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Knockout 51 - Prozess

20. Verhandlungstag KO51 23.01.2024

Im Vordergrund des 17. Verhandlungstages stand nun die politische Einstellung der führenden Figuren von KO51. Zunächst wurde aber noch ein im August 2020 aufgezeichnetes Gespräch eingeführt. In diesem wurde u.a. eine Pumpgun und ein Jagdschein in Besitz des gesondert verfolgten Marc B. erwähnt. Dabei gab dieser auch an, „die Füße still [zu halten] mit Jagen, da er Angst habe, seine Waffen abgeben zu müssen. Inhaber eines Jagdscheins unterliegen grundsätzlich einer regelmäßigen waffenrechtlichen Überprüfung ihrer Zuverlässigkeit.

Keine Distanz zu Hitler

Dann wurden der Reihe nach Thesen zu den einzelnen Angeklagten eingeführt. So soll Leon R. nach eigenen Angaben bereits seit dem 14. Lebensjahr politisch interessiert sein und sich in Internetforen als Nationalsozialist bezeichnet haben, während er Juden und Homosexuelle als minderwertig angesehen haben soll. Als Nachweis wurde ein Chatverlauf von Leon R. eingeführt, indem Kevin N. vorschlug, ein „alternatives Infoportal für Eisenach“ ins Leben zu rufen, um so Propaganda zu professionalisieren. Dabei übersandte er direkt zwei Graphiken mit entsprechendem Text. Erstere lautete: „Die Kneipe Bull’s Eye ist Sammelbecken für Gewalttäter der gesamten Stadt und das finde ich gut“. Darauf folgte ein Lichtbild mit dem Text „Deutschland ist meine Religion und Hitler mein Prophet“ – Leon R.

Im Anschluss folgte ein überwachtes Gespräch zwischen Leon R. und mutmaßlich Patrick Schroeder, der als Szene-Unternehmer gilt und derzeit stellvertretender Landesvorsitzender der Heimat (vormals NPD) in Bayern ist. Dabei kündigte Leon R. an, in Eisenach ein thüringenweites Vernetzungstreffen zu organisieren, um über Sicherheitsmaßnahmen aufgrund etwaiger Überfälle ins Gespräch zu kommen. Auf Nachfrage, wie es derzeit generell laufe, antworte Leon R., dass „halb Thüringen brennt“ und er selbst niemals von Hitlers Position abrücken würde. Außerdem machte R. klar, dass aus seiner Sicht eine nationalistische Partei nur eine einzige Funktion habe, nämlich Strukturen zu schaffen. Sein Verteidiger Wölfel erklärte daraufhin, dass das Bekenntnis von R. lediglich in einem ironischen Kontext zu sehen wäre.

Anschließend sollte anhand weiterer Chats und Audios aus Überwachungsmaßnahmen die rassistische und rechtsextreme Einstellung von Leon R. belegt werden. Die Gespräche zwischen Leon R., Bastian Ad. und Kevin N. waren durchweg von rassistischen Beleidigungen durchzogen. Ein von Leon R. geteiltes Video eines rassistischen Angriffs wurde von den KO51-Mitgliedern gelobt, wobei aus ihrer Sicht Unrecht nicht erkennbar sei. Zudem erfreuten sich Kevin N. und Leon R. in einem weiteren Chat daran, dass Abtreibungen im Nationalsozialismus mit der Todesstrafe bestraft wurden.

Hakenkreuze und abgesprochene Zeugenaussagen

Anschließend ging es mit Bastian Ad. weiter. Anhand von Fotos ging hervor, dass dieser sich unmittelbar mit dem 16. Geburtstag bereits ein Hakenkreuz auf der Brust tätowieren ließ. Für seinen Anwalt Hohnstädter handle es sich hierbei um eine bloße Jugendverfehlung. Die folgenden Beweismittel wiesen dagegen auch bei Bastian Ad. auf ein gefestigtes rassistisches Weltbild hin. So berichtete dieser gegenüber einer anderen Person erzürnt, dass sich seine damalige Lebensgefährtin ein nicht-weißes Kind mit blauen Augen wünschen würde. Dies war für Bastian Ad. nicht nachvollziehbar, da sie schließlich wissen müsse, dass er „Rassist [sei] und eine Hakenkreuzflagge im Wohnzimmer [habe]“. Es wurden auch mehrere Fotos eingeführt, auf denen Bastian Ad. und Maximilian A. ihre Gesinnung durch das Zeigen eines Hitlergrußes demonstriert hätten.

