfung aber nicht ausreiche.

Ausblick des Gerichts

Aufgrund der Anträge der GBA am Anfang des Verhandlungstages schlug Rechtsanwalt Urbanczyk gegen Ende hin vor, dass das Gericht ohnehin einmal vortragen könnte, wies es die bisherige Beweisaufnahme rechtlich bewertet. Der Senat lehnte diesen Vorschlag nach einer kurzen Unterbrechung ab, da eine Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten derzeit nicht förderlich sei. Dagegen sei für das Gericht klar, dass bereits aufgrund ihrer Amtsaufklärungspflicht Patrick Wieschke als Zeuge in das Verfahren einbezogen werden muss.

Damit endet der Verhandlungstag.