Ein Gruppenfoto, auf dem Bastian Ad. vor einer Hakenkreuzfahne den Arm zum Hitlergruß hebt, war auch Inhalt eines Chats zwischen Nils A. und Leon R. Ersterer berichtete dabei über seine bisherige Vernehmung als Zeuge am 02.02.2022 vor dem Oberlandesgericht Dresden im Rahmen des sogenannten „Antifa Ost“ Verfahrens. Auf fast alle Fragen zu Knockout51 hätte Nils A. – nach seiner eigenen Aussage im Chat mit Leon R. – geantwortet, dass er nichts wisse. Leon R. empfahl ihm, sich bei der weiteren Vernehmung an „Max’ Aussage“ zu orientieren und auszusagen, dass er im Rahmen von Knockout51 nur „paarmal an Sportplatz gewesen“ sei und mehr nicht. Im Anschluss an die Zeugenaussage von Nils A. wurde auf Twitter im Rahmen des Prozesses das oben genannte Foto hochgeladen, was zwischen den beiden thematisiert wurde.

Zur nationalsozialistischen Überzeugung von Maximilian A. und Eric K.

Maximilian A. habe Fotos von selbstgebackenem Spritzgebäck an den Beschuldigten Ben S. versandt, welches als Hakenkreuz geformt bzw. mit „SS“ in Siegrunen verziert war. Die Fotos wurden in Augenschein genommen.

Auch der Angeklagte Eric K. sei laut Anklage überzeugter Rechtsextremist, habe den Hitlergruß gezeigt und vor einem Hakenkreuz posiert. Hierzu wurden mehrere Lichtbilder eingeführt, so auch ein Foto aus Januar 2022, auf dem Eric K. und andere Personen vor einer Beamerprojektion mit dem Text „9 Jahre Kampf um Westthüringen. Nichts für uns, alles für Deutschland“ und einem großen Hakenkreuz posierten. Weiter sei Eric K.s Gesinnung auf seinem Oberschenkel durch eine Tätowierung des Zeichens der nationalsozialistischen „Sturmabteilung“ SA dokumentiert. Auf dem Smartphone von Eric K. wurde hierzu ein Video-Screenshot festgestellt, der zeigt, wie ein solches Tattoo gefertigt wird. Die Verteidigung von Eric K. wies zurück, dass ihr Mandant auf dem Bild zu identifizieren wäre. Auf dem nächsten eingeführten Foto posiert Eric K. in Sportkleidung zusammen mit Leon R. in Kampfpose im Trainingsraum des Flieder Volkshaus – Eric K. präsentiert seinen rechten Oberschenkel mit dem SA-Symbol und Leon R. seinen Oberschenkel mit einem Hakenkreuz.

Weiter wurde der Screenshot von einem Chatverlauf von Eric K. mit dem Tätowierer und gesondert verfolgten Eric R. gezeigt, in dem der Angeklagte diesen fragt, ob er ihm das Logo von Knockout51 „so klein wie bei Leon“ auf den inneren Fußknöchel tätowieren würde.

Die Hausdurchsuchungen

Nach der Mittagspause wurden die Beschlüsse und Protokolle der Durchsuchungsmaßnahmen eingeführt, die im Rahmen der Großrazzia vom 06.04.2022 gegen die Angeklagten Leon R., Bastian Ad., Maximilian A. und Eric K. sowie elf weitere Beschuldigte, stattfanden. Dies umfasse alles, was an Daten im Kontext den Durchsuchungsmaßnahmen angefallen sei, so der Vorsitzende – also auch Asservatenverzeichnisse, Durchsuchungsvermerke sowie Anordnungen bzw. Beschlüsse zur Beschlagnahmung von Gegenständen. Die vollständigen Dokumente wurden ins Selbstleseverfahren eingeführt. Die etwa 17-seitige Liste der Dokumente wurde mit den Rahmeninformationen verlesen und die zugehörigen Lichtbilder von den Hausdurchsuchungen wurden in Augenschein genommen.

Die Durchsuchungsbeschlüsse waren allesamt ausgestellt vom Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof. Die Durchsuchungsvermerk des BKA enthielten alle auch Grundrisse von den zu durchsuchenden Wohnungen bzw. Häusern, die meisten enthielten Lichtbildmappen mit Fotos. Diese wurden vom Gericht in sehr hoher Geschwindigkeit auf dem Beamer durchgescrollt, sodass Details für das Publikum kaum zu erkennen und Bildunterschriften fast nie lesbar waren. Die Bildunterschriften wurden nicht verlesen, sondern ins Selbstleseverfahren gegeben.

Funde bei Leon R.

Begonnen wurde mit den Dokumenten zu den Durchsuchungsmaßnahmen, die den Angeklagten Leon R. betrafen. Hier wurden am 06.04.2022 wurden mehrere Objekte in Eisenach durchsucht: die Wohnung von Leon R., die Wohnung seiner Mutter, ein Gartengrundstück von R. und das Fahrzeug seines Vaters Dietmar sowie die Kneipe Bull’s Eye und das Flieder Volkshaus.
Lichtbilder aus Leon R.s Privatwohnung zeigten einige Funde, darunter Flyer „Organisiert Widerstand“, „Nazikiez“-Sticker, mehrere Messer, ein Beil, mehrere Fahnen und andere Textilien mit Hakenkreuzen und eine große Menge Bargeld im Auto. Im Bull’s Eye wurden diverse Bücher mit Bezug zum Nationalsozialismus gefunden und viele Aufkleber und Flyer. Fotos zeigten den Bartresen beklebt mit zahlreichen rechten Aufklebern wie „Zecken boxen“, „Jungsturm“ und vielen mehr. Weiter kamen eine Hakenkreuzflagge und augenscheinlich eine für Spenden gedachte Dose mit Hakenkreuz zum Vorschein. Ein ideologisch ganz ähnliches Bild zeichnete sich bei R.s Mutter Ulrike E.: Neben einer schwarz-weiß-roten Reichsflagge, einer SS-Fahne inklusive SS-Totenkopf, einer Fahne mit Keltenkreuz und noch mehr Hakenkreuzfahnen in verschiedenen Ausführungen, wurden auch eine Axt und ein Gewehr gefunden.

Zwischen vielen anderen Dingen zeigten die Lichtbilder aus dem durchsuchten Flieder Volkshaus Sturmhauben, eine Fahne der Identitären Bewegung, einen Karton mit „Division Eisenach“ T-Shirts, diverse Rechtsrock-CDs und auf dem Dachboden einen NPD-Wahlkampfaufsteller mit Patrick Wieschkes Gesicht.

Funde bei den weiteren Angeklagten

Beim Angeklagten Bastian Ad. wurden am 06.04.2022 die Wohnung, sein Auto, ein Hotelzimmer und die Wohnung seiner Partnerin durchsucht. Die Lichtbildmappe aus dem zugehörigen Durchsuchungsvermerk wurde nicht gezeigt, was nach Anregung der Bundesanwaltschaft noch nachgeholt werden müsse.

Bei der Durchsuchung der Wohnräume des Angeklagten Maximilian A. kamen mitunter eine Softairpistole und ein Pfefferspray jeweils mit Zielvorrichtung sowie ein Hammer in Türnähe zutage.

Beim Angeklagten Eric K. wurde dessen Wohnraum, also sein Jugendzimmer im Elternhaus, die Wohnung seiner Partnerin und sein Auto durchsucht. Neben einem Knockout51-Shirt wurden auch ein auf die Hells Angels bezugnehmendes „Support 81 Ostend“ Shirt und eines von der extrem rechten Kampagne „Ein Prozent“ vorgefunden. Die Lichtbilder aus dem Durchsuchungsvermerk zeigten auch augenscheinlich selbst angefertigte Skizzen für Graffiti „Eisenach Nazi Kiez“ und „NS Zone“. Zu finden waren bei Eric K. Aufkleber mit Aufschriften wie „100% National“, „B&H“ oder „Freiheit für Horst Mahler“, Bücher über SA-Sturmführer Horst Wessel und die Identitäre Bewegung sowie diverse Werbemittel der NPD. Eine CD des neonazistischen Bandprojekts „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ war ebenfalls dabei. Auch mit Fotos dokumentiert wurde eine gefundene Schusswaffe, ebenso wie der wohl skurrilste Fund, eine – so die Bildunterschrift – Sprenggranate. Bei diesen beiden Objekten war anhand der Fotos nicht erkennbar, ob es sich um echte oder Nachbildungen handelte.

In der Wohnung der Partnerin wurden der Mitgliedsausweis von Eric K. vom Flieder Volkshaus e.V., eine Hakenkreuzfahne, ein Pullover vom „Kampf der Nibelungen“ sowie diverse Flaschen Testosteron, Einmalspritzen und ein Jagdmesser gefunden. Lichtbilder aus dem durchsuchten Auto von Eric K. zeigten Druckprodukte mit „Nationaler Aufbau“, weitere rechte Aufkleber und schwarz-weiß-rote Textilien.

Hausdurchsuchungen bei weiteren Beschuldigten

Beim gesondert Verfolgten Kevin N. in Erfurt wurde eine Schreckschusspistole gefunden, ebenso wie eine historische Ausgabe von „Der Schulungsbrief“ vom Reichsschulungsamt der NSDAP, einige Aufkleber mit Texten wie „Nazikiez“, „Wir dulden keine Zecken, Demokraten und Drogendealer“, einige Plakate von Kontrakultur Erfurt, das Buch „Mein Kampf“ und weitere Bücher wie „Marx von Rechts“ und „Kontrakultur“. Weiter fand man verschiedene Kleidungsstücke, die explizit eine extrem rechte, rassistische und antisemitische Einstellung ausdrückten, so auch eine rote Sturmhaube mit Hakenkreuz. Die Fotos dokumentierten auch Beschädigungen durch die Durchsuchung an der Tür sowie an Kevins Klavier und Fernseher.

Bei Patrick Wieschke wurden ein Teleskopschlagstock, ein Langmesser, ein Revolver, dessen Echtheit aus dem Foto nicht ablesbar war, ein langer Dolch mit nationalsozialistischem Symbol und ein iPhone – vorgefunden im Katzenklo – sichergestellt.

Bei weiteren Beschuldigten waren ebenfalls einige interessante Funde zu verzeichnen, darunter auch diverse Waffen und rechte Propagandamittel:

  • ein Compoundbogen, mehrere Jagdmesser, rechte Broschüren und „Defend Eisenach“ Sticker (Marc B.)
  • Knockout51-Shirt, Schlagstock, Pfefferspray und Baseballschläger (Marvin W.)
  • Messer, Pfefferspray, Baseballschläger, eine Waffe mit Magazin, ein Teleskopschlagstock und ein Gewehr in einer Tasche mit Eisernem Kreuz (Yves A.)
  • mehrere Messer und Schusswaffen (Maximilian H.) Zu den Schusswaffen wurde auch ein behördliches Gutachten angefertigt.
  • Aufkleber „Nazikiez“ und andere antisemitische und nationalsozialistische Aufkleber, Messer, jeweils eine Hakenkreuzfahne über und gegenüber dem Bett. (Nils A.)
  • Klappmesser, Schlagringe, Aufkleber u.a. „Defend Eisenach“, „Zecken boxen“ und ein Knockout51-Pullover (Benjamin S.)

Die Verteidigung legte Verwertungswiderspruch gegen das Material zu Eric K. ein, wie sie es schon bei den TKÜ-Maßnahmen getan hatten.

Der 20. Verhandlungstag endete gegen 13.40 Uhr. Fortgesetzt werden sollte er am folgenden Montag, dem 29. Januar 2024.